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16.07.2016 | 12:32 | Garnelenfarm 

Garnelen schlemmen ohne Gewissensbisse

Langenpreising - Hinter der Tür warten die Tropen, zumindest klimatisch: Das Wasser ist mit 29 Grad so warm wie in Äquatornähe, die Lufttemperatur liegt bei 30 Grad und die Luftfeuchtigkeit bei schweißtreibenden 70 Prozent.

Garnelenzucht in Bayern
Viele Menschen haben Garnelen bewusst von ihrem Speisezettel gestrichen, allzu umstritten sind sowohl Zucht als auch Wildfang. Unternehmer aus Bayern bieten eine Alternative. (c) proplanta
Doch statt immergrüner Mangrovenwälder stehen in der Halle von «Crusta Nova» in Langenpreising bei München acht nüchterne schwarze Wassertanks.

In ihnen wimmelt es von Garnelen, eigentlich typische Bewohner des tropischen Küsten-Ökosystems. Zwei junge Unternehmer mit Bio-Anspruch züchten die Meeresfrüchte nun auch in Bayern - und versprechen umweltschonend und artgerecht aufgezogene frische Garnelen.

Was für viele Verbraucher erstmal nach einer Selbstverständlichkeit klingt, war lange Zeit die Ausnahme von der Regel: Vielen Zuchtanlagen in Asien und Mittelamerika bescheinigten Umweltschützer eine katastrophale Umweltbilanz, auch die sozialen Folgen sind bis heute teils verheerend. Der Einsatz von Antibiotika und anderen Chemikalien, versalzenes Grundwasser, abgeholzte Mangrovenwälder und damit einhergehend der Verlust von Artenvielfalt und Küstenschutz sowie sklavenartige Zustände auf den Fischfutter-Kuttern sind nur einige Stichworte, die den Verzehr von Garnelen in Verruf gebracht haben.

Philipp Kanstinger, Seafood-Experte der Umweltschutzorganisation WWF, relativiert. «Die Garnelenzucht in Asien wurde in den letzten zehn Jahren extrem professionalisiert. Man kann die Situation, die wir jetzt haben, nicht mit der Anfang der 2000er Jahre vergleichen.» Nichtsdestotrotz betont auch er: «Doch es gibt immer noch die schwarzen Schafe.»

Gerade in den Zuchtgebieten außerhalb Thailands laufe noch vieles schief. Lobesworte findet er hingegen für das bayerische Projekt - das sei «vom ökologischen Standpunkt sehr begrüßenswert». Es ist allerdings nicht die erste und nicht die einzige Garnelenzucht in Deutschland, so gibt es etwa Farmen bei Hamburg und im mecklenburg-vorpommerschen Grevesmühlen.

In Abgrenzung zu den umstrittenen, meist wochenlang tiefgekühlten Importen nennen Fabian Riedel (33) und Maximilian Assmann (35) ihre Garnelen ganz bewusst «Good Gamba». Zwar gibt es derzeit noch keine Bio-Richtlinie für Aquakultur-Kreislaufanlagen, doch im Herbst soll die Zertifizierung starten.

Am Ende soll es dann das Bio-Siegel geben für die bayerischen White Tiger Prawns. «Die Art ist für die industrielle Zucht am besten geeignet und stellt nicht so viele Anforderungen wie andere», erläutert Riedel. Nichtsdestotrotz muss alles stimmen, damit die Tiere innerhalb von 4,5 bis 6 Monaten ihr Abfischgewicht von 25 bis 35 Gramm erreichen - Salzgehalt, Futtermenge und -zusammensetzung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit.

Weil es zuvor nur kleinere, oft zu Forschungszwecken betriebene Zuchtanlagen gab, mussten Riedel und Assmann zahlreiche eigene Lösungen finden. Das Ergebnis ist ein ausgeklügeltes technisches System, das etwa das Wasser einmal in der Stunde vollständig filtert und so Futterreste, Kot, Karkassenreste und das entstehende Ammoniak entfernt. «98 Prozent des Wassers werden wiederverwendet», schildert Riedel stolz.

In den meisten herkömmlichen Garnelenfarmen ist das undenkbar: «Für 1 Tonne Shrimps benötigt man circa 50 Millionen Liter eines Gemischs aus Süß- und Meerwasser», schreibt etwa der WWF in einem Hintergrundpapier. «Der enorme Bedarf an Süßwasser hat häufig eine Absenkung des Grundwasserspiegels rund um die Zuchtfarmen zur Folge.» Eine weitere Folge des ständigen Wasserwechsels in den Zuchtbecken sei die Versalzung der umliegenden Böden mit entsprechenden Auswirkungen auf Flora und Fauna.

Die «Großstadtfischer» aus Langenpreising sehen daher gute Geschäftschancen, zumal auch die Wildbestände immer leerer gefischt werden. «Garnelen sind weltweit das wichtigste Seafood, vom Wert her und von der Beliebtheit her», betont Riedel. Auch die Deutschen greifen gerne zu Garnelen, Shrimps und Krabben: «Das ist ein Wachstumsmarkt. Zwischen 2013 und 2015 ist der Absatz um fünf Prozent gewachsen», berichtet Wolfgang Adlwarth vom Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK. Rund 30 Prozent aller Privathaushalte hätten im vergangenen Jahr Garnelen & Co. gekauft - und dafür rund 210 Millionen Euro ausgegeben.

Die Garnelen aus Langenpreising sind erst seit gut vier Monaten auf dem Markt und wesentlich teurer als die Importware. Dennoch sind die Becken durch die hohe Nachfrage auch aus der Spitzengastronomie derzeit buchstäblich leergefischt, der Bestand muss erst wieder nachwachsen. Vorerst rechnet Riedel mit einem Jahresernte von 30 Tonnen. Doch ersten, noch zaghaften Ausbauplänen würde nichts im Wege stehen: «Auf dem Gelände könnte wir noch einmal 1,5 solcher Hallen bauen.»
dpa
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