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30.01.2012 | 10:15 | Tierhaltung 

KTBL-Fachgespräch: Standorte für Tierhaltungsanlagen

Darmstadt - Die Diskussion um den Bau von Tierhaltungsanlagen wird zunehmend heftiger geführt.

Schweine
(c) proplanta
Einerseits ungebrochen ist insbesondere der Bauboom in der Schweine- und Hähnchenmast, während andererseits immer mehr Gesellschaftsgruppen nicht mehr nur die Zahl und Größe der Ställe, sondern auch die Art und Weise der Tierhaltung kritisieren.

Aktuell resultieren daraus die Bestrebungen, §35 des Baugesetzbuches (BauGB), der u. a. die Privilegierung von Stallbauvorhaben im Außenbereich regelt, zu ändern, um einen weiteren, ungebremsten Ausbau der Tierhaltung einzuschränken und den Gemeinden ein größeres Mitspracherecht bei der Ansiedlung weiterer Ställe zu geben.

Aus diesem Anlass hatte das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) im Rahmen der Grünen Woche am 21. Januar 2012 zu einem Fachgespräch über “Standorte für Tierhaltungsanlagen“ eingeladen.

Eingeleitet wurde dieses Fachgespräch durch die Statements von vier Fachleuten:

· Aus fachanwaltlicher Sicht ist die derzeitige Rechtslage für Stallbauten nach §35 BauGB eindeutig: Nicht nur landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen sind demnach im Außenbereich privilegiert, sondern aufgrund ihrer Wirkung auf die Umwelt grundsätzlich auch solche, die ohne eigene Futtergrundlage, mithin gewerblich betrieben werden. Dies ergibt sich aus einem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschluss, aus dem Jahr 1983. Gleichwohl ist die Errichtung großdimensionierter Stallbauprojekte in der Praxis schwierig, da sie auf erheblichen Widerstand sowohl vor Ort als auch überregional stoßen. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten im Verfahrensablauf und häufig werden die Konflikte vor Gericht ausgetragen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass auch im Sinne von Rechtssicherheit für alle Beteiligten ein gesellschaftspolitischer Konsens erzielt werden muss, der klar definiert, wie die Tierhaltung in Deutschland betrieben werden soll. Eine Änderung des Planungsrechts wäre nur ein „Herumdoktern“ an einem Einzelsymptom und keine Lösung der vielschichtigen Probleme wie der Art der Tierhaltung sowie der Verbesserung der Akzeptanz vor Ort.

· NEULAND e. V. als Fachverband zur Förderung einer tiergerechten und umweltschonenden Nutztierhaltung erweiterte den Fokus der Diskussion auf den Aspekt Tierschutz in der Nutztierhaltung. Der Infektionsdruck auf die Tiere und daraus resultierend auch der Medikamenteneinsatz steigen mit der Größe der Ställe an. Dennoch liege die Lösung des Problems nicht allein in einer Größenbegrenzung für Ställe; auch die Haltungsverfahren und –systeme müssten weiterentwickelt werden. Dazu wurde das Angebot gemacht, in einen konstruktiven Dialog für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung einzutreten. Ein weiterer Eckpfeiler für den Fachverband ist eine stärkere Marktdifferenzierung durch die Kennzeichnung von Fleisch aus artgerechter Haltung.

· Die landwirtschaftlichen Fachorganisationen waren durch die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen repräsentiert. Deren Vertreter machte deutlich, dass in der Diskussion um Tierhaltungsanlagen die Themen Tierschutz, Umweltschutz und kommunale Steuerung nur dann gelöst werden können, wenn sie getrennt voneinander und vor dem Hintergrund der jeweiligen Rechtsvorschriften geführt werden. So müssten Verbesserungen im Tierschutz auf Grundlage der Nutztierhaltungsverordnung diskutiert werden, da nur diese in der Lage ist, allgemeingültige Verbesserungen bei der Tierhaltung zu bewirken. Gleiches gelte für den Umweltschutz und die hier gültigen Rechtsvorschriften. Nur soweit es um bau- und planungsrechtliche Belange gehe, sei das BauGB geeignet Fehlentwicklungen zu vermeiden. Da nach Ansicht des Experten diese Gefahr nur in den viehintensiven Regionen besteht, wäre seiner Meinung nach die Bindung der Privilegierung an die regionale Viehbesatzdichte das richtige Instrument.

· Aus Sicht des Deutschen Landkreistages ist insbesondere in den viehintensiven Regionen Nordwestdeutschlands eine Verbesserung der kommunalen Steuerung bei der Ansiedlung weiterer Tierhaltungsanlagen zwingend erforderlich. Eine Steuerung über vorhandene Instrumente der Bauleitplanung ist nach Aussage des Vertreters des Deutschen Landkreistages zwar möglich, jedoch zu aufwändig. Daher müsse zumindest eine Begrenzung der Außenbereichsprivilegierung für baurechtlich gewerbliche Projekte über eine Novellierung des § 35 BauGB erfolgen. Nur so wären betroffene Gemeinden noch in der Lage, alle Interessen bei der Nutzung des Außenbereichs im Rahmen einer umfassenden Planabwägung zu berücksichtigen. Insbesondere der Ausweisung von Wohn- und Gewerbeflächen, aber auch der Naherholungsfunktion stehe ein weiterer, ohne planungsrechtliche Steuerung erfolgender Ausbau der Tierhaltung im Außenbereich massiv entgegen.

In der nachfolgenden Diskussion stellte sich deutlich heraus, dass es bei der weiteren Entwicklung der Nutztierhaltung um wesentlich mehr als nur die Standortfrage für neue Ställe geht. Zur Schaffung der notwendigen Akzeptanz ist eine übergreifende Beteiligung unterschiedlicher Interessensgruppen wie Tierhalter, Nachbarn, Bürgerinitiativen und Gemeinden erforderlich. Mit einer größeren Transparenz der Planungen und Vorhaben sowie einer Regionalisierung von Entscheidungen bei der Standortsteuerung können Verfahren nicht nur beschleunigt, sondern auch raumverträglich gestaltet werden. Das Expertengespräch war hierfür ein Plädoyer.

Grundlage für eine Beurteilung der verschiedenen Tierhaltungsverfahren unter den Gesichtspunkten der Umweltwirkungen und Tiergerechtheit war auch in der Vergangenheit schon der vom KTBL im Jahr 2006 herausgegebene Nationale Bewertungsrahmen für die Tierhaltung. Sowohl die Vertreter der konventionellen wie auch der alternativen Tierhaltung waren sich einig, dass eine Fortschreibung dieses Bewertungsrahmens zwingend erforderlich ist, um sowohl dem neueren Kenntnisstand als auch der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion um die Tierhaltung Rechnung zu tragen. Dies mit den geeigneten Fachleuten vorzunehmen, ist eine der Kernaufgaben des KTBL.

Die zur Grünen Woche begonnene Diskussion sollte in die politischen Aktivitäten zu den geplanten Änderungen im Baugesetz einbezogen werden. Politische „Schnellschüsse“ sollten zu Gunsten sachlicher und den komplexen Problemen angemessener Lösungen vermieden werden. (ktbl)
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