Der Friseur hat es schon gehört und auch die Nachbarin orakelt: Dieser Winter werde grauenhaft, ein «Jahrtausendwinter», viel schlimmer noch als der eisige Winter des vergangenen Jahres. Dieses eisige Szenario geht vor allem auf russische Meteorologen zurück.
«Im Januar und Februar werden im europäischen Teil des Landes Temperaturen von mindestens minus 30 Grad Celsius wohl keine Seltenheit sein», sagt etwa Alexander Frolow von der staatlichen Wetterbehörde Rosgidromet. Ähnliches prognostiziert der Forscher Igor Janizki. Ein Grund sei die Abkühlung des Golfstroms als Folge der Ölkatastrophe im
Golf von Mexiko, sagte der Leiter des Zentrums für Umwelt und geophysikalische Prozesse in Moskau.
Russische Wetterforscher verstehen viel von Eiseskälte, von einer derartigen Winterprognose ist dennoch nichts zu halten. Da sind sich die Experten hierzulande einig. «Das darf man nicht so ernst nehmen», sagt Klimaforscher Erich Roeckner vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Bei den Prognosen sei wohl viel Profilierungssucht im Spiel. «Die Langfristprognose steckt noch in den Kinderschuhen», betont auch Martin Jonas, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (
DWD) in Offenbach. «Grundsätzlich gilt deshalb für alle diese Vorhersagen: Seriös sind sie nicht.»
Wie der Winter in Deutschland wird, hängt zu einem großen Teil von der sogenannten Nordatlantischen Oszillation (NAO) ab, der Schwankung des Luftdrucks zwischen Island und den Azoren. «Sie ist im Grunde genommen ein Maß für die Stärke des Westwinds», erläutert Roeckner. Ist die Druckdifferenz groß, pfeift der Wind stärker nach Mitteleuropa hinein - und hält die aus dem Osten heranströmende Kälte besser in Schach. «Warme und feuchte Luft wird dann vom Atlantik nach Deutschland transportiert.»
Wie sehr sich der Luftdruck von Azoren und Island im Januar oder Februar unterscheiden wird, kann man nur raten. «Das ist überhaupt nicht vorhersagbar über die normale Wettervorhersage hinaus», sagt Roeckner. «Ohnehin ist die Oszillation nur entscheidend, wenn nicht gerade andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen», ergänzt Jonas. Das könne etwa ein Tiefdruckgebiet über dem Atlantik sein. «Aber egal, ob Luftdruck, Golfstrom oder Oberflächentemperatur der Meere: Die Daten liefern immer nur Indizien, schwache Indizien, dass etwas so oder so passieren könnte.»
Im vergangenen Winter etwa sei schließlich die Schneedecke zu einem wichtigen Faktor geworden, die viel Sonnenlicht zurückgestrahlt habe. «Eine Schneedecke sorgt immer dafür, dass es weiter auskühlt, dass sich der Boden nicht erwärmt und die Luft auch nicht», sagt Jonas. Bei einer weitflächigen Schneedecke könne diese allein schon dafür sorgen, dass der Winter kälter werde. «Es muss erst mal so kalt sein, dass Schnee fällt und sich hält. Dann kann dieses selbstverstärkende System greifen. Die Schneedecke sorgt für ihren eigenen Erhalt.» In der Folge könne es zu Wintern kommen, die als extrem und lange empfunden werden.