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06.08.2013 | 10:05 | Bedrohte Art 

Schafe und Schäfer sind vom Aussterben bedroht

Leipzig / Berlin - Wenn Kerstin Doppelstein über ihre Schafe spricht, gerät sie schnell ins Schwärmen.

Schäfer
(c) proplanta
«Ich bewundere sie für ihre Friedfertigkeit und Langmütigkeit, auch für ihre Neugier», sagt die 34-Jährige. Schafe seien sehr intelligent und würden sich aufopferungsvoll um ihre Lämmer kümmern.

Doppelstein beschreibt das Schaf als soziales Wesen. «Wenn man Menschen in dieser Menge auf engem Raum zusammensperren würde, gebe es schnell Mord und Totschlag.»

Doppelstein ist Schäferin mit Leib und Seele. Ihre Herde steht am Cospudener See bei Leipzig. In der früheren Tagebau-Region herrschen karge Bedingungen. Ein pralles Fleischlamm kann hier kaum heranwachsen.

Doppelsteins Lämmer sind etwas kleiner, brauchen wegen des Futterangebotes etwas länger. Fleisch und Wolle bringen ohnehin keinen Geldsegen. Die Konkurrenz aus Neuseeland ist preislich nicht zu schlagen. Im Schnitt wird das Fleisch vom anderen Ende der Welt 30 Prozent billiger im Handel angeboten.

«Wir empfehlen unseren Mitgliedern einen Mix aus Landschaftspflege und Fleischproduktion», sagt Stefan Völl, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände mit Sitz in Berlin.

Von einer Sache allein könne heute kaum ein Schäfer überleben. Für Völl ist Lammfleisch der «Ferrari» unter den Fleischsorten. «Leider haben wir es bisher noch nicht geschafft, das den Verbrauchern auch zu vermitteln.» Im Schnitt liegt der Pro-Kopf-Verbrauch hier nur bei 900 Gramm im Jahr, vor 150 Jahren waren es noch fast drei Kilo.

Detlef Rohrmann, Schäfer an der Elbe in der Nähe von Dresden, sieht für Lammfleisch vor allem in Ostdeutschland ein Imageproblem. Das hänge wohl mit schlechten Erfahrungen aus DDR-Zeiten zusammen. Damals ging gutes Lammfleisch in den Export, im heimischen Handel landeten meist die Altschafe. «Das ist nicht jedermanns Geschmack. Das riecht im Topf», sagt der Schäfermeister, der mit Frau und Sohn einen Familienbetrieb unterhält. Auch das niedliche Äußere der Lämmer mag dazu beitragen, dass sich der Appetit in Grenzen hält.

Das schwierige Geschäft führte dazu, dass die Zahl der Schafe und der Schäfer immer weiter sinkt. 2012 im November wurden laut Statistik in Deutschland noch 1,63 Millionen Schafe gezählt. Es war das achte Jahr mit rückläufigem Bestand. Innerhalb von zehn Jahren reduzierte er sich um 10 Prozent. Nach Angaben von Völl gibt es heute nur noch 3.000 bis 4.000 Schäfereien im Haupterwerb. In der Statistik werden nur die Betriebe ab 20 Tiere erfasst. Viele Gartenbesitzer halten sich nur ein Schaf als natürlichen Rasenmäher.

Die deutschen Schäfer stehen mit ihren Problemen nicht allein. Der Wegfall der Mutterschafprämie 2005 ließ die Bestände in der EU insgesamt drastisch schrumpfen. Fehlender Nachwuchs und Überalterung gelten als weitere Probleme der Branche. In Thüringen beispielsweise gibt es derzeit keinen einzigen Schäferlehrling. Eigentlich bräuchten die Schäfer pro Jahr etwa 15 Absolventen, um die altersbedingt ausscheidenden Berufskollegen ersetzen zu können, rechnet der Chef des Thüringer Schafzüchterverbandes, Jens-Uwe Otto, vor.

Die Schafe von Kerstin Doppelstein sind in erster Linie Landschaftspfleger - dafür zahlen die Städte Leipzig und Markkleeberg sowie die Flussmeisterei Geld. Regina Walther vom Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband spricht vom «goldenen Tritt». Schafe halten nicht nur das Gras auf Maß, sondern verdichten auch den Boden, was zum Beispiel für die Stabilisierung von Deichen wichtig ist. Dank Förderung durch Land und EU ist die Landschaftspflege mit Schafen heute ein Standbein für das Einkommen der Schäfer.

Auch der Preisverfall bei Wolle hat die Lage verschlechtert. «Die alleinige Ausrichtung auf die Fleischproduktion konnte und kann diese Dimension nicht ausgleichen», sagt Walther. Momentan erzielten die Schäfer für ein Kilogramm Lebendgewicht 2,50 bis 2,60 Euro. Ein gutes Mastlamm kommt auf 50 Kilo. Dennoch kann das die Kosten kaum decken.

«Ich fresse kein Gras wie meine Tiere, auch für mich muss noch etwas übrigbleiben», sagt Doppelstein. Schließlich müssten die Tiere entwurmt und geimpft werden, selbst die Schur koste Geld.

«Zu viel Arbeit, zu wenig Geld», bringt Walther die Lage der Schäfer auf den Punkt. Stefan Völl sieht auch die Politik auf Bundes- und Landesebene in der Pflicht. Man dürfe nicht immer nur auf Brüssel verweisen. «Wir wünschen uns die Mutterschafprämie zurück, aber auch Landesprogramme.» Die gesellschaftliche Leistung, die ein Schäfer bei der Landschaftspflege erbringe, müsse von der Gesellschaft gewürdigt werden.» Dabei ist auch Völl eines klar: Ohne Idealismus wird die Schäferei im 21. Jahrhundert nicht überleben. (dpa)
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