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03.03.2013 | 12:36 | Tierschutz-Diskussion 
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Webcam im Schweinestall: Transparenz oder Augenwischerei?

Rendsburg - Bio-Eier, die keine sind, Rinderhack, das Pferdefleisch enthält und ein neuer Futtermittelskandal: Negativschlagzeilen erschüttern das Vertrauen der Verbraucher in die Erzeuger von Tierprodukten. Mehr Transparenz könnte helfen - aber wie?

Webcam im Schweinestall
(c) proplanta
Ein nüchtern eingerichteter Stall - sauber, aber ungemütlich. In zwei Boxen liegen Mutterschweine mit ihren Ferkeln auf Gitterrosten. Die Sauen sind mit einem Bügel fixiert. Das soll verhindern, dass sie ihre Ferkel erdrücken.

Diese Bilder aus dem Schweinestall von Werner Schwarz, dem Verbandspräsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, erhitzen die Gemüter. Auf der Facebook-Seite des Verbandes diskutieren Nutzer eifrig: Ist das Tierquälerei oder nicht? Werden die Schweine artgerecht gehalten oder müssen sie leiden.

Die Aufnahmen stammen von der bundesweit ersten Webcam, die Livebilder aus einem Schweinezuchtbetrieb überträgt. Der Bauernverband und Schwarz wollten damit Transparenz schaffen - zeigen, wie es tatsächlich in einem Stall aussieht.

Die konventionelle Tierhaltung, wie Schwarz sie betreibt, ist in Deutschland die Regel. Sie ist wirtschaftlich optimiert und hat mit dem Bild vom glücklich im Stroh wühlenden Schwein nichts gemein. Die Kritik, seine Tiere würden nicht artgerecht gehalten, weist Schwarz zurück: «Ich kann mit dem, was ich mit meiner Tierhaltung mache, ruhig schlafen, weil es genehmigt und von Baubehörden und Veterinären geprüft ist.»

«Ich will nicht sagen, dass es in allen Ställen in Ordnung ist», räumt Schwarz ein. «Aber bis jetzt gibt es doch nur das Bild des armen kranken Tieres, das leiden muss, oder das Tier auf der grünen Weide, das nur noch glücklich ist. Aber das ist beides nicht die Realität.»

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein begrüßt die Bemühungen des Bauernverbandes. Sie fände es gut, wenn sich noch mehr Landwirte um Transparenz bemühten und beispielsweise ebenfalls Webcams in ihren Ställen anbrächten, sagt Gudrun Köster. Sie ist bei der Verbraucherzentrale für Lebensmittel und Ernährung zuständig.

Transparenz könne das Bewusstsein der Verbraucher dafür stärken, wie Tierhaltung tatsächlich aussehe. Nicht zuletzt wegen der Werbung hätten viele Leute ein idealisiertes Bild von der Landwirtschaft im Kopf. «Das ist kein Vorwurf an die Verbraucher, aber so sieht die Wirklichkeit nicht aus», meint Köster.

Auch die Bilder von gequälten, blutig gebissenen oder sich hackenden Tieren zeigten nicht den Normalfall. «Die Debatte ist geprägt von extremen Gegensätzen, die Realität sieht anders aus», sagt Köster. Zu zeigen, wie es in den Ställen zugehe, sei ein wichtiger Schritt. Es sei gut, wenn sich die Bauern selbst um die Transparenz kümmerten. Wer etwas verändern wolle und sich um Tierschutz bemühe, müsse eben wissen, wie die Wirklichkeit aussehe.

Und die ist nicht immer schön - auch wenn man an die vielen Mastställe denkt. Aus Sicht von Schwarz sind die aber zur Befriedigung der Nachfrage notwendig. «Wir haben heute einen Bedarf an Nahrungsmittel der gigantisch ist», sagt der Bauernpräsident. Allein Hamburg brauche jeden Tag 40.000 Hähnchen. «Und diese Mega-Hähnchenmastställe haben gerade mal 40.000 Hähnchen in einem Durchgang. Und ein Durchgang benötigt 45 Tage. Wir brauchen 45 Ställe mit je 40.0000, nur um Hamburg jeden Tag zu versorgen. Sollen wir den Hamburgern sagen, ihr bekommt keine Hähnchen mehr?» fragt Schwarz.

