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05.03.2023 | 15:19 | Waldbrandgefahr 

Elektronische Nase zur Waldbranderkennung

Eberswalde - In dem kleinen Labor von Jürgen Müller in Eberswalde (Kreis Barnim) riecht es stark nach Rauch. Er kommt aus einer Edelstahl-Apparatur mit dickem Schlauch und Windklappe.

Waldbrandgefahr
Eine Firma aus Eberswalde hat ein System zur Früherkennung von Waldbränden entwickelt: Sensoren «erschnüffeln» den Geruch eines Schwelbrandes und schlagen Alarm. Sie sollen damit schneller sein als optische Systeme. Im nahen Stadtwald läuft dazu ein Pilotprojekt. (c) proplanta
«Hier lernen unsere Sensoren die jeweilige Gaszusammensetzung bei einem Waldbrand. Sie werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz genau darauf programmiert», erklärt der Waldökologe und zeigt auf ein Regal mit Einmachgläsern, die etwa Pinienschnitzel aus Spanien, Kiefernrinde aus Italien oder Kiefernhumus aus der Türkei enthalten.

«Jeder Wald hat aufgrund unterschiedlicher Baumarten und Bodenzusammensetzung einen individuellen Geruch und damit auch ein Schwelbrand in diesem Forst», erklärt der 69-jährige Wissenschaftler.

Seine Firma Dryad Networks hat solarbetriebene Sensoren entwickelt, die die Gas-Zusammensetzung in der Luft messen. Registrieren sie Rauch, schlagen sie Alarm. «Damit können wir Feuer in der sogenannten Schwelbrandphase erkennen, also viel zeitiger als die herkömmliche Kameraüberwachung», erklärt Müller. Optische Systeme bräuchten weitaus länger, um einen Waldbrand zu identifizieren, dies gelinge erst dann, wenn der Rauch oben aus dem Wald steige, meint er.

Der Eberswalder Waldexperte, 30 Jahre in forstlicher Forschung, war eigentlich schon längst im Ruhestand, als er vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Technologieexperten Carsten Brinkschulte das Startup-Unternehmen Dryad Networks, gründete, benannt nach den Dryaden, Waldgeistern aus der griechischen Mythologie. Inzwischen haben die beiden ihr Sensoren-System schon weltweit verkauft - nach Spanien, Griechenland oder in die USA.

Das Unternehmen wurde auch mit dem Brandenburger Innovations- und dem Unternehmerpreis ausgezeichnet. «10.000 Sensoren haben wir im vergangenen Jahr verkauft, mehr als 200.000 werden es 2023», sagt Müller. Bisher wurden die Messgeräte in Bayern produziert, inzwischen sei aber eine Brandenburger Firma im Landkreis Märkisch-Oderland als Partner gefunden worden.

35 Mitarbeiter hat Dryad Networks inzwischen, hauptsächlich im IT-Bereich. Denn ähnlich wie ein Rauchmelder schicken die Sensoren ein Signal in ein Funknetzwerk, das ebenfalls im Wald installiert ist. Von dort gelangen die Informationen über eine Cloud auf eine zentrale Online-Plattform. Per Mail oder SMS wird dann der Waldbesitzer informiert, gleichzeitig gehen Meldungen an die Waldbrandzentrale.

Im März startet beispielsweise ein Dryad Networks-Projekt im US-amerikanischen Kalifornien, wo es immer wieder verheerende Waldbrände gibt. Auch in Sachsen-Anhalt hängen laut Müller schon die ersten Sensoren entlang der Brockenbahn im Harz. «Durch den Funkenflug entstehen dort immer wieder Brände an der Strecke.»

Jetzt ist erstmals ein deutschlandweites Pilotprojekt gestartet worden - im Eberswalder Stadtwald. In einem 400 Hektar großen Waldstück entlang des Oder-Havel-Kanals wurden 402 Sensoren an Baumstämmen angebracht, dazu einige Sonnenkollektoren als Energiezufuhr für die Messsysteme.

Auch in diesem Fall wurden zunächst Proben genommen und im Labor angezündet, um die Sensoren speziell auf diesen Rauch zu prägen. «Wir machen hier eine dreijährige kostenfreie Testphase, danach kann die Stadt entscheiden, ob sie das System übernimmt», erklärt Müller.

Die vergangenen extrem-trockenen Jahre hätten erschreckend verdeutlicht, wie schnell es zu Waldbränden kommen könne, sagt der Eberswalder Stadtförster Florian Manns. Er ist Herr über insgesamt 1.500 Hektar Kommunalforst rings um die Stadt. «Drei bis vier kleinere Feuer hatten wir 2022, gerade in diesem jetzt ausgewählten Waldstück.

Die waren menschengemacht, weil hier viele am Kanal chillen und grillen», sagt er. Das Pilotprojekt von Dryad Network findet Manns durchaus interessant, bleibt aber auch skeptisch - nicht etwa, weil er den Sensoren nicht trauen würde, sondern weil er befürchtet, sie könnten gestohlen oder zerstört werden. «Wir haben viele Probleme mit Vandalismus», sagt er.

Deswegen, beschreibt Waldexperte Müller, seien die Sensoren in mehreren Metern Höhe an den Baumstämmen angebracht worden. «Da brauchst Du schon eine Leiter, um da ranzukommen.» Zweifel hegt Stadtförster Manns aber auch in finanzieller Hinsicht. Laut Müller kostet das Eberswalder Sensoren-System jährlich rund 25.000 Euro.

«Das sind 50 Euro pro Hektar, das kann sich beispielsweise ein Privatwaldbesitzer nicht leisten», glaubt Manns. Wenn damit auch angrenzende Orte geschützt würden, müsse es dafür öffentliche Gelder geben, fordert er.

Allein im vergangenen Jahr gab es nach Angaben des Brandenburger Umweltministeriums insgesamt 504 Waldbrände im Land, bei denen 1.411 Hektar Forst vernichtet wurden. Zwei Drittel der Feuer brachen in Privatwäldern aus.

«Flächendeckend ist Überwachung mit den doch kostenintensiven Sensoren im Land nicht zu machen. Denn das summiert sich», glaubt auch Jan Engel, Sprecher des Brandenburger Landeskompetenzzentrums Forst. Für bestimmte Waldbrand-Hotspots sei das auf Brandgeruch basierende System von Dryad Networks allerdings durchaus sinnvoll, so Engel. «Bei einem Feuer zählt ja letztlich jede Minute.»

Ähnlich sieht das der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel. Solche solarbetriebenen Systeme, die die Gas-Zusammensetzung in der Luft messen, könnten als spezielle Überwachung von kritischer Infrastruktur eingesetzt werden, etwa an Bahnanlagen, schätzt er ein.

Inzwischen ist das Land Brandenburg an der Waldbrandfrüherkennung der Eberswalder interessiert. «Vertreter waren gerade hier und haben sich unser Pilotprojekt angeschaut», erzählt Müller. In Planung sei ein weiteres Referenzprojekt in Südbrandenburg. Das bestätigt Frauke Zelt, Sprecherin des Brandenburger Umweltministeriums. Die genaue Fläche stehe aber noch nicht fest.

«Das System von Dryad Networks kann eine Ergänzung zur kameragestützten Waldbrandüberwachung im Land sein, gerade in sensiblen Bereichen wie Ortschaften oder besonderer Infrastruktur», erklärt sie. Zur Vorbeugung und für den Schutz vor Waldbränden seien auch neue Kooperationen und ressortübergreifende Strategien notwendig, heißt es aus dem Umweltministerium.
dpa/bb
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