Zwar fällt es auch den Experten schwer, die Anzahl der speziell in dörflicher Umgebung heute noch zu findenden Tier- und Pflanzenarten zu beziffern. Doch man geht davon aus, dass in den letzten Jahren mehr als 1/5 an früher vorkommenden Arten bereits aus den Dörfern verschwunden sind. So sind z. B. die artenreichen Streuobstwiesen in den letzten 100 Jahren um 70-90% in den Flächen zurückgegangen. In der Roten Liste der Biotoptypen Deutschlands sind sie mit Kategorie 2, d. h. als stark gefährdet und mit negativer Bestandsentwicklung dargestellt. "Der Artenreichtum unserer Dörfer ist vor allem durch den zunehmender Nutzungs- und
Strukturwandel im ländlichen Raum massiv bedroht," sagte Prof. Dr. Hanjörg Küster, Professor für Pflanzenökologie am Institut für Geobotanik der Leibniz Universität Hannover und Präsident des Niedersächsischen anlässlich der Expertentagung "Biodiversität im Dorf" vom Bund Heimat und Umwelt (BHU) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) auf der Insel Vilm. Nach Ansicht der Experten führt dies - oft unbemerkt - zu Lebensraumverlusten und damit zu einem Artenschwund. Verbunden ist dieser Wandel auch mit mangelnder Kenntnis über die Lebensraum- und
Artenvielfalt in Dörfern. Kennt man noch Schwalben oder Fledermäuse, so sind das Herzgespann (eine früher in unseren Dörfern weit verbreitete und genutzte Heilpflanze) oder die Gute Marianne (eine ehemals beliebte Apfelsorte) den Menschen vielerorts kein Begriff mehr.
Die Tagung, die gestern zu Ende ging, zeigte, wie ein dauerhaftes Interesse an der Artenvielfalt im ländlichen Raum entwickelt und damit gleichzeitig die dörfliche Identität und Lebensqualität bewahrt werden kann. Hierzu wurden erfolgreiche Initiativen von Einzelpersonen, Vereinen und Kommunen vorgestellt. So zeigen Kräuterpädagogen die Verwendung von Wildkräutern, Vereine engagieren sich für die Erhaltung von Hausgärten und Obstwiesen und das "ökologische Dorf" im Biosphärenreservat Rhön veranstaltet Wettbewerbe, bei denen Kinder und Jugendliche Arten auf dem Schulweg entdecken. Die Tagung zeigte, dass vor allem eine reich strukturierte Kulturlandschaft die beste Garantie für die Erhaltung der Artenvielfalt darstellt. Voraussetzung dafür ist, dass kreative Ideen und tragfähige Nutzungskonzepte entwickelt werden, wobei dem Engagement und der Einbindung der Bewohner eine Schlüsselrolle zukommen.
Heimatvereinen und lokalen Initiativen, für die der BHU die Dachorganisation in Deutschland darstellt, kommt hier eine wichtige Bedeutung nicht nur als Aktionsplattform im eigenen Dorf zu, sondern auch um erfolgreiche Beispiele nach außen zu kommunizieren.
Die Tagung fand vom 07.-10. September 2007 in der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm (bei Rügen) des Bundesamtes für Naturschutz statt. Die Tagungsdokumentation erscheint Anfang 2008 und ist zu beziehen über den Bund Heimat und Umwelt.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. (idw)
Kontakt:
Dr. Inge Gotzmann, Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU),
Adenauerallee 68, 53113 Bonn, Tel.: (02 28) 22 40 91 /92, Fax: (02 28) 21 55 03, E-Mail: bhu@bhu.de, Internet: www.bhu.de
Torsten Wilke, Bundesamt für Naturschutz, Außenstelle Leipzig, Karl-Liebknecht-Str. 146, 04277 Leipzig, Tel.: (0341) 3097716, Fax: (0341) 3097740, E-Mail: torsten.wilke@bfn.de, Internet: www.bfn.de