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18.05.2020 | 05:51 | Warentransport 

Empörung über längere Mautbefreiung für Erdgas-LKW

Berlin - Die Proteste der Eisenbahnbranche haben nichts genützt: Der Bundestag hat entschieden, dass Lastwagen, die Erdgas anstatt Diesel verbrennen, bis 2023 keine Mautgebühren zahlen.

LKW
Mehr Schiene, weniger Straße: Wenn es um den Güterverkehr geht, sind sich eigentlich alle einig - auch in der Politik. Trotzdem fördert die Bundesregierung nun Erdgas-Lkw noch einige Jahre länger. Das empört nicht nur Eisenbahn-Unternehmen. (c) proplanta
Für die Transportunternehmen soll mit der Entscheidung vom Donnerstag ein finanzieller Anreiz verlängert werden, damit sie ihre Lkw-Flotte auf klimafreundlichere Antriebe umrüsten. Doch das ist höchst umstritten.

Experten bezweifeln, dass Erdgas eine ökologische Alternative zu Diesel ist. Und der ohnehin angeschlagene Schienen-Güterverkehr sieht sich im Wettbewerb mit der Straße vernachlässigt.

Von dort kam in den vergangenen Tagen die lauteste Kritik: «Die Mautbefreiung lässt sich nicht mit dem Ziel der Förderung umweltfreundlicher alternativer Kraftstoffe rechtfertigen», teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mit.

Auch das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), in dem vor allem die Konkurrenz der Deutschen Bahn organisiert ist, versuchte, die Maßnahme zu verhindern: NEE-Hauptgeschäftsführer Peter Westenberger fürchtet, dass dadurch «heute deutlich klimafreundlicher auf der Schiene abgewickelte Transporte auf die Autobahn zurück verlagert würden».

Die mit der Mautbefreiung verbundene «Subvention von über 800 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren» widerspreche dem Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern.

Seit 2019 sind Lastwagen, die Erdgas in flüssiger (LNG) oder komprimierter (CNG) Form tanken, von der Maut befreit. Schwere Fahrzeuge mit mehr als vier Achsen sparen seither 18,7 Cent pro Kilometer verglichen mit einem gleich großen Fahrzeug, das über den neuesten Euro-VI-Diesel-Antrieb verfügt. Trotzdem hat die Förderung bislang nicht dazu geführt, dass die Spediteure im großen Stil auf Erdgas setzen.

«Zum 31. Januar 2019 hatte das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Köln unseres Wissens 184 schwere CNG-Lkw und 656 schwere LNG-Lkw gefördert», teilte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) auf Anfrage mit.

«Bei rund 800.000 in- und ausländischen Brummis, die in Deutschland unterwegs sind, werden wir uns hier auch noch längere Zeit im «Promille-Bereich» bewegen», schätzt BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt. «Der Untergang der Bahn steht weder unmittelbar noch mittelbar bevor.»

Warum also die ganze Aufregung? «Es ist eine einseitige Förderung des Lkw, wenngleich die Bedeutung eher gering ist», sagt Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

Es geht aber nicht nur um die Konkurrenz zweier Verkehrsträger. Die Denkfabrik Agora Verkehrswende kritisiert grundsätzlich, dass Erdgas überhaupt als alternativer Antrieb gilt. «Erdgasfahrzeuge waren mal gut, besonders was die Luftverschmutzung betrifft», sagt der stellvertretende Direktor Günter Hörmandinger. «Aber mit dem Euro-VI-Standard beim Diesel ist das vorbei. Damit ist dieser Vorteil für die Luftqualität nicht mehr gegeben.» Die Erdgas-Lkw bräuchten zudem eine separate Tankstelleninfrastruktur.

Der Verband Zukunft Erdgas begrüßte die Entscheidung als «wichtigen Impuls, nach «jahrzehntelanger Stagnation endlich praxisnahe Klimaschutzmaßnahmen im Güterverkehr umzusetzen.» Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) betonte, Erdgas und Biomethan seien CO2-reduzierende Alternativen zum Diesel. Und: «Nutzfahrzeuge mit Gasantrieb sind schon jetzt serienreif und verfügbar.» Die Hersteller entwickelten aber auch Elektro-Lkw und Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzelle. Darüber hinaus befassten sie sich mit der Oberleitungstechnologie.

Über die Frage, wie groß der Klima-Vorteil von LNG-Lastwagen ist, wird hitzig gestritten. Eine aktuelle Studie des Ökoinstituts mit dem Internationalen Rat für sauberen Verkehr (ICCT) kommt zu dem Schluss, dass abhängig von der Antriebstechnologie mit Erdgas bis zu knapp 20 Prozent CO2 im Vergleich zu Diesel-Motoren eingespart werden kann.

Rechnet man allerdings Produktion und Transport des Gases mit ein, sinkt der Vorteil demnach auf 7 bis 9 Prozent. Verkehrsexperte Böttger sagt daher: «Da ist jeder ökologische Kompass verloren gegangen.»

Das Umweltbundesamt, das die Studie in Auftrag gegeben hatte, wirbt statt der Maut-Befreiung für Erdgas-Lkw für eine CO2-Komponente in der Lkw-Maut. E-Lastwagen, die batterieelektrisch oder über Oberleitungen betrieben würden, sollten aus Sicht des Amts von der Maut ausgenommen werden, weil sie eine «echte klimaschonende Alternative» zum Diesel-Lkw seien.
dpa
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