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08.05.2017 | 16:10 | Waldrapp 

Bedrohte Zugvögel haben die Orientierung verloren

Rosegg - Sie gelten als «herbe Schönheiten». Der federlose rot-fleckige Kopf des Waldrapps hat den Charme eines Geiers oder Truthahns. Aber: «Sie haben einen starken Charakter».

Windräder gefährden Zugvögel
Milliarden Zugvögel pendeln zwischen ihrem Brutgebiet und dem Winterquartier. Eine Art hat die Orientierung verloren. Ein Team für den Waldrapp zeigt dem geierähnlichen Vogel, wo es langgeht. Gefahren lauern überall. (c) proplanta
Corinna Esterer (30) muss es wissen. Seit Jahren zieht sie zusammen mit Anna-Gabriela Schmalstieg (27) im österreichischen Tierpark Rosegg in Kärnten Küken dieses extrem seltenen Zugvogels auf.

Zwölf Stunden am Tag verbringen die jungen Frauen mit den Tieren. «Wir sprechen mit ihnen, füttern sie oft, kuscheln viel und tragen immer Gelb», erzählt Schmalstieg. Das Ziel ist die Prägung der Tiere auf ihre Ziehmütter, damit sie ihnen im Herbst ins Winterquartier in der Toskana folgen. 

Filmreif sitzen dann die gelernte Umweltingenieurin und die Landschaftplanerin in einem Ultra-Leichtflugzeug und dirigieren die Tiere gen Süden. Der fast ausgerottete Waldrapp hat wegen fehlender Eltern-Generationen die Orientierung verloren und muss sich seine Kenntnisse mit Hilfe des Menschen wieder aneignen.

Allzuoft erweist sich der Mensch allerdings auch als Feind der Vögel. So werden etwa nach Experten-Schätzungen Millionen von Tieren jedes Jahr bei der illegalen Vogeljagd im Mittelmeer-Raum abgeschossen. «Gerade die Langstreckenzieher sind vielen Risiken ausgesetzt», sagt der Chef der Stiftung Euronatur, Gabriel Schwaderer vor dem Weltzugvogeltag am Samstag (13.5.).

Das von der EU geförderte Waldrapp-Team verzeichnet auch hier erste Erfolge. Ein Jäger in Italien sei nach dem Abschuss von zwei Waldrappen verurteilt worden und werde nun obendrein zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagt, sagt Emanuel Liechtenstein, Chef des Tierparks. «Das macht Lärm in der Öffentlichkeit und bringt die Thematik auf.»

Neben der Jagd zählten Windräder, gläserne Gebäude und Stromleitungen zu den tödlichen Fallen für viele Vögel, etwa Störche, Schwalben oder den Dünnschnabelbrachvogel, meint Schwaderer. «Außerdem beklagen wir einen dramatischen Verlust an Feuchtgebieten.» So drohe die Saline Ulcinj in Montenegro zum herben Nachteil vieler Zugvögel zum Spekulationsobjekt zu werden.

Gut also, dass «Einstein», «Zoppo», «Eduardo» und «Aldo» sowie ihre 27 anderen jungen Artgenossen so fürsorgliche Aufpasserinnen haben. «Kommt, Waldis, kommt», rufen Schmalstieg und Esterer, wenn sie das Kleingehackte aus Ratten, Mäusen, Mehlwürmern und Rinderherzen verfüttern.

Im Mai werden die Tiere mit dem Team nach Überlingen am Bodensee umziehen. Dort soll nach den Standorten im bayerischen Burghausen und bei Salzburg ein drittes traditionelles Brutgebiet des Waldrapps wiederbelebt werden. Im Sommer folgt das Training mit dem Fluggerät.

«Der Waldrapp fliegt mit Tempo 40 so langsam, da war es schon schwierig, ein angepasstes Fluggerät zu finden», sagt der Chef des Waldrapp-Teams, Johannes Fritz. Eine Art Fallschirm mit Motor fliegt den Vögeln voraus. Das ist oft komplizierter als gedacht.

«Bei Gegenwind stehen wir in der Luft», erzählt Fritz. Die Tiere versuchten als «irrsinnige Optimierer», die sowenig Energie wie möglich verbrauchen wollten, jeden Aufwind auszunutzen - vom Geradeausflug in Formation ist dann keine Spur mehr. «Die machen ihr Ding.»

Es sei schon vorgekommen, dass sich Tiere in den Leinen des Fallschirms verfingen und sogar in den Propeller gerieten. Inzwischen sei das Team, das auch aus Begleitfahrzeugen zum Transport der Voliere für die Zwischenstopps bestehe, aber sehr gut eingespielt, meint Fritz. «Wir haben unsere täglichen Distanzen auf durchschnittlich 200 Kilometer gesteigert.»

Das Entwöhnen der Tiere am Zielort geschehe schnell, wissen Esterer und Schmalstieg. Bisher hätten sie 70 Waldrappen mit einem inneren Kompass ausgestattet, der ihnen das Pendeln zwischen Brutgebiet und Winterquartier ermöglicht. Ziel seien 120 migrierende Exemplare, meint Liechtenstein.

Die GPS-Sender an den Vogelbeinen und eine App sorgen auch nach dem Abschied für Kontakt und etwaige Hilfe. «Wenn sich einer tagelang nicht vom Fleck rührt, muss was passiert sein», so Esterer.
dpa
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