Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wertete den Sonderbericht zu
Klimawandel und
Landnutzung am Donnerstag als Beleg dafür, dass Deutschland mehr Ökolandbau, mehr Moore und nachhaltiger bewirtschaftete
Wälder brauche. Dem Bericht des Weltklimarats (IPCC) zufolge waren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung von 2007 bis 2016 weltweit für rund 23 Prozent, also fast ein Viertel der gesamten vom Menschen verursachten Netto-Ausstöße von Treibhausgasen verantwortlich.
In Deutschland liegt der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasen bei etwa 7 Prozent.
Agrarministerin Julia Klöckner (
CDU) kündigte noch für dieses Jahr eine neue «Ackerbaustrategie» an, die den Beitrag zum
Klimaschutz ausbauen solle. «Ressourcen- und Klimaschutz müssten mit Ertrags- und Erntesicherung zusammengebracht werden», mahnte sie auch angesichts der rund 820 Millionen hungernden Menschen weltweit. Land- und Forstwirtschaft seien nicht nur Beteiligte, sondern auch vom Klimawandel besonders betroffen.
Umweltministerin Schulze mahnte, dem seit Jahren gültige Ziel von 20 Prozent
Ökolandbau in Deutschland müsse man endlich näher kommen - aktuell sind es rund 9 Prozent. Dafür brauche es auch andere Anreize aus der milliardenschweren EU-Agrarförderung, über die in Brüssel verhandelt wird. Der Bericht zeige auf, dass die verantwortliche Generation in der Politik noch die Möglichkeit habe, umzusteuern: «Wir wissen genug, um zu wissen, was wir jetzt tun müssen.»
Bauernpräsident
Joachim Rukwied sagte, die Landwirtschaft müsse weltweit mehr
Lebensmittel auf den vorhanden Flächen erzeugen und dabei weniger
Treibhausgase ausstoßen, statt für neue
Agrarflächen Wälder abzuholzen. Dem stehe das neue
Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur und der Europäischen Union entgegen, mahnte er - Kritiker gehen davon aus, dass es die Nachfrage nach argentinischem Rindfleisch steigern könnte.
Um Abholzung zu vermeiden forderte Entwicklungsminister Gerd Müller, nur noch nachhaltiges Soja und Palmöl in die EU zu importieren. Der CSU-Politiker sagte der Funke Mediengruppe, Deutschland müsse im kommenden Jahr zusätzlich 500 Millionen Euro in den internationalen Klimaschutz investieren.
Ernährungssicherung und Klimaschutz seien die Überlebensfragen der Menschheit. «Wir müssen jetzt handeln und den Menschen ein Überleben in ihrer Heimat sichern», forderte er.
Auch das Bundesforschungsministerium sieht Handlungsbedarf. «Langfristig brauchen wir weitere Anstrengungen der Wissenschaft, um beispielsweise dürreresistente Pflanzen zu züchten oder Nahrungsmittel-Ketten zu entwickeln, die zu geringeren Verlusten nach der Ernte führen», sagte Staatssekretär Georg Schütte.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte den Bericht «ein weiteres Alarmsignal». Sie erwarte, dass das Klimakabinett der Bundesregierung im September «wirklich relevante Vorschläge» auch zur
Flächennutzung beschließe. «Der Bericht zeigt: Wir brauchen jetzt eine Regierung, die wirklich beherzt handelt», sagte sie.
Auch zahlreiche
Umweltverbände riefen die Politik auf, in der Landwirtschaft und sonstigen Landnutzung auf mehr
Nachhaltigkeit zu setzen. «Die Klimakrise verstärkt Probleme für unsere Landnutzung und Ernährungssicherheit massiv - während unsere Art und Weise der Landnutzung wiederum die Klimakrise anheizt», sagte WWF-Experte Rolf Sommer. Dieser «Teufelskreis» müsse durchbrochen werden.