Die Wirklichkeit in Schwarz' Stall hat viele Internetnutzer empört. Er habe einen richtigen Shitstorm erlebt, sagt Schwarz. Das ging soweit, dass er mit Kinderschändern verglichen wurde. Er schaltete die Kamera für einige Tage ab. Jetzt gebe es immer noch viel Kritik, aber es werde eben nicht nur geschimpft, sondern auch diskutiert. «Und damit wurde erreicht, was ich, was der Verband erreichen wollte, dass wir in die Diskussion kommen», sagt Schwarz. «Und wenn wir sachliche Argumente dafür finden, dass etwas getan werden muss, sind wir sicherlich bereit das zu tun und können dann auch beziffern, was das kostet.» Eine unsachliche Debatte bringe weder die Verbraucher noch die Tierhalter weiter. (dpa)
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Kommentare 
Wann lernt der Mensch endlich? schrieb am 18.02.2014 23:12 Uhrzustimmen(112) widersprechen(89)
Da hat der Herr Schwarz ein paar schwarze Zeilen hinterlassen. Nicht das Bauordnungsamt urteilt über "artgerechte Haltung". Was ist denn dabei artgerecht? Schade, dass der Gedanke an tatsächliche artgerechte Unterbringung der Tiere eine tatsächliche Illusion ist (so Schwarz ja selbst). Wer bei diesen Haltungsbedingungen ruhig schlafen kann, der ist wirklich ohne jegliches Mitgefühl und ohne Verantwortungsbewusstsein! "Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg auch keinem anderem zu!" Das lernt wohl niemand mehr? Ich wünschte jeder der seine anvertrauten Schutzbefohlenen (in dem Fall seine Tiere) so behandelt, müsste ebenso "artgerecht" Untergebracht werden! Dann reden wir nochmal über wohliges Schlafen ...
Antonietta schrieb am 03.03.2013 19:55 Uhrzustimmen(142) widersprechen(85)
Tiere sind Lebewesen genau wie Menschen. Sie empfinden Schmerz und Gefühle wie z.B. Angst. Trotzdem werden Schweine, Rinder, Hühner usw. von Menschen wie Produkte oder Waren behandelt. Wir sperren sie ein, halten sie teilweise unter den schlimmsten Bedingungen, mästen und töten sie, um sie dann zu essen.
Christa Rust schrieb am 03.03.2013 19:20 Uhrzustimmen(97) widersprechen(115)
wer das ganze Elend nicht unterstützen mag - Gewissenssache - stellt sich auf vegane Ernährung um.
schwajo schrieb am 03.03.2013 19:01 Uhrzustimmen(109) widersprechen(89)
Wenn Herr Schwarz gut schlafen kann, weil er mein6t, dass seine Sauen so gehalten werden, dass die Haltung dem Gesetz entspricht, kann er mir nur leid tun. Die armen Sauen, mit Bügeln fixiert, auf Gitterboden. Die armen Schweine werden alles Andere, als Art gerecht gehalten. Bewegung, Tageslicht, Strohunterlage, Platz mit den Ferkeln zu laufen? All das ist eine Wunschvorstellung und ein Traum. Selbstverständlich leiden die Tiere! Für mich ist das eine Tierquälerei, wobei ich mich frage, wie man bei solch einer Haltung noch ruhig schlafen kann. Na ja, wer sich entschließt, Tiere so zu halten, hat in meinen Augen keinerlei Mitgefühl und redet sich selbst ein gutes Gewissen ein, weil die Haltung ja dem Gesetz entspricht. Meine Forderung- ein Ende dieser Einferchung und ein Art gerechtes Schweineleben, dafür das gibt man gern etwas mehr aus. Schauen wir uns die Eier an, bei denen hat es auch mit Boden- und Freilandhaltung geklappt. Aber Keiner von den Schweinezüchtern, macht den ersten Schritt. Sehr schade und bedauerlich!
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