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27.08.2016 | 06:57 | Lichtverschmutzung und Windkraftanlagen 

Internationale Fledermausnacht - lautlose Jäger in Gefahr

Berlin - Behutsam streicht Christian Voigt dem Großen Abendsegler über das Rückenfell. Das Fledermausmännchen zeigt seine spitzen Zähne, verhält sich aber ganz ruhig.

Fledermaus
Forscher schätzen, dass jährlich etwa eine Viertelmillion Fledermäuse an Windrädern sterben. Doch es gibt noch mehr Gefahren für die nächtlichen Jäger. Die Internationale Fledermausnacht will aufklären. (c) cheri131 - fotolia.com
Gleich werden Voigts Kollegen dem Tier einen kleinen GPS-Sender auf den Rücken kleben. Vier Tage lang soll der Große Abendsegler ihn mit sich tragen. «Wir wollen untersuchen, wie Fledermäuse auf die Lichtverschmutzung reagieren», erklärt Voigt.

Die Forscher statten die nachtaktiven Säuger zum einen hier, in einem brandenburgischen Kiefernwald, in dem es nachts richtig dunkel wird, mit Sendern aus. Außerdem bekommen Artgenossen in Berlin-Marzahn Messgeräte. Dort sind die Tiere wegen der vielen Hochhäuser und der Straßenbeleuchtung viel künstlichem Licht ausgesetzt.

«Abendsegler sind von der Lichtverschmutzung besonders betroffen, da sie in der Dämmerungsphase jagen und diese durch die künstliche Beleuchtung deutlich verlängert wird», erklärt der Verhaltensforscher, der mit seinen Kollegen die Flugpfade und Aktivitätsrhythmen der Tiere messen und Empfehlungen für eine wildtierfreundliche Beleuchtung in Städten erarbeiten will.

Die Daten aus dem Wald wollen die Wissenschaftler auch für ihre weitere Forschung zu Windkraftanlagen nutzen. Diese seien eine noch viel größere Gefahr. Voigt schätzt, dass an den mehr als 26.000 Windrädern in Deutschland jährlich mehr als 250.000 Fledermäuse sterben. Ruth Petermann vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) hält das für realistisch: «Es könnten allerdings auch 100.000 Fledermäuse mehr oder auch weniger sein, da es nur eine sehr grobe Hochrechnung ist.»

Der Trend, die Anlagen zunehmend auch in Wäldern aufzustellen, könnte die Zahlen erhöhen, fürchtet Voigt. Tödlich seien nicht nur Kollisionen mit den Rotorblättern: «Viele Tiere sterben auch durch die starken Luftdruckänderungen in der Nähe der Anlagen. Dadurch zerreißen die inneren Organe und die Fledermäuse verbluten innerlich.» In einer Pilotstudie fanden die Forscher heraus, dass vor allem Weibchen von den Anlagen angezogen werden. «Eine Erklärung dafür ist, dass die baumbewohnenden Tiere nach der Wochenstubenphase, in der sie ihre Jungen aufzogen, neue Quartiere suchen und die Anlagen fälschlicherweise für große, abgestorbene Bäume halten.»

Um das Risiko zu minimieren, bedarf es den Angaben zufolge nur kleiner Veränderungen beim Betrieb der Anlagen. Denn die Fledermäuse fliegen meist nur, wenn es nicht zu kalt und nicht zu windig ist. «Getötete Fledermäuse fehlen in einer Population schmerzlich, denn die Tiere vermehren sich nur sehr langsam», betont Voigt. Außerdem seien sie nützlich. Neben Mücken vertilgen sie auch massenweise Käfer und Raupen an Nutzpflanzen. «Sie vollbringen damit eine enorme Ökosystemdienstleistung, die Landwirte sehr schätzen sollten.»

Für Interessierte, die die Tiere aus nächster Nähe kennen lernen wollen, organisiert der Naturschutzbund (Nabu) am 27. und 28. August die Internationale Fledermausnacht. Bei Festen, Führungen und anderen Aktionen können die Besucher mehr über die lautlosen Jäger erfahren. Die Aktion ist Teil der «International Batnight» von Eurobats, einem Übereinkommen zum Schutz der Europäischen Fledermäuse.

In Deutschland kommen laut Bundesverband für Fledermauskunde etwa 25 von weltweit knapp 1.400 bekannten Fledermausarten vor, die hierzulande alle streng geschützt sind. «18 von ihnen sind gefährdet bis vom Aussterben bedroht», sagt Mitgründer Marcus Fritze. Auch Nahrungsmangel und Wohnungsnot machten den Tieren zu schaffen.

Pestizide reduzierten die Zahl der Insekten und somit die Nahrungsquelle. «Durch die Monokulturen in den Wäldern gibt es zudem zu wenige alte Höhlenbäume.» Auch Abriss und Sanierung von alten Gebäuden ohne Rücksicht auf den Artenschutz seien problematisch.

Der Nabu vergibt seit Jahren die Plakette «Fledermausfreundliches Haus» an Menschen, die den Nachtschwärmern etwa in Kellern oder auf Dachböden Quartiere bieten. Für Kirchgemeinden, die Tiere in Kirchtürmen leben lassen, gibt es ebenfalls Ehrungen. «Der Nabu hat inzwischen mehr als 2.900 Häuser und über 900 Kirchtürme ausgezeichnet», berichtet Fledermausreferent Sebastian Kolberg.

Umweltschutzverbände setzten sich seit den 1980er Jahren verstärkt für Fledermäuse ein, deren Bestände zuvor durch intensive Land- und Forstwirtschaft sowie Insektizide stark minimiert worden waren. Kolberg: «Heute sind die Bestände in Deutschland einigermaßen stabil, wenn nichts getan wird, drohen sie aber wieder rückläufig zu werden.»

Wie viele Fledermäuse insgesamt in Deutschland leben, weiß niemand. Die nachtaktiven Jäger sind schwer zu beobachten. Die Bundesländer liefern laut Petermann zwar alle sechs Jahre Daten für den Nationalen Bericht nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. «Diese geben für die meisten Fledermausarten allerdings keine genaue Auskunft über die Größe der jeweiligen Population», so Petermann. Bisher seien nur für eine Art, das Große Mausohr, nach einem abgestimmten Konzept von Ehrenamtlern bundesweit Daten erhoben worden, die zuverlässige Aussagen zur Bestandsentwicklung ermöglichten. Das BfN sei bestrebt, das Fledermausmonitoring auszubauen.
dpa
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