Mit der Zunahme von Handel, Verkehr und Tourismus kommen auch neue Arten nach Deutschland: Als blinde Passagiere an Schiffsrümpfen, im Ballastwasser oder in Holzpaletten, zumeist aber gezielt als neue Gartenpflanzen, Forstbäume oder Nutztiere, für Aquarien, Gartenteiche, die Fischerei oder Jagd. Die meisten Arten können nicht Fuß fassen oder bleiben unauffällig.
Einige verhalten sich aber invasiv, verdrängen andere Arten, verändern dadurch Ökosysteme oder gefährden sogar die Gesundheit (wie Riesen-Bärenklau und Beifußblättrige Ambrosie). Mit dem sich ändernden Klima werden wird dieser Prozess zunehmen. "Wir wollen die bisher sehr allgemein geführte und von Polarisierungen geprägte Diskussion um neue Arten auf die wirklich problematischen invasiven Arten fokussieren", sagt die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Beate Jessel.
Es besteht die völkerrechtliche Verpflichtung, Maßnahmen gegen
invasive Arten, die andere Arten, Lebensräume oder Ökosysteme gefährden, zu ergreifen. Dabei sollten aber zukünftig verstärkt Vorsorge- und Sofortmaßnahmen bei neu auftretenden Arten im Vordergrund stehen, anstatt nachsorgend aufwendige und oftmals erfolglose "Bekämpfungsaktionen" durchzuführen. "Das Vorsorgeprinzip verpflichtet uns zum Handeln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Ob die Anwendung dieses Prinzips zukünftig in Deutschland gelingt, wird auch die weitere Ausbreitung der allergenen Beifußblättrigen Ambrosie zeigen, die in Einzelpflanzen nach BfN-Daten bereits in über der Hälfte der Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands auftritt", so die BfN-Präsidentin.
In den 13 Fachbeiträgen des Themenheftes von Natur und Landschaft behandeln 24 Experten und Wissenschaftler vor allem handlungsorientierte Konzepte für die Naturschutzpraxis. So wird die Methodik einer "Schwarzen Liste invasiver Arten" vorgestellt und Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz verglichen. Die rechtlichen und internationalen Rahmenbedingungen werden dargestellt und diese an Artbeispielen konkretisiert, sowie ausgewählte Problemverursacher (Gartenbau, nachwachsende Rohstoffe), Lebensräume (Gewässer), Lösungsansätze und die öffentliche Wahrnehmung der Problematik behandelt. Außerdem soll die Aufmerksamkeit auf die zumeist unsichtbaren Auswirkungen invasiver Arten und gebietsfremder Herkünfte auf die genetische Vielfalt gelenkt werden.
In einem Beitrag erläutert der Sprecher der europäischen Arbeitsgemeinschaft für Invasionsbiologie Prof. Dr. Ingo Kowarik am Beispiel neuer Arten, dass der Naturschutz aktiv sowohl mit konservierenden und dynamischen Ansätzen umgehen muss. (PD)