«Die Tatsache, dass man sich dem Thema überhaupt gewidmet hat, ist schon mal positiv», sagte der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Thüringen, Horst Otto Gerd Fischer, der Deutschen Presse-Agentur. Trotzdem bleibe noch viel zu tun, um die
Haltungsbedingungen für Nutztiere in der Thüringer Landwirtschaft wirklich zu verbessern. Er forderte unter anderem deutlich mehr und schärfere Kontrollen von Agrarbetrieben.
Ähnlich äußerte sich auch der Landesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL), Reiko Wöllert. Die Tierwohlstrategie sei ein Schritt in die Richtung, mehr aber nicht. Seiner Meinung nach solle damit der konventionellen Landwirtschaft im Freistaat ein grüner Anstrich gegeben werden. «Das hat mit einer Tierwohlstrategie aus bäuerlicher Sicht nichts zu tun», sagte Wöllert. Die
ABL vertritt nach eigenen Angaben konventionelle Landwirte und Ökobauern - vor allem kleinere und mittelgroße Betriebe.
Thüringens Sozialministerin Heike Werner und
Agrarministerin Birgit Keller (beide Linke) hatten die Tierwohlstrategie im Juni in Erfurt vorgestellt. Sie enthält 118 Empfehlungen, die dazu führen sollen, dass etwa Rinder, Schweine und Geflügel im Freistaat durch Landwirte artgerechter gehalten werden. Allerdings sind die Empfehlungen für die Nutztierhalter nicht verbindlich.
Ein Beispiel aus dem Papier: Kühen, die Nachwuchs zur Welt bringen, sollte demnach «um den Geburtszeitpunkt herum» zusätzlich Wasser angeboten werden. Direkt nach der Geburt sollten die Tiere uneingeschränkten Zugang zu Wasser mit Körpertemperatur haben.
Beide Ministerinnen hatten bei der Vorstellung der Strategie betont, die Verabschiedung des Papiers sei nur der Auftakt zu weiteren Maßnahmen des Landes für mehr Tierwohl. Aus den vielen «Sollte»-Formulierungen in der Strategie könnten in Zukunft durchaus Verpflichtungen werden.
Sowohl Fischer als auch Wöllert nannten als größtes Problem für Nutztiere in Thüringen, dass diese zu wenig Auslauf hätten. «Milchvieh gehört im Sommer auf die Weide», sagte etwa Wöllert. In großen Agrarbetrieben ließen sich Tiere immer nur bis zu einem gewissen Grad artgerecht halten, sagten beide. Auf dieses Problem gehe die Tierwohlstrategie nicht oder nicht ausreichend ein.
Fischer forderte neben mehr und schärferen Kontrollen auch härtere Sanktionen gegen Bauern, die ihre Tiere nicht artgerecht halten. Bei gravierenden Verstößen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften müssten die Behörden
Betriebe tatsächlich auch schließen, forderte er. Andernfalls verliere der Staat seine Glaubwürdigkeit und untergrabe so das Vertrauen der Verbraucher in den Rechtsstaat. Zugleich betonte er, dass es auch Unternehmen in der Thüringer Landwirtschaft gebe, die vorbildlich mit Rindern, Schweinen und Geflügel umgingen: «Da gehören die Tiere mit zur Familie.»
Der Thüringer
Bauernverband hatte die Tierwohlstrategie des Landes begrüßt. Die darin enthalten Ziele und Empfehlungen dazu seien sehr ehrgeizig formuliert, zugleich aber auch realistisch genug, um sie auch umsetzen zu können, hieß es.