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21.11.2012 | 06:45 | Schmallenberg-Erreger 

Schmallenberg-Virus nach einem Jahr in Europa etabliert

Riems/Bonn - Der für Rinder und Schafe gefährliche Schmallenberg-Erreger hat binnen eines Jahres 16 Länder in Europa erreicht. Die volkswirtschaftlichen Schäden blieben hingegen gering. Forscher verteidigen die Meldepflicht.

Lamm
(c) proplanta
Neugeborene Lämmer mit verstümmelten Gliedmaßen, Kälber mit deformierten Schädeln - vor allem im Westen Deutschlands war die vergangene Kalb- und Lammsaison für betroffene Schaf- und Rinderzüchter ein Graus. Die mit einem zuvor unbekannten Virus infizierten Tiere waren nicht lebensfähig. Noch vor der Geburt hatte der Erreger die Föten im trächtigen Muttertier infiziert. Betroffene Schafbetriebe berichteten von Verlustraten bis zu 50 Prozent.

Am 21. November vergangenen Jahres berichtete das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Ostseeinsel Riems erstmals von dem Virus, das die extremen Missbildungen auslöst. Sie gaben ihm - entsprechend dem Fundort - den Namen Schmallenberg-Virus. «Wir gehen davon aus, dass das Virus sich mittlerweile in Europa etabliert hat», sagte FLI-Präsident Thomas Mettenleiter.

Als Überträger machten Forscher aus Dänemark, Belgien und Deutschland Mücken-Arten der Gattung Culicoides aus, die auch die Blauzungenkrankheit übertragen. Die Hoffnung der Halter und Züchter, dass der Erreger mit dem Zusammenbruch der Mückengeneration im Winter so plötzlich verschwindet wie er aufgetaucht war, hat sich nicht erfüllt.

In Deutschland sind inzwischen 1.930 Betriebe betroffen. Allein im Oktober wurden 61 neue Höfe gemeldet. Der im Hinblick auf seine Ausbreitung sehr effiziente Erreger hat inzwischen Bestände in 16 europäischen Staaten erreicht - zuletzt auch in Irland.

So brutal die Auswirkungen für die einzelnen Tierhalter waren, hielten sich die Schäden aus volkswirtschaftlicher Sicht bislang in Grenzen. Schmallenberg hat weder - wie befürchtet - den Großteil der neugeborenen Schaf- und Rindergeneration hinweggerafft, noch erwachsene Tiere ernsthaft erkranken lassen. Ausgewachsene Rinder und Schafe reagierten in der Mehrzahl mit leichten grippeähnlichen Symptomen.

Aus weniger als einem Prozent der deutschen Rinderbestände und unter fünf Prozent der Schafbestände seien Schäden gemeldet worden, sagte Mettenleiter. «Es ist nicht die große Katastrophe, es ist aber auch nicht die Zeit Entwarnung zu geben.»

Derzeit beunruhigt das Schmallenberg-Virus vor allem Regionen wie das südliche Bayern, die in den vergangenen zwölf Monaten weitgehend verschont geblieben waren. Viele der Tiere aus einst betroffenen Beständen - die FLI-Experten sprechen von bis zu 90 Prozent - haben mit der Infektion Antikörper gebildet. «Sie sollten damit geschützt sein.»

Trotz der relativ geringen Schäden in den Beständen hat das Schmallenberg-Virus die deutschen Rinder- und Schafzüchter hart getroffen - verantwortlich dafür sind die von Drittstaaten verhängten Importverbote. «Die Schäden für den Zuchtrindexport sind enorm», beklagte der Geschäftsführer der in Bonn ansässigen Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter, Josef Goos. Märkte in nordafrikanischen Staaten, in Russland, in der Ukraine und auch innerhalb der Zollunion seien weggebrochen.

Dazu kämen Handelsrestriktionen für Rindersamen, vor allem in den USA und südamerikanischen Staaten. Der Verband fordert, dass die EU ihre starre Haltung aufgibt und mit Drittländern über die Aufhebung der Importverbote verhandelt. «Wir halten die Importverbote für nicht gerechtfertigt, da die Auswirkungen der Krankheit in der Gesamtbetrachtung außerordentlich gering sind und Menschen keinerlei Gefahr droht», sagte Goos. «Jetzt ist die Politik am Zug, ansonsten drohen langjährige Handelsbeziehungen verloren zu gehen.»

Die Niederlanden haben beispielsweise die Meldepflicht für Schmallenberg-Krankheit mittlerweile aufgehoben. Wann in Deutschland die Meldepflicht aufgehoben wird, ist bislang ungewiss. Die Tierseuchenforscher auf der Insel Riems halten sie noch für erforderlich, um das Gefährdungspotenzial besser einschätzen zu können. Vor allem wollen sie die nächste Lammsaison im kommenden Frühjahr beobachten.

Die Entwicklung von Impfstoffen sollte weitergehen, fordert Mettenleiter. «In einzelnen Beständen hat Schmallenberg wie wir wissen zu gravierenden Auswirkungen geführt.» Mittlerweile gebe es in den Pharmafirmen erste Prototypenimpfstoffe auf der Basis von inaktivierten Erregern. Die Riemser Forscher schätzen, dass noch 2013 der erste Impfstoff auf den Markt kommen könnte.
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