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26.11.2020 | 12:15 | Missstände auf Schlachthöfen 

Tierrechtsaktivisten fordern Kontrollbehörde auf Landesebene

Biberach - Nach mehreren Schlachthof-Skandalen in den vergangenen Jahren und scharfer Kritik an den Missständen in den Betrieben sollen die Kontrollen weiter verschärft und regionale Schlachthöfe gefördert werden.

Kontrollbehörde gegen Tierschutzverstöße
Drei Orte, drei Schlachthöfe, drei Skandale. Nach einem heimlichen Dreh von Tierschützern in einem Betrieb in Biberach steht Landwirtschaftsminister Peter Hauk erneut unter Druck. Sind die Kontrollen zu lasch? (c) proplanta
Agrarminister Peter Hauk (CDU) kündigte am Donnerstag außerdem an, die Kommunikation und den Austausch der Behörden und Schlachthofbetreiber zu koordinieren. Diese Stelle wurde bereits bei der Landestierärztin angegliedert und nimmt in den kommenden Wochen ihre Arbeit auf, wie der CDU-Politiker im Agrarausschuss sagte. Die Opposition warf ihm vor, die Vorschläge seien bereits bekannt. Die SPD erneuerte ihre Rücktrittsforderung.

Hauk steht nach der Veröffentlichung von Videoaufnahmen aus dem Schlachthof Biberach unter Druck. Die Aufnahmen von Tierrechtsaktivisten zeigen unter anderem, wie das Töten von Rindern durch fehlerhafte Bolzenschussgeräte für die Tiere qualvoll in die Länge gezogen wurde. Anfang 2018 war bereits ein Schlachthof in Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis) wegen Tierschutzverstößen geschlossen worden, im September 2019 traf es einen Betrieb in Gärtringen. «Es war mir bislang nicht denkbar, dass man mit Tieren so etwas tut», sagte Hauk im Ausschuss des Landtags.

Nach Angaben des Ministers plant das Land für regionale Schlachthöfen nach Tierwohl-Kriterien zunächst bis zu zehn Millionen Euro ein. Die Förderung werde gerade mit der Europäischen Union abgestimmt. Zudem sollen Veterinärämter um jeweils eine Stelle verstärkt werden, für die hofnahe Schlachtung soll nach einem bereits erfolgreichen Pilotprojekt zudem bis zu eine Million Euro bereitgestellt werden.

Betriebe sollen freiwillig zur Installation von Kameras verpflichtet werden, damit der Schlachtprozess durchgehend dokumentiert werden kann. Auf längere Sicht solle zudem das amtliche Überwachungspersonal in einem Drei-Jahres-Turnus rotieren. Dies ist bei amtlichen Lebensmittelkontrolleuren bereits der Fall.

Die Missstände in Biberach seien aber nach seiner Auffassung nicht systematisch, sagte Hauk. «Es war wohl eher menschliches Versagen.» Verantwortung trage der Betreiber. Schlachtunternehmen sollen daher besser beraten und Handreichungen zu besonderen Themenbereichen wie Betäubung und Nottötung verbessert werden. Teil des Maßnahmenkatalogs sind auch eine Art TÜV für Betäubungsanlagen oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Der Opposition ist das bei weitem nicht genug: «Herr Hauk hat heute kein Wort zu seiner persönlichen Verantwortung verloren», kritisierte SPD-Agrarexperte Jonas Weber. Die Vorschläge des Ministers seien weitgehend bekannt. Er habe jegliches Vertrauen verspielt. Die SPD hatte Hauk bereits am Mittwoch nach Bekanntwerden der Missstände in Biberach den Rücktritt nahegelegt.

Auch der FDP-Tierschutzexperte Klaus Hoher warf Hauk «altbekannte Lippenbekenntnisse, von denen bisher nichts umgesetzt wurde», vor. Vor allem bei der Aufstockung des Kontrollpersonals sei seit Jahren nichts passiert. Es fehlten nach wie vor fast 200 Amtsveterinäre und über 150 Lebensmittelkontrolleure. «Die heute angekündigten 40 Stellen für die Veterinärverwaltung sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein», sagte Hoher.

Aktivisten von Soko Tierschutz, die die Biberacher Aufnahmen gemacht hatten, forderten eine Kontrollbehörde auf Landesebene. Als Vorbild für eine solche Behörde solle die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) dienen, sagte ein Soko-Sprecher. Die Landratsämter sind aus Sicht der Tierschützer bei ihrer Aufsicht nicht unabhängig genug. Durch die bayerische Behörde sei dort «massiver Druck auf die Branche» entstanden. Der bayerische Weg bei der Kontrolle von Großbetrieben sei deshalb Vorbild für andere Bundesländer.

Nach Ansicht der Landestierschutzbeauftragten Julia Stubenbord ist der Biberacher Vorfall keine Überraschung: «Es war für mich nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Schlachthof in die Kritik gerät», sagte sie der «Schwäbischen Zeitung». Es gebe ein Problem mit der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen. «Wenn es weiter gewollt ist, dass es diese regionalen Schlachthöfe gibt, muss durchgesetzt werden, dass die Regeln dort auch eingehalten werden. Die Veterinärämter brauchen Unterstützung vom Land.»

Die Zukunft der Schlachtung kann nach Ansicht der tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Thekla Walker, am besten an einem Runden Tisch beraten werden. Das Konzept müsse vor allem einen Blick auf maximales Tierwohl haben und die Sicherung einer krisenfesten Infrastruktur gewährleisten, sagte sie im Ausschuss.
dpa/lsw
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