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24.06.2019 | 05:01 | Schwarmzeit 

Imker-Mode in der Stadt mit Folgen

Berlin - Wenn plötzlich Zehntausende Bienen an einem Fahrradlenker hängen, ist das ein beeindruckendes Schauspiel. Manchem Städter kann das aber auch Angst machen. In diesen Wochen ist Schwarmzeit.

Bienenvolk
Herrenlose Bienenschwärme besetzen Ampeln, Balkone oder Fensterbretter. Es ist Schwarmzeit und Fänger haben alle Hände voll zu tun. (c) proplanta
Bienenvölker vermehren sich, die Ableger suchen sich einen neuen Ort zum Leben. Auch in Großstädten wie Berlin, in denen es seit Jahren einen kleinen Bienen-Boom gibt. Gewollt ist das Schwärmen von Imkern nicht - manchmal passiert es trotzdem.

«Wir haben inzwischen etwa 10.000 Bienenvölker in der Stadt», sagt Benedikt Polaczek, der Vorsitzende des Berliner Imkerverbandes. Das Schwärmen sei ein ganz natürlicher Prozess. Doch die meisten Imker versuchten ihn zu verhindern, damit ihnen kein Honig verloren geht.

«Doch hundertprozentig werden wir das nicht in den Griff kriegen», so Polaczek. Manchen Neu-Imkern fehle die Erfahrung. Und selbst langjährigen Kollegen könne es passieren, dass ein Volk schwärme.

Wenn ein herrenloses Volk gesichtet wird, kümmern sich neben der Feuerwehr auch rund 50 ehrenamtliche Schwarmfänger des Imkerverbandes um die summenden Bienen. Einer von ihnen ist Jonas Hörning, der dann einen Anruf bekommt - jüngst von einem Hobbyimker in einer Wilmersdorfer Kleingartenanlage.

Schwer bepackt mit Schwarmkasten und Zubehör rürckt der 40-jährige Kreuzberger an. Doch er kommt zu spät. Die Bienen haben ihr Zwischenquartier, einen Birnenbaum, vor ein paar Minuten verlassen. Wohin sie abgeschwirrt sind? Nicht zu sehen.

Der Wilmersdorfer Imker und Hörning sind enttäuscht. «Eigentlich hätten die Bienen gar nicht schwärmen dürfen. Sie haben sich nicht nach Lehrbuch verhalten», berichtet der Imker. Er habe die so genannten Schwarmzellen für junge Königinnen entfernt, so dass den Bienen die Grundlage zum Schwärmen fehle. Denn erst, wenn neue Königinnen in Sicht seien, suche sich die alte Königin mit ihren Arbeiterinnen ein neues Zuhause.

«Man muss sehr genau aufpassen. Wenn man auch nur eine Schwarmzelle übersieht, schwärmen die Bienen trotzdem», sagt Polaczek. Dann geht es rund. «Die Bienen lassen sich gern Öffnungen von Hauswänden oder in anderen Hohlräumen nieder», ergänzt Hörning. Er hat in Berlin schon etwa 100 Schwärme eingefangen, unter anderem von Balkonen oder Fensterbänken.

«Man muss den Großteil des Volkes möglichst mit Königin einfangen, die restlichen Bienen fliegen in der Regel hinterher», berichtet der Hobby-Imker. Auch fürchten müsse man sich nicht, denn die Schwärme hätten keinen Honig und somit auch nichts zu verteidigen.

«Schwärme sind die liebsten und friedlichsten Wesen überhaupt. Man kann eine Hand reinstecken und muss keine Angst haben», ergänzt Johannes Wirz, Vorstand des Vereins Mellifera. Dieser hat sich der so genannten wesensgemäßen Bienenhaltung verschrieben und nutzt den Schwarmtrieb als natürliche Vermehrungsmethode. Die Ableger werden eingefangen, bevor sie schwärmen können.

Während die meisten ehrenamtlichen Schwarmfänger für einen oder wenige Bezirke in Berlin zuständig sind, nimmt Imker Alfred Krajewski aus Heiligensee auch weitere Wege in der ganzen Stadt auf sich. «Ich beobachte vor allem in Kreuzberg, Friedrichshain und Lichtenberg eine Zunahme der Schwärme», sagt der 59-Jährige. «Das Imkern ist hip und en vogue, doch man muss sich auch um seine Bienen kümmern», so Krajewski.

Erst vor wenigen Wochen musste er eine Bienen-Traube von einer Ampel in Friedrichshain holen. «Das war ziemlich aufregend, denn die Straße war stark befahren und viele Leute haben zugeschaut», erzählt der Imker. Seine Aktion landete mit einem Foto bei Twitter.

Auch die Feuerwehr wird oft gerufen, wenn Bienen gefunden werden. «Wir sind für den öffentlichen Bereich wie Straßen, Plätze, Schulen und Kitas zuständig», sagt Oberbrandmeister und Hobby-Imker Michael Eggers. In den Reihen der Feuerwehr gebe es mindestens etwa 15 Imker, die in solchen Fällen einspringen könnten. Sie wollten sich nun noch besser organisieren, um für solche Einsätze besser aufgestellt zu sein. «Teilweise rufen wir auch Schwarmfänger vom Imkerbund, aber auch die sind ja nicht immer verfügbar», so Eggers.

Hörning und Krajewski geben die Völker meist an andere Imker weiter, darunter auch Anfänger, die ein eigenes Volk suchen. Auch die Feuerwehr gebe die Völker an Imker weiter, so Eggers. Völker, die nicht eingefangen werden, seien in der Regel zum Tode verurteilt.

«Etwa 80 bis 90 Prozent überleben nicht», sagt Hörning. Ohne Behandlung gegen die Varroamilbe sei ein Volk in der Natur nicht langfristig überlebensfähig. Dieses Schicksal trifft möglicherweise auch die Bienen von Hobby-Imker Heilmann, wenn sie nicht von einem anderen Schwarmfänger geborgen werden.

Imkermeister Polaczek spricht sich für einen Qualifikationsnachweis für Imker aus, da viel Fachwissen für die Haltung der hochkomplexen Bienenvölker nötig sei. Eine Prüfung für Imker sei derzeit nicht vorgesehen, sagte ein Sprecher der Justizverwaltung. Geplant sei aber, das Schulungsangebot auszubauen.
dpa/bb
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