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19.03.2023 | 13:31 | UBA-Prognose 

Hohe Düngerpreise und weniger Schweine mindern THG-Bilanz der Landwirtschaft

Berlin - Die Landwirtschaft hat ihre Treibhausgas-(THG)-Emissionen im vergangenen Jahr gegenüber 2021 um 1,5 % auf 62 Mio t CO2-Äquivalente (CO2e) reduziert.

THG-Emissionen
Umweltbundesamt legt erste Berechnungen der Treibhausgasemissionen für 2022 vor - Abwärtstrend auch insgesamt - Bisheriges Reduzierungstempo aber nicht ausreichend - Verkehrssektor verfehlt Minderungsziele - Verbände sehen sich in Warnung vor Biokraftstoff-Ausstieg bestätigt - NABU und Germanwatch fordern Eingreifen von Bundeskanzler Scholz. (c) proplanta
Das zeigt die „Prognose“ des Umweltbundesamtes (UBA), die am Mittwoch (15.3.) in Berlin vorgestellt wurde. Als Gründe führt das UBA die geringere Schweinebestandzahl sowie einen niedrigeren Einsatz synthetischer Düngemittel an. Diese Trends beeinflussten laut der UBA-Berechnung die THG-Emissionen aus der tierischen Verdauung, des Wirtschaftsdüngermanagements und aus der Nutzung landwirtschaftlicher Böden.

Bezogen auf alle Sektoren sind den Schätzungen der Behörde zufolge die THG-Emissionen 2022 um 1,9 % gesunken. Es wurden insgesamt rund 746 Mio t an Treibhausgasen freigesetzt. Deutschland habe damit in der Summe seine im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) festgelegten Zielwerte einhalten können, stellte UBA-Präsident Prof. Dirk Messner vor Journalisten fest.

Der Landwirtschaftssektor blieb deutlich unter der darin für ihn vorgeschriebenen Emissionsmenge von 67,6 Mio t CO2e. Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssten aber „von heute an jährlich 6 % Emissionen gemindert werden“, betonte Messner. Seit 2010 seien es im Schnitt nicht einmal 2 % gewesen.

Höhere Emissionen durch Milchproduktion



Während die Landwirtschaft ihre Minderungsziele deutlich erreicht habe, seien der Verkehrs- und der Gebäudesektor die Sorgenkinder, führte der UBA-Präsident aus. Im Bericht selbst heißt es zur Klimazielerfüllung durch die Landwirtschaft aber einschränkend, dass dies „teilweise auch infolge methodischer Änderungen seit Zielfestlegung“ erfolgt sei.

Im Einzelnen wird ausgeführt, dass die THG-Emissionen aus der tierischen Verdauung gegenüber 2021 um 0,2 % gestiegen seien. Dies sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Rinderbestände nur leicht gesunken und durch den Anstieg der Milchleistung die Emissionen aus dem Rinderbereich gestiegen seien. Der Rückgang der Schweinebestände um 10,2 % konnte dies laut UBA im Bereich der tierischen Verdauung nicht vollständig kompensieren.

Der Abbau der Schweinebestände war aber dagegen ausschlaggebend für den Rückgang der Emissionen aus dem Wirtschaftsdüngermanagement, und zwar um 3,2 % gegenüber 2021. Hier wirkte sich der Behörde zufolge der - geschätzte - gleichzeitige Anstieg der Milchleistung um etwa 3,1 % gegenüber 2021 zwar ebenfalls emissionssteigernd auf die Methan- und Lachgasemissionen der Milchkühe aus, aber nicht so stark, dass die emissionsmindernde Wirkung der abnehmenden Schweinebestände kompensiert wurde.

Weniger Harnstoff eingesetzt



Zur Mineraldüngung stellt das UBA in seinem Bericht fest, dass hier für 2022 um 11,4 % geringere Lachgasemissionen als im Vorjahr berechnet wurden. Grund dürften die hohen Düngerpreise gewesen sein, die zu einem geringeren Einsatz von Mineraldüngern führten.

Die vorjährige Ernte sei gemessen an den mittleren Hektarerträgen geringfügig besser ausgefallen als 2021, erklärt das Amt. Daraus ergebe sich eine Erhöhung der Stickoxidemissionen aus Ernteresten um 2,0 %. Für die Vergärung von Energiepflanzen und Lagerung von Gärresten standen laut dem UBA noch keine aktuellen Daten zur Verfügung, weshalb hierfür keine Änderung angenommen wurde. Die CO2-Emissionen aus der Harnstoffdüngung seien aufgrund der geringeren Verkaufsmenge um 7,3 % zurückgegangen.

