Davor hat der für Forschung zuständige Generaldirektor des Amtes für
Gesundheitsschutz in
Ernährung, Umwelt und Arbeit (ANSES), Dr. Gilles Salvat, kürzlich erneut gewarnt. Der Wissenschaftler hält es vor allem angesichts der verbreiteten Infektion von Wildvögeln für wahrscheinlich, das erst in mehreren Jahren Entwarnung gegeben werden kann.
Problematisch sei auch, dass sich eine neue Variante des Virus an möwenverwandte See- und Wasservögel angepasst habe; nicht alle Arten aus dieser Gruppe seien Zugvögel. Laut Salvat wird das Seuchengeschehen derzeit durch einen Kreislauf befeuert. Je mehr Nutztierhaltungen betroffen seien, umso stärker steige die Viruslast in der Umwelt. Das wiederum trage zu den steigenden Infektionszahlen unter den Wildvögeln bei, die ihrerseits wieder Einträge in Tierhaltungen verursachten.
Ohne eine Impfung kann diese Entwicklung nach Einschätzung von Salvat nur gebremst werden, indem das Ausmaß der Kontamination in den Tierhaltungen verringert wird. Dann könnten die Ansteckungszyklen unterbrochen werden und sich bei den Wildtieren Immunität einstellen. Derzeit breitet sich die
Seuche wieder in französischen Nutztierhaltungen aus.
Der ANSES-Direktor führt zumindest die zuletzt beobachteten Fälle auf Mängel in der Biosicherheit zurück. Insbesondere bei Enten sei zudem die Früherkennung wichtig, da infizierte Enten den
Erreger etwa zehn Tage lang verbreiten könnten, ohne Symptome zu zeigen.
Keine sterile ImmunitätIm Gegensatz zu den Vorjahren war die HPAI 2022 auch den Sommer hindurch zirkuliert, vorwiegend bei Wildtieren. Von November 2021 bis Frühjahr 2022 waren in Frankreich etwa 1.400
Betriebe betroffen, mehr als 20 Millionen Vögel sollen gekeult worden sein. Unter dem Eindruck dieser Krise werden in den betroffenen Sektoren verschiedene Anpassungsmöglichkeiten diskutiert.
Unter anderem wird an einer Impfung für Enten gearbeitet, die sehr anfällig für die derzeit zirkulierenden Erreger sind. Laut Salvat werden die Tiere dadurch allerdings voraussichtlich keine sterile Immunität erhalten, sondern von einer stark verringerten Viruslast und einer verlangsamten Ansteckung profitieren. Dadurch dürfte Zeit bei der Bekämpfung der Seuche gewonnen werden. Die Exportproblematik wird allerdings nicht entschärft - befürchtet wird vielmehr, das Drittländer eine Einschleppung der Seuche geltend machen und Verbote verhängen.
Insbesondere die Brütereien und Zuchtunternehmen sind nach Angaben ihres Branchenverbandes (SNA) stark auf das Auslandsgeschäft angewiesen. Din Drittel des Branchenumsatzes hänge an den Ausfuhren; einige Unternehmen exportierten ihre gesamte Produktion, warnte der SNA. Der Verband ist sich mit der gesamten französischen
Geflügelwirtschaft einig, dass die Exportproblematik auf EU-Ebene gelöst werden muss.
Hohe Investitionen notwendigEinigkeit herrscht auch darüber, dass die Konzentration der Geflügelbetriebe, vor allem der
Züchter im Einzugsgebiet der Loire, aufgelöst werden muss. Die Überlegungen befinden sich allerdings noch im Anfangsstadium. Wie der SNA feststellte, müsste für jeden einzelnen Standort eine Analyse durchgeführt werden, die Geflügelhaltungen und Wasserkörper in der Umgebung einbezieht. Diskutiert werde, Stallungen in der Umgebung aufzukaufen oder die Zuchtbetriebe zu verlegen; in jedem Fall seien aber hohe Investitionen notwendig.
Der SNA hat nach eigenen Angaben in Kooperation mit der Agrarbehörde FranceAgriMer vergeblich versucht, Mittel des Investitionsprogramms „France 2030“ zu mobilisieren. Der Verband fordert gezielte Unterstützung der Regierung. Bis dieses Problem gelöst wird, hofft er zumindest auf ein Verbot für die Ansiedlung neuer Geflügelhaltungen in der Nähe wichtiger Standorte. Auch die Geflügelmäster befassen sich mit dieser Option, laut dem Branchenverband (ANVOL) allerdings bislang ohne Ergebnis. Die Verlagerung von Mastbetrieben wird unter Verweis auf die Nähe zu den Schlachthöfen abgelehnt.
Ställe bleiben leerIm Sommer hatte schon das ANSES empfohlen, die Dichte der Geflügelbetriebe in einigen Teilen Frankreichs spürbar zu verringern. Zumindest im Südwesten des Landes - bis zum Sommer ebenfalls Brennpunkt des Geflügelpestzuges, hat sich die Branche auf eine kurzfristige Maßnahme für den Winter geeinigt. Vom 15. Dezember bis zum 15. Januar 2023 sollen im Rahmen des „Adour-Plans“ in den dortigen Gemeinden mit der höchsten Dichte an Geflügelbetrieben die Entenställe leer bleiben.
Damit soll eine erneute Ausbreitung der Seuche in den Départements Gers, Landes, Pyrénées-Atlantiques und Hautes-Pyrénées verhindert werden. Vorgesehen ist, die Bestände an Hühnervögeln in diesem Zeitraum ebenfalls spürbar zu verringern, wobei Legehennen allerdings ausgenommen werden sollen.