Der Bericht zeige, dass ein gesundes Klima «nicht nur
Windräder, sondern auch eine andere, sanftere Landwirtschaft» brauche, sagte Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring. «Eine Politik, die die Welt mit billigem Fleisch ernähren will, fährt das Klima vor die Wand.» Denn der dafür notwendige
Sojaanbau und die entstehende
Gülle zerstörten weltweit wertvolle Böden und heizten dem Klima ein.
Konsumverhalten ändern - Klima schützen
* Die bereitgestellte Menge an Pflanzenölen und Fleisch für die Menschen hat sich seit 1961 pro Kopf mehr als verdoppelt. Es werden zudem für jeden Menschen im Durchschnitt rund ein Drittel mehr Kalorien hergestellt.
* Zugleich gehen derzeit 25 bis 30 Prozent aller Nahrungsmittel verloren oder werden verschwendet.
* Veränderungen des Konsumverhaltens haben dazu geführt, dass heute rund zwei Milliarden Erwachsene übergewichtig oder fettleibig sind. Schätzungsweise 821 Millionen Menschen sind immer noch unterernährt.
* Von 1961 bis 2013 ist der Anteil der Trockengebiete, die von Dürren betroffen sind, im Schnitt um etwas mehr als 1 Prozent pro Jahr gestiegen.
* Seit dem vorindustriellen Zeitalter (1850-1900) bis zum Zeitraum 2006-2015 ist die mittlere Lufttemperatur auf den Landoberflächen im Schnitt um 1,53 Grad Celsius gestiegen. Zählt man Ozeane und Land zusammen, dann stieg sie in diesem Zeitraum im Schnitt um 0,87 Grad.
* Die Vegetation in Asien, Europa, Südamerika, dem mittleren Nordamerika sowie Südostaustralien ist nach Satellitenbeobachtungen in den vergangen drei Dekaden grüner geworden, weil es dort eine größere Masse an Photosynthese treibenden Pflanzen gibt (Photosynthese betreiben etwa Blätter, wenn sie mit Hilfe von Licht Kohlendioxid,CO2, in Zucker umwandeln). Gründe dafür sind unter anderem längere Vegetationsperioden und die landwirtschaftliche Bearbeitung von Flächen.
* Im nördlichen Eurasien, in Teilen Nordamerikas, Zentralasiens und dem Kongobecken wird die Vegetation wegen Wasserknappheit brauner.
* Der Klimawandel wirkt sich bereits jetzt schon auf die Nahrungsmittelsicherheit aus - etwa durch Erwärmung, Änderung der Niederschlagsmuster und eine höhere Frequenz einiger Extremwetter.
* Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung (AFOLU) waren von 2007 bis 2016 für 23 Prozent der gesamten vom Menschen verursachten Netto-Ausstöße von Treibhausgasen verantwortlich. Beim Kohlendioxid waren es rund 13 Prozent, beim Methan 44 Prozent und beim Lachgas (Distickstoffmonoxid) 82 Prozent.
* Mit der Erderwärmung wird die Häufigkeit, Stärke und Dauer von Klimaereignissen in Verbindung mit Hitze, wie etwa Hitzewellen, im 21. Jahrhundert steigen.
* Vor allem in der Mittelmeerregion sowie im südlichen Afrika werde es häufiger zu Dürren kommen, in vielen Regionen werde es zudem häufiger extreme Regenfälle geben.
* Durch Änderungen im Ernährungssystem - von der Nahrungsmittelproduktion bis zum Verbrauch - kann sich die Menschheit an den Klimawandel anpassen und ihn abschwächen.
* Eine ausgewogene Ernährung, die auf Pflanzen sowie auf nachhaltig produzierten Tierprodukten basiert, kann zur Anpassung an den Klimawandel und seiner Milderung beitragen. Zugleich ergeben sich gesundheitliche Vorteile für den Menschen. Wenn weniger Lebensmittel verschwendet werden, sinkt auch der Ausstoß von Treibhausgasen.