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26.05.2008 | 08:25 | Weltnaturschutzkonferenz 

Halbzeit bei UN-Konferenz - Große Mühen für kleinen Wurf

Bonn - Halbzeit bei der Weltnaturschutzkonferenz in Bonn: Mehr als 6.000 Teilnehmer aus rund 200 Ländern haben nach einer Woche mühevoller Kleinarbeit schon Tonnen von Papier gewälzt und strittige Probleme eingegrenzt.

Halbzeit bei UN-Konferenz - Große Mühen für kleinen Wurf
Auch am Wochenende gab es keine Pause - Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) trommelte zu zusätzlichen Sitzungen. So viel scheint schon jetzt klar: Ein totales Scheitern dieser Mammutkonferenz zur biologischen Vielfalt wird es nicht geben, aber auch nicht den großen Wurf, um den rasanten globalen Schwund an ursprünglichen Naturräumen wie Urwäldern sowie von Tier- und Pflanzenarten nun mit konkreten Beschlüssen stoppen zu können.

Gleichwohl hat die UN-Konferenz das öffentliche Bewusstsein dafür geschärft, dass die Natur nicht weiter aus Profitgier oder in Missachtung ihrer Bedeutung für das Leben auf der Erde zum Nulltarif ausgebeutet werden darf. Gabriel brachte die Botschaft auf den Punkt: «Es geht um das blanke Überleben vieler Milliarden Menschen auf der Erde.» Einhellig wird von den Regierungsvertretern eine «gute und konstruktive Konferenzatmosphäre» hervorgehoben. Sie helfe, die Verhandlungen voranzubringen, sagte Gabriel. Er selbst hat dazu als Präsident nicht unwesentlich beigetragen. Der Chef der UN-Konvention für Biologische Vielfalt, Ahmed Djoghlaf, ließ kaum eine Gelegenheit aus, die deutschen Gastgeber und insbesondere Gabriel für eine präsente und entschlossene Verhandlungsführung zu loben.

Fortschritte sind mühsam und bedürfen einer Sisyphus-Arbeit. Ebenso wie bei den Klimaschutz-Konferenzen muss unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) auch bei dieser Biovielfalt-Konferenz ein Konsens zwischen allen 191 Vertragsparteien erreicht werden. Beim Zwang zur Einstimmigkeit müssen unterschiedliche nationale Interessen auf einen Nenner gebracht werden. Jede Blockade eines Landes kann das ganze Werk gefährden. Deshalb gab es in Bonn auch Stimmen, die diesen schwerfälligen Mechanismus hinterfragten und für neue Strukturen plädierten - allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. «Wenn wir hier das Fass für Mehrheitsentscheidungen aufmachen wollten, kämen wir erst gar nicht zu Sachfragen», hieß es aus der Verhandlungsführung.

Zu einem der Hauptpunkte der Konferenz, dem Zugang zu natürlichen Ressourcen und einem Ausgleich für ärmere Länder bei ihrer Verwertung, gab es Annäherungen. Ziel ist es, ein «Bonner Mandat» mit einem klaren Fahr- und Aktionsplan («Road Map») für weitere Verhandlungen zu formulieren, damit auf der nächsten Konferenz in Nagoya (Japan) 2010 ein Vertrag verabschiedet werden kann.

Entwicklungs- wie auch Industrieländer bräuchten endlich Rechtssicherheit darüber, nach welchen verbindlichen Regeln eine Gewinnbeteiligung an der Nutzung von Ressourcen - etwa von Pflanzen für die Pharmaindustrie - erfolgen solle, erläuterte Gabriel.

Eher verhärtet sind die Positionen zu anvisierten Schutzgebiets- Netzwerken zu Land und zu Wasser. Mit raschen Festlegungen ist hier nach Angaben aus Delegationskreisen auch nicht zu rechnen. Es gehe zunächst um Kriterien und die Vorbereitung von Entscheidungen.

Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisierten, dass die Industrieländer einschließlich der EU zu wenig Bereitschaft zur Finanzierung zeigten. Ohne Geldzusagen würden sich ärmere Länder nicht auf Schutzgebiete in ihren Territorien verpflichten lassen. Für Bewegung sorgte die von Gabriel präsentierte Initiative zu einem «Netz des Lebens» («Life Web»). Die Idee: Ärmere Länder bieten konkrete Schutzgebiete an, für die Industrieländer dann Geld geben.

Erste Angebote wurden auf der Konferenz bereits gemacht. Biosprit war wie erwartet heftig umstritten. Es sei das erste Mal überhaupt, dass dieses Thema auf einer internationalen Konferenz besprochen werde, sagte Gabriel. «Das ist schon ein Erfolg und ein Durchbruch.» Vor allem Brasilien bezweifelte, ob die Konferenz überhaupt darüber beraten dürfe, da dies den Rahmen der UN-Konvention sprenge. Später lenkte Brasilien ein, wollte sich als Erzeugerland aber nicht am Pranger sehen. Jetzt sollen ökologische Leitlinien für den Anbau von Bioenergiepflanzen erarbeitet werden. Die Umweltorganisationen hatten Biosprit zu einem ihrer Hauptthemen gemacht und einen Stopp für den Anbau gefordert, da er die Vielfalt der Nutzpflanzen und Regenwälder zerstöre und die Ernährung in ärmeren Ländern gefährde.

Diese Woche beginnt die heiße Phase der Verhandlungen. Dazu werden zum Ministersegment von Mittwoch bis Freitag weit mehr als hundert Umweltminister erwartet. Viel Hoffnung legen Umweltverbände in den Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die frühere Bundesumweltministerin kennt die besondere Dynamik solcher Konferenzen. Mit Appellen oder vielleicht auch einer neuen Geldzusage könnte sie noch einmal Schwung in die Verhandlungen bringen. (dpa)
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