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21.02.2017 | 13:20 | Feinstaubbelastung 

Grün-Schwarz beschließt Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab 2018

Stuttgart - Zur Verbesserung der stark mit Schadstoffen belasteten Luft in Stuttgart wird es ab 2018 Fahrverbote für viele Dieselfahrzeuge geben.

Dieselverbot
Im Kampf gegen die Luftverschmutzung setzt die Feinstaubmetropole Stuttgart im kommenden Jahr erstmals auf Fahrverbote für Dieselautos. Auch ohne die Einführung der blauen Plakette sollen die Fahrzeuge aus dem Zentrum verbannt werden. (c) proplanta
Betroffen sind Fahrzeuge, die nicht die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Grün-Schwarz einigte sich am Dienstag darauf, ab nächstem Jahr an Tagen mit extrem hoher Schadstoffbelastung etliche Straßen im Zentrum für viele Diesel-Fahrzeuge zu sperren. Das könnte tagelange Fahrverbote für Zehntausende von Autos bedeuten.

Das Verbot geht aus einem Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Luftqualität in der Landeshauptstadt hervor, den das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag beschlossen hat. Der Grünen-Politiker verteidigte die bisher schärfste Maßnahme gegen den Feinstaub. «Hier wird nichts verboten. Hier wird gesteuert und gelenkt», sagte er.

Gerichtsentscheidungen und drohende Strafzahlungen an Brüssel hätten Land und Stadt Stuttgart letztlich dazu gezwungen, schärfer gegen die Ursachen der anhaltend miesen Luft in Stuttgart vorzugehen, sagte Kretschmann. Plan A bleibe dabei die Einführung der blaue Plakette für schadstoffarme Autos, mit der vor allem schmutzigere Diesel-Fahrzeug aus den Innenstädten ausgesperrt werden könnten. Die Bundesregierung lehnt die blaue Plakette bisher ab. Eine Bundesratsinitiative wird nur von vier Ländern getragen.

Um Vorgaben des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu erfüllen, gibt es auch einen Plan B: Demnach soll das Verbot für Diesel-Fahrzeuge ohne Abgasnorm Euro 6 ab 2018 auf speziellen Strecken in der Innenstadt gelten und an Tagen mit sehr hoher Schadstoffbelastung. Allein in diesem Jahr waren das bisher mehr als 30 Tage. Der EU-Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Wird dieser Wert an mehr als 35 Tagen im Jahr gerissen, müssen die Behörden unter Androhung von Strafen durch die EU handeln. 2016 waren es 63 Überschreitungstage.

In Stuttgart sind laut Stadt 107.000 Dieselfahrzeuge zugelassen, 73.000 davon erfüllen nicht die Abgasnorm Euro 6. Das Land rechnet zwar damit, dass es für 20 Prozent der betroffenen Fahrzeuge Ausnahmeregelungen geben wird. Es geht aber zudem noch um viele Autos, die Stuttgart als Ziel haben. Die Einschränkungen sollen im Talkessel gelten sowie in Teilen Feuerbachs und Zuffenhausens.

Kritik kam von der FDP: Sozialpolitisch seien die Vorgaben mit dem Zwang zum Umstieg auf neue Fahrzeuge ein «verheerendes Signal», sagte FDP-Landeschef Michael Theurer. Ähnliche Stimmen kommen aus Reihen des Autoclubs ADAC: «Einseitige Fahrverbote können nicht per se die Lösung der Feinstaubprobleme in deutschen Großstädten sein», sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. «Sie gehen vor allem zu Lasten der vielen Autobesitzer, die in den vergangenen Jahren ein Diesel-Fahrzeug gekauft haben.»

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kündigte Ausnahmen etwa für den Lieferverkehr und Handwerker an, wenn der neue Luftreinhalteplan in Kraft tritt: «Niemand will Stuttgart lahmlegen.» Die Umsetzung der Maßnahmen werde nicht einfach. «Wir als Stadt setzen darauf, dass das Land uns dabei unterstützt.»