Für die der Land- und Forstwirtschaft zugeordneten Fahrzeuge und sonstigen mobilen Emittenten wurde von einem verminderten Energieeinsatz ausgegangen. Ursächlich hierfür macht das Umweltbundesamt vor allem die deutlich höheren Kraftstoffpreise. Für die Fischerei übernahm es die Werte aus 2021. Übergreifend ergab sich daraus laut seinen Berechnungen ein Rückgang der dem Sektor hier zuzurechnenden THG-Emissionen um 4,5 % auf 4,267 Mio t im vorigen Jahr.

Noch schlechtere Zahlen erwartet



Im Unterschied zur Landwirtschaft lagen der Verkehrs- und der Gebäudesektor über ihren zulässigen Emissionsmengen für 2022. Der Verkehr ist der Bilanz des Umweltbundesamtes zufolge außerdem der einzige Sektor, der gleichzeitig sein Minderungsziel verfehlte und einen Emissionsanstieg verzeichnete.

Laut den UBA-Berechnungen hat der Verkehrssektor seine im KSG festgelegte Emissionsmenge um rund 9 Mio t CO2e überschritten. Zudem hätten die Emissionen um 0,7 % im Vergleich zu 2021 zugenommen.

Insgesamt „stimmt das Tempo noch nicht“, beklagte Messner. Alle Sektoren müssten künftig dazu beitragen, die Marke von 6 % zu schaffen. „In allen Handlungsfeldern gilt es jetzt, ohne Zögern den Klimaschutz zu verstärken und das mit konkreten Maßnahmen“, betonte auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck nach der Veröffentlichung. Er habe angesichts der Folgen des russischen Angriffskrieges „mit schlechteren Zahlen im Energiebereich gerechnet“, so Habeck.

Energiekrise hilft



Der UBA-Präsident stellte außerdem fest, dass der Ukraine-Krieg die Klimapolitik schwieriger gemacht habe, da die Sicherheitspolitik in den Fokus gerückt sei. Allerdings habe die Energiekrise die erneuerbaren Energiequellen gestärkt.

Laut den UBA-Berechnungen wurden 2022 deutlich mehr erneuerbare Energien genutzt als in den Jahren davor. Um jedoch die Ausbauziele des Bundeswirtschaftsministeriums zu schaffen, sei auch hier eine höhere Geschwindigkeit nötig, mahnte Messner.

Biokraftstoffe für Klimaschutz unerlässlich



Derweil sehen sich die Verbände der Bioenergiebranchen durch die THG-Bilanz 2022 in ihrer Warnung vor einem Ausstieg aus Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse bestätigt. Biokraftstoffe hätten die CO2-Emissionen im Verkehr im vergangenen Jahr um mehr als 10 Mio t gemindert, hob der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID) hervor.

Ohne Biokraftstoffe wäre die im KSG vorgegebene Höchstmenge um weitere 11 Mio t CO2e überschritten worden, rechnete die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) vor. Wolle man die Klimaschutzziele erreichen, müsse man auch Biokraftstoffe weiterhin nutzen, so der Tenor.

Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) wies darauf hin, dass sich der Fahrzeugbestand nur langsam verändere. Die notwendigen CO2-Minderungen im Verkehr könnten kurz- und mittelfristig daher am besten durch alternative emissionsarme Kraftstoffe erreicht werden.

Höhere Strafgelder drohen



Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) gab auch zu bedenken, dass Deutschland im Verkehrssektor mit der immer größer werdenden Lücke zwischen den durch das Gesetz erlaubten Emissionen und dem tatsächlichen THG-Ausstoß zudem gegen die Vorgaben der europäischen Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation - ESR) verstoße. Dies werde für den Bundeshaushalt kostspielig, denn die Bundesregierung müsse Verschmutzungsrechte von EU-Mitgliedstaaten kaufen, die ihre Vorgaben aus der ESR übererfüllten.

So musste Deutschland bereits für die verfehlten Klimaziele in den Jahren 2013 bis 2020 mehrere Millionen Euro zum Ausgleich zahlen. Dies geschah, indem Emissionsrechte von EU-Staaten gekauft wurden, die ihre Klimaziele übererfüllt hatten. Zu diesen zählten Bulgarien, Tschechien und Ungarn.

Kritik an Wissing



Vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) kam derweil Kritik an der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing. „Es ist wohl nicht mehr zu erwarten, dass er in seiner Amtszeit noch ernsthafte Klimaschutzambitionen entwickelt“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Laut Krüger muss deshalb Bundeskanzler Olaf Scholz „seiner Führungsrolle gerecht werden und „die Wende erzwingen“.

Ähnlich sieht es die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die angesichts der THG-Zahlen ein Handeln der Bundesregierung einfordert. „Beim Koalitionsgipfel in knapp zwei Wochen erwarten wir von der Ampel klare Antworten auf die hausgemachten Probleme beim Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden“, so der politische Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. Auch er betonte, dass der Bundeskanzler das „nötigenfalls mit seiner Richtlinienkompetenz durchsetzen“ müsse.
AgE
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