Mit den am Mittwoch (28.2.) veröffentlichten Schlussfolgerungen aktualisierte die Behörde ihre Ergebnisse aus dem Jahr 2013, nach deren Veröffentlichung die Europäische Kommission die Verwendung der besagten Substanzen eingeschränkt hatte. Die
EU-Kommission teilte mit, sie sehe ihr Vorhaben, den Einsatz von Neonikotinoiden außerhalb von Gewächshäusern komplett zu verbieten, durch den neuen EFSA-Bericht bestätigt. Für die zweite Märzhälfte sei dazu eine
Diskussion mit den Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und
Futtermittel (SCoPAFF) geplant, erklärte eine Sprecherin der Kommission gegenüber AGRA-EUROPE.
Bereits im März 2017 waren noch vertrauliche Pläne der EU-Kommission bekanntgeworden, wonach die Anwendung der drei Neonikotinoide Clothianidin,
Imidacloprid und Thiamethoxam mit Ausnahme von Gewächshäusern offenbar komplett untersagt werden soll.
Der Leiter des EFSA-Referates für Pestizide, José Tarazona, erklärte, dass aufgrund der beträchtlichen Datenmenge, die zur Verfügung gestanden habe, „sehr detaillierte“ Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können. „Einige Risiken wurden als gering angesehen; insgesamt aber wurde das Risiko für die drei von uns untersuchten Bienenarten bestätigt“, stellte Tarazona fest.
Keine Argumente mehr gegen ein Verbot“Derweil betonte die EU-Agrarpolitikerin der
SPD, Maria Noichl, dass sie nach der Veröffentlichung des EFSA-Berichts keine Argumente mehr gegen ein Verbot der Neonikotinoide sehe. Die EU-Agentur habe die bisher bekannten Studien ein weiteres Mal bestätigt. „Neonikotinoide sind höchst schädlich für Bestäuber und tragen zum
Bienensterben bei“, so die SPD-Politikerin.
Der Agrarsprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament,
Martin Häusling , forderte von den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, ein sofortiges Anwendungsverbot zu erlassen. Die grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch appellierte an die designierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, ein ausgeweitetes Verbot für die Neonikotinoide während der ersten 100 Tage der neuen Regierung umzusetzen.
Nach Alternativen suchenUnterdessen sprachen sich der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, und der zuständige Berichterstatter Hermann Färber für eine schnellst mögliche Suche nach praktikablen Alternativen zu den Pflanzenschutzmittelwirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxamaus. Die beiden CDU-Agrarpolitiker stellten klar, dass sie die Neubewertung des Risikos der Neonikotinoide auf Bienen durch die EFSAanerkennen. Sie gaben aber zu bedenken, dass den Landwirten bei einem möglichen EU-weiten Verbot der geprüften Neonikotinoide eine wichtige Wirkstoffgruppe beim Resistenzmanagement fehlen würde. Daher müsse die Forschung im Bereich des integrierten Pflanzenschutzes und der Resistenzbildung nun zügig verstärkt werden, forderten Stegemann und Färber.
Des Weiteren sei ein beschleunigtes und transparenteres
Zulassungsverfahren für
Pflanzenschutzmittel notwendig, um den Landwirten wirksame Alternativen bieten zu können. Hier werde man bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen darauf drängen, dass die an der Pflanzenschutzmittelzulassung beteiligten Behörden mehr Personal erhalten, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Die beiden Unionsagrarpolitiker betonten außerdem, dass der Bienen- und Insektenschutz für ihre Fraktion besondere Priorität habe. In dieser Legislaturperiode werde man daher gemeinsam mit den Landwirten im Rahmen einer Ackerbaustrategie für einen besseren Insektenschutz sorgen.
Klage zurückziehenDie agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Bundestag, Dr.
Kirsten Tackmann , sieht jetzt die Bundesregierung in der Pflicht, in Brüssel für ein Verbot zu stimmen. Ein „zweiter Wortbruch“ wie bei der erneuten Zulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs
Glyphosat wäre sowohl für die Bestäuber als auch für die Imker fatal, so Tackmann. Des Weiteren forderte die Linkspolitikerin die Hersteller der Neonikotinoide - die Unternehmen
Bayer und
Syngenta - auf, ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (
EuGH) in Luxemburg gegen die seit 2013 bestehenden Teilbeschränkungen zurückzuziehen. Es dürfe keinen „Pflanzenschutz auf Kosten der Bestäuber“ geben. Eine sozialere und ökologischere Ausrichtung der
Agrarpolitik nutze nicht nur der Gesellschaft insgesamt, sondern auch der
Landwirtschaft, erklärte Tackmann.
Auch die SPD-Agrarpolitikerin im Bayerischen Landtag, Ruth Müller, sprach sich für ein komplettes und EU-weites Verbot der betreffenden Pflanzenschutzmittelwirkstoffe aus. Jetzt müsse Schluss sein mit dem Warten. Die Folgen des Einsatzes dieser Wirkstoffe seien für Bienen, Hummeln und andere Nutzinsekten sowie für Vögel „verheerend“.
Im Widerspruch zu EPA und PMRADerweil zeigte sich die Bayer AG mit den Ergebnissen der
Risikobewertung der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) für die Wirkstoffe Imidacloprid und
Clothianidin „grundsätzlich nicht einverstanden“. Die von der
EFSA vorgelegten Schlussfolgerungen stünden im Widerspruch zu anderen umfassenden wissenschaftlichen Beurteilungen zur
Bienengesundheit, wie beispielsweise durch die US-Umweltschutzbehörde (EPA) sowie die kanadische Aufsichtsbehörde für Pflanzenschutzmittel (PMRA), erklärte der Konzern zu dem EFSA-Bericht.
Die Risikobeurteilungen der EPA und PMRA hätten schlüssig gezeigt, dass Neonikotinoide von Landwirten zum Schutz ihrer Anbaukulturen eingesetzt werden könnten, ohne dass Honigbienenvölker geschädigt würden. Bayer bemängelt vor allem, dass die EFSA für ihre Risikobeurteilung einen nicht praktikablen Leitlinienentwurf - die „Draft Bee Guidance Documents“ - zu Grunde gelegt habe. Dieser mache es „unmöglich“, Freilandstudien durchzuführen, ohne dabei Risiken zu finden. Des Weiteren verwies das Unternehmen darauf, dass die Zahl der Honigbienenvölker in der Europäischen Union ansteige.