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11.03.2023 | 16:29 | Fledermausschutz 

Fledermäuse im Norden trotz menschlicher Hilfe bedroht

Holzbunge/Kropp - Als kleiner, mit Bäumen bewachsener Hügel ist der alte Munitionsbunker der Bundeswehr in Kropp kaum zu erkennen.

Fledermaus
Sie machen sich mit Einbruch der Dunkelheit auf ihre lautlose Jagd und faszinieren viele Menschen. Fledermäuse bewohnen weite Teile Schleswig-Holsteins, bekommen Hilfe vom Menschen, und sind doch mehrfach bedroht. (c) cheri131 - fotolia.com
Über dick mit Moos und Laub belegte Stufen geht es hinab in eine andere Welt. In der feuchten Dunkelheit hinter dicken Betonwänden verbringen Hunderte Fledermäuse den Winter. Sie sitzen regungslos hinter durchsichtigen Wellplastikplatten an den Wänden oder in den Spalten von Hohlblock-Mauersteinen.

Matthias Göttsche vom Fledermaus-Monitoring Schleswig-Holstein leuchtet mit einer Taschenlampe und mit Hilfe eines Spiegels von unten in die an den Wänden montierten Steine und zählt die Wasser- und Fransenfledermäuse. «Ich bin froh, dass es so viele sind», sagt der 50 Jahre alte Ingenieur für Landschaftsnutzung und Naturschutz.

In 51 Bunkern auf dem von der Bundeswehr seit etwa 20 Jahren verlassenen Areal im Kreis Schleswig-Flensburg überwintern in diesem Jahr rund 5.500 Tiere. Die Zahl hat sich zur Freude der Naturschützer von Jahr zu Jahr erhöht. Dass die Zahl der Fledermäuse zunimmt, hat laut Göttsche aber nicht unbedingt mit Bestandsanstiegen zu tun. «Für die Fledermäuse wurde hier in Kropp ein geschütztes und optimales Areal gesichert und das spricht sich unter den Fledermäusen herum.» Inzwischen ist Kropp nach der Kalkberghöhle in Bad Segeberg mit rund 30.000 Tieren der größte Überwinterungsort in Schleswig-Holstein.

Wenn die Fledermäuse jetzt im Frühling langsam ihre Winterquartiere verlassen, brauchen sie rasch Nahrung. Die kalten Monate haben die Tiere auf Sparflamme verbracht und von ihren Reserven gezehrt. Hier beginnt das erste große Problem der kleinen Flieger: Es gibt inzwischen zu wenig Insekten. «Kleine Fledermausarten erbeuten viele Mücken und Fliegen, sie kommen in unserer industrialisierten Kulturlandschaft noch einigermaßen klar, aber größere Fledermäuse brauchen vor allem große Insekten wie Juni- oder Mistkäfer» erklärt Göttsche. Davon gibt es aber nicht mehr genug. Kleine Insekten können sie schlecht orten, von Mücken könnten sie nicht leben.

Deshalb reiche es eben auch nicht, den Tieren Behausungen anzubieten. Die Landwirtschaft müsste sich verändern. Weniger Pestizide, mehr Artenvielfalt, mehr Blühpflanzen, mehr Ökolandbau würde den Fledermäusen nach Göttsches Überzeugung helfen.

Eine weitere Gefahr seien Windenergieanlagen, von denen in den nächsten Jahren noch deutlich mehr gebraucht werden, um die Energiewende zu schaffen. Die Flügelspitzen erreichen sehr hohe Geschwindigkeiten, die vom Rotor abgedeckte Fläche ist groß. Für Fledermäuse können die Anlagen tödlich sein. Daher wünscht sich Göttsche, dass bei der Planung die Routen von wandernden Fledermausarten berücksichtigt und an kritischen Standorten in den Wanderzeiten nachts geregelt werden. So ließe sich das Risiko verringern.

Fledermäuse können je nach Art fünf, zehn oder mehr Jahre leben. Die Weibchen haben pro Jahr nur ein Junges. Wegen der geringen Reproduktionszahl sind Fledermausbestände anfällig für Verluste. Dezimierte Gruppen können sich nur langsam erholen. «Sie können Räume nur langsam besiedeln», sagt Göttsche.

