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31.08.2013 | 07:32 | Neue Zentren für Grundlagenforschung 
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Kritiker von Tierversuchen werden wieder laut

München - Die Bilder wecken Emotionen: Versuchstiere in Käfigen, Mäuse unter grellen Lampen, Äffchen mit Elektroden am Kopf.

Versuchstier
(c) natalia pavlova - fotolia.com
Einig sind Forscher und Tierschützer, Politiker und Industrie, dass so wenig Tiere wie möglich für Versuche herhalten sollen.

Computersimulation, Zellkulturen und Tests im Reagenzglas bieten in vielen Fällen bereits eine Alternative. Dennoch nimmt die Zahl der Versuchstiere weiter zu. In München sorgt der Neubau zweier Labors mit Zehntausenden Tieren daher für Proteste.

«München ist nur eines von vielen Beispielen», sagt die Sprecherin von «Ärzte gegen Tierversuche», Silke Bitz. Große Zentren gibt es auch in Berlin, Düsseldorf, Hannover, Heidelberg, Göttingen, Tübingen und Freiburg - überall, wo biomedizinische Forschung stattfindet. Der Verband nennt München aber als eine der schlimmsten Hochburgen.

An der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) entsteht ein neues BioMedical Center für Grundlagenforschung, in dem Lehrstühle zusammenziehen und so bestehende Einrichtungen gebündelt werden sollen. Bis zu 9.000 Käfige für gut 50.000 Mäuse und andere Nager sowie bis zu 1.700 Käfige für Krallenfrösche sind vorgesehen.

«Durch die moderne Infrastruktur - unter anderem die Möglichkeit, alternative Methoden zu Tierversuchen zu nutzen - werden die für die Grundlagenforschung notwendigen Tierversuche der einziehenden Institute reduziert», verspricht die LMU.

Am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) soll ab 2014, finanziert von Bund und Ländern, ein Forschungszentrum für Translationale Onkologie gebaut werden.

Forschungsergebnisse sollen dort auf kurzem Weg rasch in die Patientenversorgung umgesetzt werden. Auf 700 Quadratmetern werden dann, so der Plan, bis zu 36.000 Mäuse und 800 Ratten leben, darunter genveränderte Tiere. Diese brächten gerade bei onkologischen und immunologischen Fragen Erfolge, erläutert die TUM.

An Tieren werden nicht nur Medikamente ausprobiert, sondern auch Dialysetechniken, Impfungen, Bypass-Operationen und neue Gelenke. Hunde bekamen Zahnimplantate und künstliche Hüften. Affen wurden Schweineherzen eingepflanzt. Ob Xenotransplantationen - tierische Organe für Menschen - je den Organmangel lösen werden, ist fraglich.

Bei Unbedenklichkeitsprüfungen von Gebrauchsgütern wie Farben oder Pestiziden, aber auch vor der Marktzulassung von Medikamenten sind Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben. «Bestimmte Dinge kann man nur am Gesamtorganismus sehen», sagt Rolf Hömke vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). «Eine Zellkultur hat keinen Blutdruck, eine Zellkultur hat keine Immunsystem», erläutert Hömke.

«Meine erste Frage an einen Tierexperimentator wäre nicht: Haben Sie viele Versuchstiere? Sondern: Gehen Sie mit den Tieren gut um?» Gerade Forschung brauche Tiere, denen es gut gehe. «Mit einem ungestressten Tier hat man aussagefähigere Messergebnisse.»

Die Unternehmen im vfa, deutsche und ausländische forschende Pharmafirmen, brauchten pro Medikament weniger Tiere, sagt Hömke. Deren Zahl sank von 2001 bis 2011 um vier Prozent, obwohl 46 Prozent mehr Forschungsgelder ausgegeben wurden, es also mehr Forschung gab.

«Bei den gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen gehen die Zahlen erfreulicherweise zurück», sagt auch Bitz. Alternativ-Methoden seien billiger, schneller und zuverlässiger. Insgesamt aber steigen die Versuchstierzahlen. 2011 wurden laut Verbraucherschutzministerium 2,9 Millionen Wirbeltiere verwendet, 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr - und 60 Prozent mehr als im Jahr 2000.

Gegner halten Tierversuche für ganz überflüssig. «Es gibt eine ganze Bandbreite von tierversuchsfreien Forschungsmethoden etwa an Zellen, es gibt ausgeklügelte Computermodelle, da kann man den ganzen Verlauf mit einer Substanz durchspielen und Stoffwechselvorgänge und Nebenwirkungen im menschlichen Körper digital nachahmen», sagt Bitz.

Wissenschaftler entwickeln hier ständig neue Methoden. Gerade wurde eine an der Freien Universität Berlin entwickelte künstliche Haut prämiert, die allergisch reagieren kann. Einen Preis gab es auch für die Idee, Tierversuche durch Lungenstückchen zu ersetzen, die bei OPs übrig bleiben.

Sie werden laut vfa-Sprecher Hömke verwendet, um zu erkennen, was bei Lungeninfektionen geschieht. Eine wichtige Rolle spiele auch die Bildgebung. Anstatt Tiere nach einem Forschungszyklus zu töten und zu sezieren, um Heileffekt oder Nebenwirkung von Mitteln zu prüfen, werden sie betäubt und per Computertomographie untersucht.

