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11.08.2010 | 21:01 | Brandkatastrophe  

«Superheld» Putin kämpft im «schwarzen August» gegen Kritik

Moskau - Russland erlebt mit der größten Waldbrandkatastrophe seiner Geschichte einen neuen schwarzen August.

Wladimir Putin
(c) The Presidential Press and Information Office
Der Monat gilt bei den Russen traditionell als «verflucht». Fast jedes Jahr wird das Land - wenn viele Beamte im Urlaub sind - von schweren Unglücken oder sogar Kriegen heimgesucht. Im August 2009 war es die Explosion des größten Wasserkraftwerks des Landes, im Jahr davor der Krieg gegen Georgien. Blutige Terroranschläge, ein Putsch und genau vor zehn Jahren der Untergang des Atom-U-Bootes «Kursk» fielen immer in den August. Jedes Mal starben viele Menschen. Doch nie ließ die Führung des Landes ein «Chaos solchen Ausmaßes» wie derzeit bei der Feuersbrunst zu, meinen Beobachter.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kommentierte ungewöhnlich deutlich, dass keine russische Regierung in der mehr als 1000-jährigen Geschichte jemals so viel Unfähigkeit an den Tag gelegt habe. Nachdem die Aktivisten tagelang vor radioaktiver Gefahr in Gebieten gewarnt hatten, wo Wälder mit verstrahlten Böden brennen, räumten die Behörden diese nun erstmals ein. Die Angst wächst.

Wütende Menschen, die bei Bränden alles verloren haben, berichten in den Medien, dass die von den Behörden versprochene Hilfe ausbleibe. Freiwillige Einsatzkräfte schildern, wie planlos die Löscharbeiten organisiert würden. Sogar die weißrussische Regierung kritisierte den seit Wochen erfolglosen Kampf gegen die Feuersbrunst. Wenn die Weißrussen auch so arbeiten würden wie die Nachbarn, wäre schon der gesamte Bestand des Landes niedergebrannt, sagte der Vize-Forstminister Nikolai Kruk in Minsk.

Präsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin haben noch nie so niedrige Zustimmungswerte in Umfragen gehabt wie im Moment. Dabei versucht vor allem Putin, sich täglich für die Staatsmedien mit spektakulären Auftritten als oberster Brandmeister in Szene zu setzen. Nun bestieg er sogar ein Löschflugzeug vom Typ Be-200, um selbst Brände in Rjasan zu löschen. Beobachter interpretieren diese Initiativen als Beleg dafür, dass der 57-Jährige bei der Wahl 2012 erneut als Präsident in den Kreml einziehen will.

Amtsinhaber Medwedew warnte allerdings davor, die Waldbrände für den Wahlkampf zu missbrauchen und sich die Zustimmung der Bürger auf Grundlage von Not und Elend zu erkaufen. «Politische PR ist unangebracht», mahnte er. Doch Putins PR-Strategen glauben seit langem daran, dass der «nationale Führer», wie sie ihn nennen, am «Steuerknüppel» am besten das Image des zupackenden Landesvaters verkörpert. Gibt es ein Zerwürfnis zwischen Putin und Medwedew? Darauf gibt es weiter keine klaren Hinweise. Vielmehr gehen Politologen davon aus, dass das Tandem reibungslos rollt. Die Lager um die beiden mächtigsten Männer allerdings bekriegen sich aus Sicht von Experten schon seit Monaten aufs Schärfste. Die konservativen Kräfte um Putin wollen dabei ihren Mann ebenso in Stellung bringen wie die eher liberal gestimmten um Medwedew. 

Die Kritik unabhängiger Beobachter aber richtet sich seit Tagen besonders gegen Putins Politik und sein Krisenmanagement. Dabei geht es nicht nur um das umstrittene Waldgesetz, das Putin 2007 als Kremlchef unterzeichnet hatte. Dadurch seien alle Förster und ein effektiver Brandschutz abgeschafft worden, bemängeln etwa Umweltschützer. Der Moskauer Politologe Nikolai Petrow nennt auch den ineffektiven und maßgeblich von Putin bestimmten Staatsaufbau als Ursache für die Katastrophe. Die stark autokratisch geführte Machtzentrale in Moskau überlasse den Provinzverwaltungen schon seit langem keinen Raum mehr für eigene Entscheidungen. Dass es nach diesem nationalen Desaster besser werde in Russland, bezweifelt er.

Angesichts der verheerenden Schäden im Land, die auf bis zu 25 Milliarden Euro geschätzt werden und ein tiefes Loch in den Haushalt reißen, befürchtet die von Putin geführte Partei Geeintes Russland ein Debakel bei den Regionalwahlen am 10. Oktober. Die Zeitung «Wedomosti» kritisierte ungewöhnlich scharf, dass Putin durch seine «Superheld»-Aktionen mit hohem Sicherheitaufwand immer wieder die Löscharbeiten behindere. Er solle doch lieber mehr regieren. (dpa)
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