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20.09.2014 | 15:58 | Nationalschätze 
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Japaner kämpft für Wölfe und Wälder

Izu - Einst galt er den Japanern als Gottheit, seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts ist er ausgestorben. Jetzt kämpft ein Japaner für die Rückkehr des Wolfes - und damit für die Rettung der bedrohten Wälder.

Wölfe in Japan
(c) proplanta
In Japans weltberühmter Touristen-Hochburg Nara leben sie als geschützte Nationalschätze zwischen Tempeln und Schreinen.

Doch im Rest des fernöstlichen Inselreiches sind viele Japaner auf Rehe alles andere als gut zu sprechen. Dort fallen die Tiere über die riesigen Wälder des Landes her, fressen sich auf den Gemüsefeldern der Bauern durch und richten so Jahr für Jahr immer größere Schäden an, zuletzt mehr als 8 Milliarden Yen (58 Millionen Euro).

Rehe werden zu solch einer Plage, dass der Staat jetzt zur Mobilmachung bläst. Über die nächsten zehn Jahre will die Regierung die Population halbieren. Doch es mangelt an Jägern.

«Die einzige wirksame Lösung wäre der Wolf», sagt Naoki Maruyama. Der Ehrenprofessor für Landwirtschaft und Technologie an der Agrar-Universität in Tokio ist Japans leidenschaftlicher Kämpfer für die Wiederansiedlung des Wolfes.

Das letzte Mal, dass ein Wolf in Japan gesichtet wurde, war im Jahr 1905. Seither gilt er als ausgestorben. Da Rehe wie auch Wildschweine keinen natürlichen Feind mehr haben, vermehren sie sich schnell. Inzwischen gebe es fast drei Millionen Rehe, jedes Jahr steige die Zahl um etwa 20 Prozent, so Maruyama. Japan könne gar nicht so viele Jäger wie nötig ausbilden, um dem Problem Herr zu werden.

Gab es in den 70er Jahren in Japan noch mehr als 500.000 Menschen mit einer Jagdlizenz, sind es heute als Folge der rapiden Überalterung und der Landflucht gerade mal noch 100.000. «Früher haben die Menschen neben der Land- und Forstwirtschaft gejagt. Doch heute sind die Dörfer kleiner, die ländliche Bevölkerung schrumpft und wird immer älter», erklärt Maruyama.

Die Regierung in Tokio will daher nun auch Jugendlichen im Alter um 18 Jahre erlauben, Fallen zu stellen. Zudem soll die Abschusszeit auf die Nachtstunden ausgeweitet werden. Doch viele haben gar kein Interesse, die Jagd gehört zu den sogenannten 3-K-Jobs: kitanai, kitsui, kiken - schmutzig, anstrengend, gefährlich.

Für Maruyama alles Gründe, den Wolf wieder ins Land zu holen. Doch bei der Zentralregierung in Tokio sieht man das anders. «Das Thema Wiedereinführung von Wölfen ist zwar im Parlament angesprochen worden, aber wir erwägen es nicht», macht Koji Matsuo von der Abteilung Tierschutz im Umweltministerium deutlich. «Es gibt verschiedene Nachteile, die befürchtet werden, falls man die Tiere, die seit 100 Jahren nicht mehr in Japan leben, wieder einführt».

Wölfe würden nicht nur Nutztiere wie Schafe reißen, wobei sich die Frage stelle, wer für die Entschädigung aufkäme. Sondern sie griffen «vielleicht auch Haustiere und Menschen an». Abgesehen davon sei ungewiss, «inwiefern die Wölfe beitragen würden, die Zahl der Rehe zu reduzieren», so der Regierungsbeamte.

Doch Maruyama lässt all dies nicht gelten. Unermüdlich reist er landauf, landab, um den Menschen die Ängste zu nehmen und verweist dabei stets auf das Beispiel Deutschland. Dort habe er beim Besuch des Naturschutzbundes Nabu selbst erfahren, dass Wölfe Menschen meiden. Auch die Sorge, Wölfe würden Schafe reißen, ziehe nicht.

«Das ist zwar das einzige gültige Argument gegen den Wolf. Aber es gibt in Japan heute nur noch etwa 10.000 Schafe, die Hälfte davon im Norden auf Hokkaido», sagt er. Man könne einfach Hunde wie in Deutschland zum Schutz einsetzen oder Zäune um die Schafe ziehen. Doch mit diesen Argumenten komme er gegen die Bürokraten derzeit nicht an.

«Sie wollen einfach nichts Neues ausprobieren», klagt der Experte. Dabei wurde der Wolf in Japan vor Jahrhunderten in der Urreligion des Shinto als eine von vielen Gottheiten verehrt, so wie auch die Berge. Doch mit der Öffnung Japans zum Westen und dem Beginn der Modernisierung begann die damalige Meiji-Regierung, Wölfe gnadenlos zu jagen. Im Zuge des Staats-Shinto mit dem Kaiser (Tenno) an der Spitze wollten die Herrscher nicht, dass es neben dem Tenno auch Wölfe als Götter gibt, wie Maruyama erklärt.

Und so wurde der Wolf schon bald ausgerottet. Doch je größer die Schäden durch Rehe und Wildschweine werden, desto mehr hören die betroffenen Menschen auf dem Lande Maruyamas Worten zu. «In unseren Umfragen sprechen sich inzwischen 40 Prozent für die Wiederansiedlung aus», zeigt sich der Wolf-Experte optimistisch. Auch das wachsende Bewusstsein, dass die riesigen Wälder in Japan in einem bedauerlichen Zustand seien, helfe seinen Bemühungen.

Nach dem Krieg wurden die Wälder für den Wiederaufbau des Landes gerodet und großflächig mit Zedern sowie Zypressen aufgeforstet. Als Folge seien 40 Prozent der Wälder heute «künstlich», sagt Maruyama.

Doch die Wälder werden nicht mehr ausreichend gepflegt. Bäume stehen oft zu dicht und wachsen daher zu dünn. Das Wurzelwerk ist entsprechend klein und hält den Boden nicht mehr ausreichend fest - die Folge sind Erdrutsche bei starkem Regen. Eine weitere Auswirkung der Zedern-Monokultur ist, dass die Bevölkerung Japans alljährlich massiv unter «kafunsho», Pollenflug, leidet.

Doch um die natürlichen Wälder wiederherzustellen, muss man die Zedern abholzen. «Die nachwachsenden Gräser und Büsche werden jedoch dann von den Rehen gefressen, die sich dadurch noch mehr vermehren», erklärt Maruyama und schlussfolgert: «Es gibt einfach keinen anderen Weg als die Wiederansiedlung von Wölfen, wenn man die natürlichen Wälder in diesem Land wieder herstellen will.» (dpa)
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Kommentare 
ak schrieb am 06.10.2014 09:30 Uhrzustimmen(118) widersprechen(85)
Herr Professor N. Maruyama sollte sich Unterstuetzung bei der Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt holen. Dort wurde die Wiedereinbürgerung von Wölfen u.a. in Deutschland und in anderen Ländern erfolgreich praktiziert und man ist sicher gerne behilflich bei diesem Problem in Japan. Gerne kann ich entsprechende Ansprechpartner vermitteln. A.Kautz
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