Die «Ärzte gegen Tierversuche» kritisieren, Tierversuche seien nicht nur grausam. «Tierversuche sind für uns gefährlich, weil sie eine falsche Sicherheit vorgaukeln», sagt Bitz. «Im Tier kann man seit Jahrzehnten Krebs heilen - das hat mit der menschlichen Erkrankung einfach nichts zu tun.» Hömke hingegen sagt, viele Medikamente wirkten bei Tier und Mensch gleich.

Nicht alles sei übertragbar, dennoch verbesserten Tests an Tieren vor klinischen Studien an Menschen deren Schutz. «Ich bin diesen Menschen schuldig, dass ich nichts unversucht lasse, Schaden von ihnen abzuwenden.»

Im Kosmetikbereich muss es inzwischen ohne Tierversuche gehen. Shampoo, Deo oder Creme - seit März dürfen in der EU keine Kosmetika mehr verkauft werden, die an Tieren getestet wurden. (dpa)
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Kommentare 
EPetras schrieb am 01.09.2013 16:42 Uhrzustimmen(70) widersprechen(77)
Die versuchte Rechtfertigung von Tierversuchen erfolgt in der Regel mit dem Argument, man wolle die Sicherheit von Medikamenten verbessern. Doch gerade dort wird ihr Versagen offenbar, denn etwa 70% der Nebenwirkungen erkennt man erst beim Einsatz am Menschen. Hier steigt man vermehrt auf Alternativmethoden um - zum Wohle auch des Menschen. Ausgerechnet in der Grundlagenforschung, die eher vage darauflosforscht, steigt der Einsatz von Tierversuchen stark - so stark, dass die Gesamtzahl der Tiere trotz aller gegenlautenden Beteuerungen in den letzten Jahren wieder stark ansteigt. Sind wir in der Lage, uns eine Million Tiere überhaupt vorzustellen? Und es sind ja weitaus mehr! Unsere Ethik - sonfern durch Judentum, Christentum oder Islam geprägt (was sie in den meisten Fällen hierzulande ist), akzeptiert zwar die Tiertötung bedingt zu Zwecken der Ernährung und bei Notwehr, alel Religionen aber verurteilen Tierquälerei. Ein Lebewesen, das uns ähnlich ist, bewusst Leiden auszusetzen, ist auch dann bedenklich, wenn es erfolgt, um uns selbst vor potentiellen Schäden zu retten. Einig Menschen akzeptieren Tierversuche dennoch, weil sie meinen, dies sei zur Rettung von Menschenleben nötig. Fakt ist aber: Es wäre sogar möglich, weitaus mehr Menschen zu retten: Durch Umsteuerung bei der Agrarförderung, die momentan kleinbäuerliche Strukturen zerstört und zur Landflucht in Hungergebieten beiträgt, durch Reduktion unseres Fleischkonsums, was Ressourcen schonen und flächen in Hungerländern der Ernährung vor ort erhalten würde, wirkliche und flächendeckende Ernährungsaufklärung in Schulen auch gegen den Widerstand großer Fastfoodfirmen und des so genannten Bauernverbandes, der hierzulande eher die Agroindustrie vertritt, Schaffung der Zugangs zu lebensrettenden Medikamenten auch für Menschen ärmerer Länder, Stopp der Zerstörung der unserer Antibiotika durch die Züchtung immer neuer Resistenzen in industrieller Tierhaltung... Die Liste ließe sich fortsetzen. Tatsache ist, dass Tierversuche teuer sind. Spart man diese Gelder, kann man mit gleichem Mitteleinsatz ungleich mehr Forschung leisten. Es ist daher sinnvoll, diese Gelder in die Schaffung neuer Alternativmethoden umzuleiten, denn der bislang geringe Einsatz geringer Mittel in diesem Bereich hat zu enormen Ergebnissen geführt. Es gibt immer neue künstliche Organe und sogar eine Vernetzung derselben. Hier existiert ein vielverspechendes Forschungsfeld, das Forschung allgemein nicht nur ethisch vertretbarer, sondern auch effizienter und genauer, ja überhaupt erst wirklich auf Menschen anwendbar machen kann. An Tieren wurde lange genug geforscht. Es ist Zeit für neue Wege! Diese Wege sollten gefördert werden - denn sie sind gangbar und es könnten weitaus mehr sein. Stattdessen steigen die Tierversuchszahlen - das ist inakzeptabel! Elisabeth Petras Politischer Arbeitskreis für Tierrechte in Europa (PAKT) e. V.
Stoppt Tierversuche schrieb am 01.09.2013 11:00 Uhrzustimmen(78) widersprechen(114)
"Ärzte gegen Tierversuche" sind einer der offziellen Unterstützer der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Vivisection", die eine moderne Wissenschaft fordert, die Daten erbringt, die direkt für den Menschen relevant sind, und Tierversuche nach und nach abschafft. Jeder EU-Bürger kann dieses Volksbegehren kostenlose online mit unterzeichnen unter www.stopvivisection.eu/de Das Ergebnis ist verbindlich: gelingt es, bis Ende Oktober 2013 die erforderlichen Stimmen zu sammeln, so ist die EU-Kommission verpflichtet, dem Bürgerwillen Folge zu leisten. Ich finde es bedauerlich, dass diese wichtige Information über die Möglichkeit zur direkten Bürgerbeteiligung auf EU-Ebene in diesem Artikel nicht einmal erwähnt wird. Pressekontakte können sich bei Fragen jederzeit an deutschland@stopvivisection.eu wenden.
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