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08.12.2021 | 01:21 | Rinderhaltung 

Prozess zu Tierschutzskandal im Allgäu gestartet

Kempten - Überfüllte Ställe, abgemagerte Kühe, entzündete Klauen mit vergammelten Verbänden und Rinder, die in Kot liegen: So schildert Gabriele Fuchs anhand von Fotos die Zustände auf dem großen Hof einer Allgäuer Familie im Dezember 2019.

Tierschutzverstöße
Verletzt, abgemagert, im eigenen Kot liegend: In den Kuhställen eines Hofs im Allgäu finden Kontrolleure mehrfach unhaltbare Zustände vor. Drei Leiter des Familienbetriebs stehen deswegen nun vor Gericht. Doch auch auf anderen Höfen sollen Rinder monatelang gelitten haben. (c) proplanta
Die Kühe und Kälber hätten dort «unglaubliche Schmerzen» leiden müssen - und das «nicht erst seit gestern», sagt die Amtstierärztin.

Die ehemaligen Leiter des Milchviehbetriebs, ein Ehepaar und dessen erwachsener Sohn, müssen sich seit Dienstag wegen massiver Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vor dem Landgericht Kempten verantworten.

Ihr Hof war einer von fünf Betrieben, die im Zuge des Allgäuer Tierschutzskandals zwischen Juli 2019 und Januar 2020 wegen teils schwerer Missstände in die Schlagzeilen gerieten. Auslöser waren Videoaufnahmen, die aus einem Hof im Landkreis Unterallgäu stammen sollen. Der Prozess in Kempten ist das erste Gerichtsverfahren rund um den Skandal, der bundesweit Empörung ausgelöst hatte.

Zum Auftakt gaben die drei Angeklagten zu, ihre Rinder in mehr als 100 Fällen monatelang vernachlässigt und dadurch leiden gelassen zu haben. Über ihre Verteidiger ließen sie erklären, sie seien mit dem zuvor deutlich vergrößerten Familienbetrieb nach einem schweren Unfall des Sohnes überfordert gewesen. Laut Anklage hielten Vater, Mutter und Sohn dort nach der Erweiterung fast 600 statt 180 Kühe - taten aber viel zu wenig, um sie zu versorgen und zu pflegen.

Laut Verteidigung hatte die Familie den Hof vergrößert, damit der Sohn den Betrieb wirtschaftlich betreiben kann. Sein Vater habe ihm ersparen wollen, «wie er selbst täglich noch einer anderen Arbeit nachgehen zu müssen». Doch im Mai 2019 sei der Sohn bei einem Autounfall schwer verletzt worden. Der 43-Jährige lag demnach zunächst im Koma, war über Monate hinweg krankgeschrieben und fehlte auf dem Hof. «Es kam zu einer absoluten Überforderungssituation», sagte Verteidiger Holger Hoffmann.

Der 71-Jährige habe nach dem Unfall seines Sohnes zwar darüber nachgedacht, die Rinder zu verkaufen, sagte Hoffmann. Letztlich habe er sich wegen der Hoffnung auf die Rückkehr seines Sohnes dagegen entschieden - und aus Angst davor, was dieser «wohl sagen würde, wenn er dann in einen leeren Stall zurückkommt».

Warum die Familie aus dem Landkreis Oberallgäu nach ersten Kontrollen im Oktober 2019 nicht viel früher die Reißleine zog, konnte der Vater auf Nachfrage des Richters nicht sagen. Schon damals hatten Amtstierärzte eklatante Mängel festgestellt, nach der Kontrolle im Dezember mussten mehrere Tiere eingeschläfert werden. Im Januar 2020 wurde der Hof durchsucht, es folgten weitere Kontrollen - immer wurden abgemagerte, verletzte oder vernachlässigte Rinder gefunden. Erst im März 2020 löste die Familie ihre Tierhaltung auf.

Die drei Landwirte sind aber nicht die einzigen, die sich nach dem Allgäuer Tierschutzskandal vor Gericht verantworten müssen. Das Landgericht Memmingen hat eine Anklage gegen zwei Männer zugelassen, die 54 Rinder zwischen Juli und November 2019 nicht ausreichend versorgt haben sollen. Die Milchviehhaltung hat der Betrieb mit drei Höfen in den Landkreisen Unterallgäu, Oberallgäu und in Kempten eingestellt. Der Prozess am Landgericht Memmingen steht noch aus.

In Kempten könnte dagegen bald schon ein Urteil fallen. Nach Angaben eines Gerichtssprechers ist nur ein weiterer Prozesstermin geplant - am 14. Dezember. Bei einer Verurteilung drohen den drei Angeklagten dann Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft.
dpa
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