Rund 20 Kilometer östlich von Kropp, in Holzbunge im Kreis Rendsburg-Eckernförde, betreut der Experte ein Projekt, das ebenso wie Kropp Hoffnung macht: ein alter Buchenwald in hügeliger Landschaft, groß wie drei Fußballfelder und mit einem angrenzenden See. Er gehört der Kurt und Erika Schrobach-Stiftung und soll sich zu einem urtümlich-wilden Wald entwickeln. Gerade wurden die letzten nicht einheimischen Fichten gefällt, jetzt bleibt der Rotbuchenwald sich selbst überlassen.

Göttsche stellt eine Leiter an eine mächtige Buche und öffnet in vier Metern Höhe einen an den Stamm gehängten Betonkasten. Dieser ist das Winterquartier für rund 50 Große Abendsegler. Diese größte heimische Fledermausart, deren Bestände in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen sind, wärmt sich in dem Kasten dicht zusammendrängt gegenseitig. Bald werden die Tiere mit zunehmender Außentemperatur wieder munter. «Die Kästen sind eine Krücke», sagt Göttsche und weist auf den Stamm einer im Sturm geknickten Buche. In der Ferne hämmert ein Specht. Im Naturwald werde es irgendwann wieder genug Ritzen und Höhlen in toten Bäumen geben, um Fledermäusen Unterschlupf zu bieten.

Der Vorteil des Waldstücks in Holzbunge ist das Seeufer. «Da finden sich noch Insekten.» Göttsche beobachtet mit den zunehmend kürzeren und milderen Wintern eine Verhaltensänderung bei den Fledermäusen. Sie werden früher im Jahr wieder aktiv. «Ob das gut ist, wissen wir noch nicht.» Einzelne Frostnächte können den Tieren nicht gefährlich werden. Aber längere Kälteperioden bei Mangel an Nahrungsangebot könnten ein Problem sein.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sagt, der Handlungsdruck im Kampf gegen das Artensterben sei enorm. «Das gilt auch für die Fledermaus, die ein faszinierendes Tier ist. Es liegt in unserem ureigenen Interesse, dem Artensterben Einhalt zu gebieten.»

Das Land engagiert sich nach Goldschmidts Angaben auf verschiedenen Ebenen für Fledermäuse. «Mit dem Ankauf von Wäldern sorgen wir dafür, dass die sensiblen Tiere die für sie lebensnotwendigen Rückzugsräume bekommen.» Als erstes Bundesland habe Schleswig-Holstein einen Kooperationsvertrag mit dem Ehrenamt geschlossen, um den staatlichen und ehrenamtlichen Fledermausschutz zu koordinieren. «Denn Freiwillige sind eine zentrale Säule beim Fledermausschutz.»

Auch Privatleute können etwas zum Fledermausschutz beitragen. Mit Pflanzen im Garten etwa, die besonders nachtaktiven Insekten als Nahrung dienen. «Wer seinen Garten in eine giftfreie, grüne Oase mit ungenutzten Ecken verwandelt, tut nicht nur sich selbst, sondern auch Gartenbewohnern und Insekten etwas Gutes», sagt die Sprecherin des BUND Schleswig-Holstein, Martina Gremler.

Spezielle Dachpfannen mit kleinen Einflugschlitzen ermöglichen Fledermäusen die Gründung einer Wochenstube in unausgebauten, giftfrei behandelten Dachstühlen. Auch Fledermausfassadenkästen, das sind nach unten offene flache Kästen aus unbehandeltem Holz oder Holzbeton, können ein Zuhause für Fledermäuse werden. Sie sollten in rund vier Metern Höhe auf einer sonnenzugewandten, aber nicht zu heißen Seite eines Hauses oder Baums befestigt werden.

In Schleswig-Holstein kommen nach Angaben des Umweltministeriums 15 Arten von Fledermäusen vor. Sie bilden die größte Säugetierartengruppe im nördlichsten Bundesland und sind in fast allen Lebensräumen vertreten. Alle Fledermausarten sind durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt.
dpa/lno
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