Bezogen auf die Ökofläche des Jahres 2021 von 1,8 Mio. ha entspricht das Kosteneinsparungen von rund 1,5 Mrd. Euro. Bei einem 30 %-Ökoflächenanteil erhöht sich diese Summe auf 4 Mrd. Euro. Die Studie basiert auf Untersuchungsergebnissen im deutschlandweiten Netzwerk von Pilotbetrieben und Ergebnissen von Dauerfeldexperimenten (Sonderbeilage).
Die Federführung lag bei Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der TUM. Ökoverbände werteten die Studie als Rückenwind für den ökologischen Landbau und fordern politische Konsequenzen. Die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender, bekräftigte das Ziel der Bundesregierung, den Anteil der Ökoflächen bis 2030 auf 30 % auszudehnen.
Zur Begründung berief sich Bender in einer Podiumsdiskussion auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) auf die Ergebnisse der Hülsbergen-Studie: „Bei Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung sowie der Ressourceneffizienz schneidet der Ökolandbau besser ab als die konventionelle Landwirtschaft“, berichtete Bender. Die anstehende Strategie der Bundesregierung zur Stärkung des Ökolandbaus werde die ganze Wertschöpfungskette und Innovationen für den gesamten Agrar- und Ernährungsbereich in den Blick nehmen, kündigte sie an.
Reduzierung der StickstoffüberschüsseIn die Berechnungen zu den monetären Vorzügen der Studie ist eine Reihe von positiven Umwelt- und Klimawirkungen des Ökolandbaus eingegangen. Dazu zählen eine Reduzierung des Stickstoffeinsatzes um etwa 100 kg/ha und der Stickstoffüberschüsse auf unter 20 kg/ha, ferner eine Halbierung des Energieeinsatzes durch den Verzicht auf Mineraldüngerstickstoff und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sowie Humus- und Kohlenstoffanreicherung in Ackerböden durch vielfältige Fruchtfolgen mit Kleegras und organische Düngung.
Hinzu kommen laut der Studie eine Halbierung der flächenbezogenen Treibhausgas-(THG)-Emissionen im ökologischen Pflanzenbau, eine THG-Minderung auch in der ökologischen Milchviehhaltung durch eine grundfutterorientierte Fütterung und den Verzicht auf Soja sowie eine nachhaltige Grünlandnutzung. Schließlich werden positive Effekte für die Biodiversität angeführt, etwa durch artenreiche Fruchtfolgen und den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel.
Ertragssteigerungen unabdingbarDie Studie thematisiert auch die niedrigeren Erträge im ökologischen gegenüber dem konventionellen Pflanzenbau, wobei die Ertragsdifferenzen je nach Standort, Fruchtart und Management den Autoren zufolge variieren. Dauerfeldexperimente und Ertragsanalysen in Pilotbetrieben zeigten jedoch, dass bei optimaler Nährstoffversorgung in ökologischen Fruchtfolgen hohe und stabile Energieerträge erzielt werden, die das mittlere Ertragsniveau konventioneller Fruchtfolgen erreichen könnten. Dennoch seien weitere Ertragssteigerungen im Ökolandbau unabdingbar. Als Voraussetzung werden stärkere Investitionen in Forschung und Entwicklung genannt.
Marktversagen„Die Zahlen zeigen das massive Marktversagen bei der Nutzung von Umweltgütern“, sagte der geschäftsführende Vorstand des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Peter Röhrig, zu den Ergebnissen der Hülsbergen-Studie. Aktuell könnten die Produzenten, die die Umwelt schädigen, das billigste Produkt auf den Markt bringen, weil die Folgekosten vergesellschaftet würden. Schlechter gestellt am Markt würden hingegen die Erzeuger, „die vernünftig wirtschaften und Gemeinwohlgüter schützen.“
Rörig verwies auf den Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Darin werden Schätzungen angeführt, denen zufolge die Umweltschäden der Landwirtschaft in Deutschland bei 90 Mrd. Euro im Jahr liegen. „Diese Summe müssen wir alle bezahlen, Jahr für Jahr“, so der BÖLW-Vorstand. Es sei daher notwendig, dass die Bundesregierung für einen fairen Wettbewerb sorge und diejenigen entlaste, die Gemeinwohlgüter wie das Klima entlasteten. Einen Beitrag dazu könne die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bioprodukte liefern.
„Preiswahrheit“ am Markt„Ökolandbau ist der Schlüssel, um die Nachhaltigkeitsziele in der Landwirtschaft zu erreichen“, kommentierte die politische Sprecherin bei Demeter, Antje Kölling, die Studie. Daher gelte es jetzt, das 30 %-Ziel noch klarer in den Blick zu nehmen und entschlossen zu handeln. Dazu zähle ein 50 %-Anteil Bio in öffentlichen Kantinen und Mensen, „Preiswahrheit“ am Markt. Etwa durch eine „Pestizidsteuer“ sowie ein Anteil der Ökoforschung am staatlichen Agrarforschungsbudget von 30 %.
Kölling betonte die auch in der Studie hervorgehobene Funktion von Grünland als guter Kohlenstoffspeicher; extensive Wiesen und Weiden seien zudem ein Hort für die biologische Vielfalt. Daher schneide die grünlandbasierte Tierhaltung hinsichtlich der Klimawirkungen deutlich besser ab als die intensive Rindermast mit Soja aus Übersee. Zudem stünden grünlandbasierte Haltungsverfahren praktisch nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen; vielmehr könnten sie Standorte für die menschliche Ernährung nutzbar machen, die es sonst nicht wären.
Mehrwertsteuer streichenStefan von Bonin, der mit seinem Biobetrieb an der Studie beteiligt war, erklärte bei der Podiumsdiskussion auf der IGW, dass sein Betrieb bei vielen Parametern gut abgeschnitten habe. „Es wurden aber auch Schwächen offengelegt“, berichtete von Bonin. Durch Anpassungen, etwa durch Kooperationen mit anderen Betrieben und erweiterte Fruchtfolgen, sei es aber gelungen, diese Schwächen auszugleichen und höhere, stabilere Erträge zu erzielen.
Die Inhaberin der Biomolkerei Andechser, Barbara Scheitz, wies auf die große Bedeutung der Nachfrage nach Bioprodukten für das Erreichen der Marke von 30 % im Ökolandbau hin. „Ich plädiere deshalb dafür, die Mehrwertsteuer für Bioprodukte zu streichen, um die ökologische Wende in der Landwirtschaft zu erreichen“, sagte Scheitz.
AgE