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06.11.2015 | 07:43 | Klimasünder 

China verbraucht mehr Kohle - Erfolgsdruck im Klimaschutz steigt

Peking - China verbraucht dramatisch mehr Kohle als früher angenommen.

Kohleenergie in China
Vor der Weltklimakonferenz in Paris herrscht plötzlich Alarmstimmung: Der Kohleverbrauch des größten Klimasünders China ist höher als lange gedacht. Aber die Zahlen sind seit Monaten bekannt und in Peking längst einkalkuliert - nur was bedeuten sie für China und das Klima?
Die Nachricht gut drei Wochen vor der Weltklimakonferenz in Paris schreckte viele Menschen auf - vor allem weil sie so prominent auf der Titelseite der «New York Times» stand. Aber die zitierten offiziellen Zahlen sind keineswegs neu, sondern liegen Experten schon seit dem Frühjahr vor.

Die Daten dienten China als Grundlage für seine Zusagen im Kampf gegen den Klimawandel. Sie ändern auch nichts an der Berechnung, dass die bisher vorliegenden Klimaschutzzusagen von rund 150 Ländern die Erderwärmung auf etwa 2,7 Grad begrenzen dürften, wie der Forschungsverbund Climate Action Tracker am Donnerstag klarstellte.

Somit werden die Klimaverhandlungen Ende des Monats auch nicht plötzlich komplizierter als sie ohnehin schon sind. Aber die Dringlichkeit des Kampfes gegen die Erderwärmung steigt umso mehr, wenn der ohnehin schon größte Kohleverbraucher der Welt seit dem Jahr 2000 deutlich mehr Kohle konsumiert hat als bis vor einem Jahr noch angenommen. «Damit müssen die Emissionen weltweit noch früher sinken als bisher gedacht, um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden», sagte Christoph Bals von Germanwatch. Es zeige auch, wie wichtig «klare Transparenzregeln» seien.

Die «New York Times» hatte am Mittwoch von einem bis zu 17 Prozent höheren Kohleverbrauch für 2013 geschrieben. Die Amerikanische Energie Informationsagentur (EIA) hatte jedoch schon im September einen bis zu 14 Prozent höheren Kohlenverbrauch von 2000 auf 2013 für China angenommen. Letzterer ist laut Greenpeace größer als der Kohlekonsum von Deutschland, Polen, Großbritannien, Tschechien, Italien und Frankreich zusammen.

«Der Kohleverbrauch überstieg unsere Vorstellungen», räumte Lin Boqiang, Energieexperte der Universität Xiamen, ein. «Es war ein Schock.» Statt sich aber auf die in China chronisch geschönten Berichte unterer Behörden zu verlassen, seien neue statistische Erhebungen über die Wirtschaftstätigkeit gemacht worden, die «zuverlässigere Daten» geliefert hätten, erläuterte Lin Boqiang. «Die neuen Verbrauchszahlen bringen Chinas Daten näher an die Zahlen der Internationalen Energieagentur», fand auch der Climate Action Tracker, der von einer Gruppe aus vier Klimainstituten getragen wird.

Zwar macht der «New York Times»-Artikel jetzt viel Wirbel, aber die Zahlen wurden in China schon im Februar und März erstmals unter Experten verbreitet. Die Konsequenzen sind klar: China wird größere Anstrengungen unternehmen müssen als zuvor gedacht, um seine eingegangenen Verpflichtungen im Klimaschutz zu erfüllen. Vor allem der angestrebte Anteil erneuerbarer Energien - wozu China Atomkraft zählt - am Verbrauchsmix mit 15 Prozent bis 2020 und 20 Prozent bis 2030 «wird schwerer zu erreichen sein», sagte Experte Lin Boqiang.

Kohle bleibt mit heute 67 Prozent am Energieverbrauch in China auch in Zukunft der Hauptenergieträger, auch wenn der Anteil bis 2020 auf 62 Prozent fallen soll. Die neuen Zahlen erhöhen den Druck. «Der Spielraum für den künftigen Anstieg des Kohleverbrauchs ist damit sehr begrenzt», sagte Klimaexpertin Li Yan von Greenpeace in Peking. Da der Energieverbrauch in China mit dem Wirtschaftswachstum weiter steigen werde, müssten nicht-fossile Energien die Nachfrage stärker als bisher geplant abdecken.

Schlupflöcher und Lücken in den Kohlestatistiken seien in China ein «gigantisches Problem», das allen Forschern und Politikern bewusst sei, berichtete Li Yan. Die neuen Daten müssten auch noch weiter verbessert werden. «Aber sie sind gute Nachrichten, weil sie zeigen, dass China transparentere Bemühungen unternimmt, um seinen Kohleverbrauch zu kontrollieren, und bereit ist, ein durchschaubares verlässliches System für die Kohlepolitik im neuen Fünf-Jahres-Plan zu schaffen.»

Unverhofft kommt das langsamere Wirtschaftswachstum den Bemühungen zum Klimaschutz zugute. Im vergangenen Jahr verbrannte China 2,9 Prozent weniger Kohle. Ein neuer Trend, der sich in diesem Jahr beschleunigte, so dass Umweltschützer schon von einer «Kohlewende» sprechen. Dazu haben unter anderem modernere Anlagen und der Kampf gegen die Luftverschmutzung beigetragen.

Der unerträgliche Smog in Großstädten und Industrieregionen und der wachsende Unmut der Menschen haben Chinas Politiker mancherorts zu radikalen Maßnahmen greifen lassen. Eine Drosselung der Kohleverbrennung verspricht am schnellsten Linderung.

Nach zwei Jahrzehnten blinden Wachstums der heute zweitgrößten Volkswirtschaft strebt auch der neue Fünf-Jahres-Plan, der ab nächstem Jahr gilt, ein qualitativ besseres und nachhaltigeres Wachstum an. Aber egal wie, Chinas CO2-Ausstoß wird vorerst weiter steigen. Der entdeckte viel höhere Kohleverbrauch wird voraussichtlich dafür sorgen, dass der chinesische und damit auch der weltweite Höchststand («Peak») der Emissionen möglicherweise früher erreicht wird - allerdings auch auf einem höheren Niveau als bisher gedacht.

China strebt seinen «Peak» in den Zusagen für die Klimaverhandlungen bis 2030 «oder früher» an, was viele Experten für realistisch halten. «Für das Klima gibt es aber nur eine Entlastung, wenn auch andere Länder in der Welt beschleunigt handeln», mahnte Experte Bals.
dpa
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