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30.04.2023 | 15:09 | Wiesenvögel 

Artenschützer und Landwirte gemeinsam aktiv im Vogelschutz

Bremen - Landwirt Henner Bavendam, 50, erinnert sich noch daran, als ihm ein Artenschützer mit dem Auto über den frischen Beton fuhr. Ein Ärgernis. Doch Bavendam grinst, als er die Geschichte erzählt.

Lebensraum
Ob Uferschnepfe, Bekassine oder Kiebitz - in Deutschland nimmt die Zahl der Wiesenvögel ab. Im Land Bremen ist es gelungen, den Trend umzukehren. Dazu müssen Artenschützer und Bauern zusammenarbeiten. (c) proplanta
Er habe einfach eine Kelle genommen und den Beton glatt gestrichen, sagt er. Und mit dem Artenschützer verstehe er sich weiterhin. Man kenne sich ohnehin seit Jahren.

Artenschützer und Landwirte, die bestens miteinander auskommen? Im Bremer Blockland, einem Marschland mit pittoresken Bauernhäusern, gibt es das. Das liegt an den Vögeln.

Genauer gesagt liegt es an den sogenannten Wiesenvögeln. Das sind Arten, die auf Feuchtwiesen brüten, wie man sie im Blockland findet. Beispiele sind die Uferschnepfe, die Bekassine und der Kiebitz. Übergeordnet heißen sie auch Vögel der Agrarlandschaft. Weniger und weniger gibt es von ihnen in Deutschland. Von einem «Vogelsterben» sprechen die Umweltverbände.

Die Zahl der Uferschnepfen hat deutschlandweit um etwa 60 Prozent zwischen 1992 und 2016 abgenommen. Die der Bekassinen um nahezu 70 Prozent - und die der Kiebitze um etwa 90 Prozent. Das geht aus einem Bericht hervor, an dem unter anderem das Bundesamt für Naturschutz gearbeitet hat.

Für den Schwund der Vögel ist nach Einschätzung von Umwelt- und Artenschutzverbänden auch die Intensivierung der Landwirtschaft verantwortlich. Wenn Landwirte Flächen intensiver nutzen, was sie oft müssen, beispielsweise mehr Pestizide einsetzen, fehlt es den Vögeln als Folge an Nahrung. Auch überrollen landwirtschaftliche Maschinen Vögel und Gelege mit Eiern.

Doch gegen den Trend steigen in Bremen die Bestände. 2021 zählten Artenschützer rund 600 Wiesenvögel - etwa 140 Prozent mehr als noch 2012. Lob für die Entwicklung in Bremen gibt es auch vom Vorsitzenden des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt. Wie machen die Bremer das?

Für den Erfolg ist Arno Schoppenhorst, 61, mitverantwortlich. Schoppenhorst ist der Artenschützer, der dem Bauern Bavendam über den Beton fuhr. Schoppenhorst leitet als freier Mitarbeiter ein Vogelschutz-Projekt des BUND, das es unter wechselndem Namen seit 2008 gibt.

Im Blockland auf einer wassergetränkten Wiese steht Schoppenhorst. Um seinen Hals hängt ein Fernglas. Er sagt: Man bewege sich in einem Schutzgebiet, aber auch auf Privatflächen von Bauern. Das heißt: Landwirte und Artenschützer müssen miteinander auskommen. Und wie läuft die Zusammenarbeit ab?

Im März, April, Mai und Juni beobachten die Artenschützer die Wiesen. Sie schauen durch Ferngläser, nutzen Drohnen und stellen Kameras auf. Wenn sie ein Nest entdecken, markieren sie es mit einem Bambusstab.

Manchmal platzieren sie auch ein Schutzgitter. Die Fundorte tragen sie in eine App ein. Und beim Mähen sitzen sie mit auf dem Trecker. «Wir haben die Vögel im Blick», sagt er. «Und der Landwirt hat natürlich das Gras und die Spur im Blick.»

Für die Zusammenarbeit bekommen die Bauern Prämien. Etwa 25.000 Euro verteilten die Artenschützer jährlich an rund 40 Höfe, berichtet Schoppenhorst. Insbesondere die jungen Bauern hätten inzwischen einen großen Ehrgeiz entwickelt, Gelege mit Eiern schneller als die Artenschützer zu finden und zu markieren, sagt Schoppenhorst. Wie bei einem Wettbewerb. Das Geld sei Nebensache. Zum Markieren führten manche Landwirte die Bambusstäbe auf ihren Traktoren mit. Auch ein Zollstock habe schon als Hinweis in der Wiese gesteckt.

Neben Schoppenhorst auf der Wiese steht der Präsident des Landwirtschaftsverbands Bremen, Hilmer Garbade. «Wir haben die Zeiten gehabt, wo nur gegeneinander gearbeitet wurde, wo die Gräben tief waren», sagt Garbade. In den vergangenen Jahren habe sich das komplett verändert. «Kein Landwirt will irgendwelche Nester kaputt fahren oder Küken tot mähen», sagt er. «Es war nur nicht zu vermeiden.» Garbade findet, das Projekt bringe Erfolg mit wenig Aufwand.

Auf der Rückfahrt macht Schoppenhorst einen Stopp am Hof des Bauern Bavendam. Bavendam kommt zu der Gruppe hinzu. Er trägt Gummistiefel und Arbeitsmontur. Hinter ihm ist ein Silo zu sehen.

Bavendam sagt, er mache auch bei dem Projekt mit. «Wir retten die Tiere, der andere Faktor ist der Beweisfaktor», sagt Bavendam. Das Projekt verdeutliche, dass auch Bauern auf die Wiesenvögel aufpassten. Und die aufgestellten Kameras zeigten, dass auch Wildtiere wie Füchse die Vögel holten. Nicht die Landwirte allein seien für das Sterben der Tiere verantwortlich.

Bovendam störe es nicht, wenn ein Artenschützer ihn begleite, sagt er. Es sei schön, wenn er Gesellschaft habe. Schoppenhorst sagt, man rede dann über die Bundesliga, über Alltägliches und über den Kiebitz, wenn einer vorbeilaufen sollte. Das Geheimnis der Zusammenarbeit: «Man darf auf keinen Fall die ganze Zeit über Vögel labern.»
dpa/lni
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