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20.05.2014 | 13:40 | Ein Jahr nach der Flut 

Die Flutkatastrophe 2013 - Rekord-Pegelstände und Chaos

Fischbeck - Viele Fischbecker werden die Bilder nie vergessen: Eine schlammige Brühe wälzte sich durch ihr Dorf, dringt in Häuser ein und begräbt Straßen unter sich. Auch nach einem Jahr zeugen noch viele Spuren von der Katastrophe.

Flutkatastrophe 2013
(c) proplanta
Kurz nach Mitternacht hält der Deich den Wassermassen der Elbe nicht mehr stand. Es gibt ein Knacken, dann kommt das große Rauschen. Binnen einer halben Stunde überspült die gigantische Flut den kleinen Ort Fischbeck im Norden Sachsen-Anhalts. «Ich habe schon einige Hochwasser erlebt, aber den 10. Juni 2013 werde ich nie vergessen», sagt der Bürgermeister von Wust-Fischbeck, Bodo Ladwig.

Der Deichbruch verwandelte eine ganze Region in eine riesige Seenlandschaft. Erst eine spektakuläre Aktion bändigt die Flut: Drei ausgediente Lastkähne werden mit einer Sprengung versenkt, um den Deich abzudichten. Diese Bilder gehen um die Welt.

«Allein in Fischbeck stand das Wasser in 95 Häusern bis zum 1. Stock und in 152 waren die Keller abgesoffen», erinnert sich Ladwig. Viele Gebäude hätten vollkommen entkernt und wiederaufgebaut werden müssen. «Doch nicht alle Menschen hatten den Mut, die Kraft und den Willen dazu», sagt der ehrenamtliche Bürgermeister, der im Vollzeit-Job in einer Milchviehanlage arbeitet. Einige Familien hätten den Ort verlassen, andere seien gar nicht erst wiedergekommen, nach dem die Zwangsevakuierung aufgehoben worden war.

Die schon 73 Jahre alte Karin Standke hatte den Willen zum Wiederaufbau. Sie sitzt heute in ihrem schmuck hergerichteten Häuschen mit einem hübschen Garten dahinter. «Ich bin in Fischbeck geboren und wollte nicht weg», sagt sie. Deshalb habe sie sich trotz ihres Alters zu einem Neuanfang entschlossen. «Bereut habe ich es nicht, ich hatte sehr viele Helfer», sagt sie.

«Nimm den Hund, pack ein paar Sachen und komm her», hatte ihr Sohn aus Rathenow sie damals aufgefordert, nachdem die stinkende Brühe bis zu 80 Zentimeter in ihrem Haus stand. «Danach war nichts mehr zu gebrauchen, alles musste auf den Müll», sagt die Rentnerin. Monate lang lebte sie erst bei ihrem Sohn, dann in einer Pension. Weihnachten war es dann soweit: Sie konnte ihr saniertes Haus beziehen.

Bürgermeister Ladwig kann gut nachvollziehen, was Frau Standke durchgemacht und danach geleistet hat, denn auch sein Haus stand unter Wasser. Auch heute ist er der Haupt-Ansprechpartner, wenn es um den Wiederaufbau des Ortes geht, er kennt die Sorgen der Menschen. «Oft fehlt das Geld», sagt er. Von der unbürokratischen Hilfe, die versprochen wurde, sei oft wenig zu spüren. «Mit den sechsseitigen Anträgen der Investitionsbank und drei Kostenvoranschlägen für einen Handwerkerauftrag sind die Menschen einfach überfordert», klagt er.

«Ich kann die Bilder von damals noch immer nicht sehen», sagte Elke Behm, die Ladwig in der Gemeindearbeit zu Hand geht. Doch zum Glück sei niemand körperlich zu Schaden gekommen. «Und die Solidarität und die Hilfe der Menschen war immens» ergänzt ihre Kollegin Katrin Trümper. Nicht nur tausende Angehörige von Bundeswehr, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk seien gekommen. Menschen aus ganz Deutschland, sogar aus Österreich und er Schweiz seien in Fischbeck gewesen, um aufzuräumen, essen zu kochen oder Wäsche zu waschen: «Wir hatten ja nichts mehr, gar nichts.»

Fischbeck steht wie ein Symbol für die Flut 2013 in Deutschland. Neben Sachsen-Anhalt, wo sie einen Schaden von 1,5 bis 2 Milliarden Euro anrichtete, wütete sie vor allem in Bayern, Thüringen und Sachsen. In Bayern lagen die Schäden bei 1,3 Milliarden Euro. Aus Passau wurde die schlimmste Flut sei 1501 gemeldet, der Donau-Pegel stieg auf 12,50 Meter. In Thüringen waren vor allem an Weißer Elster, Pleiße und Saale die Pegelstände stark gestiegen, der Schaden lag bei 192 Millionen Euro. In Sachsen waren besonders die Städte Pirna, Bad Schandau und Meißen an der Elbe sowie Grimma an der Mulde betroffen. Der Schaden dort lag bei 2,3 Milliarden Euro.

Knapp ein Jahr später beschäftigt die Flut das 420 Einwohner zählende Dorf Fischbeck erneut: Die Menschen organisieren eine große Dankesfeier für die Helfer. Es soll einen Gottesdienst geben und auch einen Marsch zum Deich. Die alten Lastkähne, die ihn damals abdichteten, sind längst abtransportiert. Sie werden auch nicht mehr gebraucht.

«Der Deich ist wieder auf den Stand von vor der Flut gebracht», sagt Ladwig. «Ein normales Hochwasser halte der jetzt zwar wieder aus, doch der Bau eines neuen werde vorbereitet. Am Ende der Dankesfeier sollen die Kirchenglocken von Fischbeck läuten. Exakt am 10. Juni um 00.02 Uhr. Genau ein Jahr nach dem Deichbruch.
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