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz forderte vom Bund die Einführung der blauen Plakette: «Alle Untersuchungen belegen, dass sie den effektivsten Schutz der Menschen vor den Folgen von Feinstaub und Stickoxiden bringt.» CDU-Landtagsfraktion Wolfgang Reinhart sagte: «Das Wichtigste bei der Einigung ist: Es gibt keine allgemeinen Fahrverbote.» Man wolle den Verkehr nicht behindern.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch betonte, wichtiger als Fahrverbote sei etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Land und Stadt sind in der Pflicht, dem Verwaltungsgericht Stuttgart bis Ende Februar zu erklären, wie sie die Luft nachhaltig verbessern wollen. Die Feinstaubwerte sind in der Landeshauptstadt deutlich zu hoch. Die Behörden hatten zuletzt mit einer Reihe von freiwilligen Aktionen - wie preisreduzierten Fahrkarten für Busse und Bahnen - versucht, Fahrer zum Verzicht auf ihr Auto zu bewegen. Allerdings brachten die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg. Auch die Nutzung von sogenannten romantischen Kaminen, die nicht zum Heizen gebraucht werden, ist künftig verboten in Stuttgart.

Die EU-Kommission richtete gerade ein letztes Mahnschreiben an Deutschland, weil in insgesamt 28 Regionen - darunter Berlin, München, Hamburg und Köln - Grenzwerte für die Luftverschmutzung durch NO2 wiederholt überschritten wurden. Reagieren Deutschland und vier andere ermahnte EU-Staaten nicht binnen zwei Monaten, kann die Kommission Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union erheben.

Regierungschef Kretschmann erneuerte seine Forderung zur Einführung der blauen Plakette auf Bundesebene als «das wirksamste Instrument der Luftreinhaltung». Das habe ein Gutachten gezeigt. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach sich für eine solche Plakette zur Kennzeichnung schadstoffarmer Dieselfahrzeuge aus. «Das für Stuttgart gewählte Instrument ist im Vollzug vergleichsweise aufwendig, daher wären auch uns andere Lösungen lieber», sagte der Sprecher.

Für die blaue Plakette gibt es allerdings bislang keine Mehrheit im Bundesrat. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt es ab, mit einer neuen Plakette Dieselfahrzeuge aus den mit Stickoxiden und Feinstaub belasteten Innenstädten auszusperren. Der Vorschlag für die Fahrverbote an Feinstaubalarmtagen stamme allerdings von Dobrindt selbst, wie aus der Mitteilung der Landesregierung hervorgeht.

Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup kritisierte: «Dobrindt blockiert eine saubere Lösung der Luftprobleme vieler Städte und zwingt sie so zu unpraktischen und juristisch wackeligen Notmaßnahmen.» Der Stuttgarter Beschluss werde sich nur schwer umsetzen lassen. «Dobrindt darf der blauen Plakette nicht länger Steine in den Weg legen», forderte Austrup. Auch der Deutsche Städtetag machte sich für die Plakette stark.

Berlin und Nordrhein-Westfalen schließen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge nicht aus. Längerfristig führe kein Weg daran vorbei, besonders dreckige Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt herauszuhalten, sagte Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos).  «Die blaue Plakette ist dafür der beste und unkomplizierteste Weg.»

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) erklärte, es müsse geprüft werden, wie Stickoxid-Werte dauerhaft gesenkt werden können. Nach Möglichkeit würde er lieber auf Fahrverbote verzichten, um Autofahrer nicht «für die illegalen Machenschaften der Automobilhersteller» bezahlen zu lassen, sagte er in Anspielung auf manipulierte Abgaswerte.

Die Behörden in Stuttgart hatten zuletzt mit einer Reihe von freiwilligen Aktionen - wie preisreduzierten Fahrkarten in öffentlichen Verkehrsmitteln - versucht, Fahrer zum Verzicht auf ihr Auto zu bewegen. Allerdings brachten die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg.
dpa/lsw
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