Auch wenn so ein Befall an verschiedensten Ackerfrüchten derzeit noch kurios anmute, würde eine erfolgreiche Überwinterung und Ausbreitung alleine dieser Schmetterlingsart den Pflanzenschutz im Acker- und
Gemüsebau in Deutschland an seine Grenzen bringen, sagt Olaf Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe.
Denn der Baumwollkapselwurm ist eigentlich in wärmeren Gefilden zu Hause, rückt mit dem
Klimawandel aber immer weiter von Süden heran - «und fliegt damit immer schneller über die Alpen zu uns in die Kulturen», erklärt Zimmermann. Wenn er auch hierzulande überwintern könne, wäre ein kritischer Punkt überschritten.
Während gemeinhin mit dem Klimawandel eher
Artensterben einhergeht - auch bei Schmetterlingen - flattern mit beständig höheren Temperaturen auch neue Arten nach Deutschland. Und darunter sind eben auch Schädlinge.
Zu den Schadschmetterlingen zählt Zimmermann in einem Beitrag für die Fachzeitschrift «Gemüse» auch andere sogenannte Eulenfalter wie die Zweifleck-Goldeule und die Mais-Eule. «Sie legen oft mehrere Hundert Eier pro Weibchen, einige Arten haben als Raupe eine bohrende Lebensweise und entziehen sich dadurch der Bekämpfung.» Zudem seien Raupen wie auch die Falter unauffällig - «die beste Voraussetzung, übersehen zu werden und sich erst einmal unbemerkt zu etablieren».
Gerade Baden-Württemberg ist als Einflugschneise für neue Arten prädestiniert: Der südliche Oberrheingraben ist regelmäßig ein Beispiel für extreme Trockenheit oder Hitze, auch wenn langfristig höhere Temperaturen in ganz Deutschland erwartet werden. Hinzu kämen der Rhein als Handelsweg und die geografische Lage mit natürlichen Routen wie der Burgundischen Pforte zwischen Vogesen und Jura, erklärt Zimmermann. «Die neuen Arten bewegen sich dann über die Flusstäler und die Verkehrswege quer durch Deutschland.»
«Wir hatten in Baden-Württemberg den Buchsbaumzünsler zuerst», sagt Zimmermann. Ebenfalls ein Schmetterling. Auch andere Insekten wie die Marmorierte Baumwanze und die Gewächshausschmierlaus, die im
Freiland Wein befallen könnte, wurden den Angaben nach zuerst im Südwesten nachgewiesen. Kirschessigfliegen tauchten hier und in Bayern auf.
Als weiteres Beispiel für eine neue Art in Deutschland nennt Robert Trusch die Rosskastanienminiermotte, die vor allem die Hauptbäume in bayerischen Biergärten befällt. Daher sei sie ähnlich wie der Buchsbaumzünsler bekannter, sagt Trusch, der am Naturkundemuseum Karlsruhe eine der größten Schmetterlingssammlungen Deutschlands betreut. «Schäden an Pflanzen ist das, was den Menschen auffällt.»
Anders aber als etwa bei Eichhörnchen und Flusskrebsen seien die heimischen Schmetterlinge in der Regel nicht durch die Einwanderer gefährdet. Eine Ausnahme sei der Karstweißling, sagt Trusch. Er lösche eine genetische Population in der Region um Lothringen aus.
Dass in Deutschland Schmetterlinge rarer werden und Arten ganz verschwinden, liegt nach Erkenntnissen der Wissenschaftler vor allem an der intensiven Landwirtschaft und der
Versiegelung von Flächen. Steigende Temperaturen verdrängen Arten, die es kühler lieben.
Der Lebensraumverlust betreffe natürlich auch neu zugeflogene Schmetterlinge, sagt Trusch. Aber wie empfindlich Tiere etwa auf Gifte reagieren, unterscheide sich von Art zu Art. «Die, die kommen, sind besonders potente Arten», sagt der Schmetterlingsforscher. «Die, die kommen, haben keine großen ökologischen Ansprüche.»
Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum empfiehlt insbesondere als vorbeugende Maßnahme eine strenge und engmaschige Einfuhrkontrolle von Pflanzen. «Wenn diese Schaderreger einmal etabliert sind, ist eine Ausrottung in der Regel nicht mehr möglich.»
Doch mit dem Klimawandel kommen nicht nur jene Tiere, die Schäden an der hiesigen Flora anrichten. Dass andere hier aber als Bestäuber groß von Nutzen sein könnten, glaubt Trusch nicht. In den vergangenen Jahren seien ein paar Dutzend Arten hinzugekommen - bei Hunderten in Deutschland. «Das ist so, als wenn Sie in den
Bodensee noch ein Glas Wasser reinschütten.» Ein Beispiel sei das Taubenschwänzchen.
Der Nachtfalter, der mit seinem langen Saugrüssel auch an röhrigen Blüten zu schweben scheint und daher schonmal mit Kolibris verglichen wird, sei ursprünglich südlich der Alpen im Mittelmeerraum beheimatet, erklärt Ute Ruttensperger von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg.
Als Wanderfalter seien Taubenschwänzchen seit Jahrhunderten über die Sommermonate nach Mitteleuropa eingeflogen, doch mit dem zunehmenden Klimawandel könnten auch erwachsene Tiere hier überwintern. «Warme Frühjahrstage werden dann zur Eiablage genutzt, Mitte Juni können dann schon die ersten Schmetterlinge im Garten beobachtet werden.»