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11.05.2007 | 11:17 | Honigbienen 

Bienensterben in Nordamerika durch «zu viel Stress»?

New York - Genau weiß noch niemand, warum Nordamerikas Bienen plötzlich wie vom Erdboden verschluckt verschwinden.

Biene
(c) proplanta
Ein gutes Viertel der 2,4 Millionen Bienenvölker in den USA und einige Tausende in Kanada haben sich quasi über Nacht in Nichts aufgelöst. «Wahrscheinlich haben sie einfach zu viel Stress», folgert Kevin Hackett, Forscher im US-Landwirtschaftsministerium (USDA), aus den Untersuchungen der vergangenen Monate. Experten wie er arbeiten auf Hochtouren, seit sich Ende 2006 die Anzeichen für ein mysteriöses Bienensterben mehrten.

«In diesem Jahr kommen wir noch um eine Krise herum», sagt Hackett der Deutschen Presse-Agentur dpa in New York. «Aber wir sehen ernste Probleme für 2008 voraus». Jeder dritte Bissen, der in den USA verzehrt wird, sei der Bestäubung von Obst, Gemüse oder Nüssen und Mandeln durch Honigbienen zu verdanken. «Wir müssen das Problem unbedingt schnellstens lösen», findet auch die Insektenkundlerin der Staatlichen Universität von Pennsylvania, Diana Cox-Foster.

Autopsien schließen einen zunächst verdächtigten Bienenfeind inzwischen aus: Die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe (Varroa destructor) ist nicht, zumindest nicht allein, für das Massensterben verantwortlich, sagt Cox-Foster. Genetische Tests der New Yorker Columbia Universität machten eine Vielzahl von Parasiten und Pilzen an Bienen aus befallenen Stöcken ausfindig. Derweil sucht ein USDA-Labor im Bundesstaat North Carolina unter 117 chemischen Substanzen nach einem möglicherweise mitschuldigen Pestizid.

«Wahrscheinlich schwächt eine Kombination verschiedener Ursachen unsere Bienen», meint der Insektenforscher Steve Sheppard von der Staatlichen Universität von Washington. Einen großen Stress-Faktor sieht er in dem Einsatz von Bienen in oft Tausende von Kilometern auseinander liegenden Anbaugebieten: Amerikanische Imker kreuzen vom Frühling bis in den späten Herbst mit Riesenlastern durchs Land und setzen ihre summende Fracht saisonbedingt mal in Florida und bald darauf in Alaska oder Maine zum Bestäuben aus. Der Einsatz jeweils nur für eine bestimmte Pflanzenart zwinge die Bienen auch zur einseitigen Ernährung - und schwäche ihre Abwehrkräfte weiter, warnt Sheppard.

Nicht so in Kanada. «Wir fahren unsere Kolonien höchstens ein Mal im Jahr in den Osten zur Bestäubung der Blaubeerenfelder», sagt der Bienenzüchter Douglas McRory vom Landwirtschaftsministerium in der Provinz Ontario. Dass aber auch bei ihm sowie in den Westprovinzen British Columbia, Alberta und Saskatchewan das große Bienensterben einsetzt, führt McRory auf den milden Winter zurück. Durch die warmen Temperaturen bis in den Januar hinein hätten die Völker nicht genug spätherbstlichen Honig produziert und seien im Winter schlicht verhungert. Die ungewöhnlichen Temperaturen hätten die Insekten auch während der Brutzeit veranlasst, zu viel Wärme für den Nachwuchs zu erzeugen, und sich selbst dadurch zu schwächen.

In Deutschland gebe es ein solches Bienensterben wie in Nordamerika derzeit nicht, sagten der Präsident des Deutschen Imkerbundes, Anton Reck, und der Bienenforscher Stefan Fuchs von der Universität Frankfurt/Main. Der diesjährige Verlust nach dem Winter von etwa zehn Prozent liege im normalen Bereich, ergänzte Reck.

Für Theorien, nach denen gentechnisch veränderte Pflanzen oder auch der Elektrosmog von Mobilfunktürmen ganze Kolonien in den USA auslöschen, gibt es bisher keinen Beweis. In diesem Jahr wird die amerikanische Landwirtschaft den Verlust der emsigen Bestäuber durch Teilung von Bienenstöcken noch ausgleichen können, meint der USDA-Experte Hackett. Allerdings dürften die Preise schon jetzt empfindlich anziehen. Laut Hackett lassen sich die Imker den Einsatz ihrer Bienen in Blaubeerfeldern in diesem Frühjahr mit 80 Dollar (59 Euro) - statt 40 in 2006 - pro Bienenstock bezahlen.

Im kommenden Jahr aber ließen sich Nahrungsmittelengpässe nicht mehr vermeiden, sollte dem Bienensterben nicht schnellstens Einhalt geboten werden, warnt Hackett. Da Bienen auch das Rinderfutter Luzerne bestäuben, dürfte auch die amerikanische Viehzucht unter ihrem Verlust zu leiden haben. Besonders schlimm aber steht es um den Gemüse- und Ostanbau. Honigbienen tragen bis zu 80 Prozent zur Bestäubung von insgesamt 90 Nahrungsmitteln bei - Äpfeln, Avocados, Blau- und Erdbeeren, Kiwis, Kirschen, Melonen, Sojabohnen und Zitrusfrüchten, sogar einigen Getreidesorten. Ohne ihre Mithilfe sieht es um die Versorgung der US-Bevölkerung schlecht aus, warnt Hackett. (dpa)
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