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25.12.2017 | 12:43 | Trinkwasserforschung 

Mikroplastik im Trinkwasser: Wie gefährlich ist das wirklich?

Bad Elster - Auf dem Computerbildschirm erscheinen die kleinen Zellen. Vor dem Computer sitzen die Trinkwasserforscher und begutachten die Bilder, die aus einem Lebendzellen-Mikroskop stammen.

Mikroplastik im Trinkwasser
Die Teilchen sind winzig. Sind die trotzdem gefährlich? Das Bundesumweltamt in Bad Elster untersucht die Auswirkung von Mikroplastik im Trinkwasser auf den Menschen. Zwischenergebnisse lassen aufhorchen. (c) proplanta
Im Umweltbundesamt (UBA) im vogtländischen Bad Elster schaffen Leiterin Tamara Grummt und ihre Kollegen die Bedingungen dafür, dass die Zellen über einen längeren Zeitraum überleben - und füttern sie zusätzlich mit Mikroplastikpartikeln. Sie wollen sehen, was dabei passiert.

«Wir arbeiten mit Zellkulturen, die den menschlichen sehr nahe sind. Dadurch bekommen wir verwertbare Ergebnisse», erläutert die Wissenschaftlerin. Seit 2016 läuft das Forschungsprojekt zu Mikroplastik im Wasserkreislauf. Es endet im Februar 2019.

Ein Zwischenergebnis lässt jetzt schon aufhorchen: Mikroplastik kann Störungen in menschlichen Zellen verursachen. «Wir konnten nachweisen, dass die Partikel von den Zellen aufgenommen werden, sich dazwischen anreichern und die Kommunikation stören», sagt Abteilungsleiterin.

Am Ende will das sechsköpfige Team um Tamara Grummt eine fundierte Einschätzung liefern, ob Mikroplastik eine Gesundheitsgefahr ist. Die gestörte Kommunikation zwischen den Zellen und Entzündungsreaktionen könnten darauf hindeuten, sagt Grummt.

Sie leitet in Bad Elster die Abteilung «Toxikologie des Trink- und Badebeckenwassers» und forscht seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Als studierte und promovierte Biologin erstellt sie Richtlinien für Trink- und Schwimmbeckenwasser, hält Vorträge darüber und Seminare.

Sie warnt aber vor Hysterie: «Das Trinkwasser hat sich im Laufe der Jahre nicht verschlechtert. Aber es kommen neue Spurenstoffe dazu wie Arzneimittelreste oder auch Mikroplastik, die wir bewerten müssen.»

Dazu sei das aktuelle Verbundprojekt «Mikroplastik im Wasserkreislauf (MiWa) - Probennahme, Probenbehandlung, Analytik, Vorkommen, Entfernung und Bewertung» mit Partnern aus ganz Deutschland ein wichtiger Schritt. Hochschulen, Wasserbetriebe und andere Forschungseinrichtungen beteiligen sich daran. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Plastikabfälle sind ein weltweites Problem. Tüten und Flaschen verschmutzen die Kontinente und schwimmen in den Meeren. Zersetzen sie sich mit der Zeit, entsteht Mikroplastik. Die Kleinstteile gelangen aber auch durch Haushaltsprodukte wie Kosmetika in den Wasserkreislauf. Sien sie inzwischen im deutschen Trinkwasser nachweisbar?

«Bei unseren ersten Untersuchungen vor drei Jahren haben wir nichts gefunden. Damals standen wir aber am Anfang», sagt Dr. Ulrike Braun von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, die sich ebenfalls an der aktuellen Mikroplastikstudie beteiligt.

In den nächsten Monaten sollen weitere Trinkwasserproben folgen. Denn inzwischen gebe es neuere und schnellere Messverfahren, ergänzt Braun als Leiterin der analytischen Untersuchungen. Erste Proben aus deutschen Gewässern, aus Kläranlagen und vom Oberflächenwasser, zeigten bereits Spuren. «Da ist etwas. Aber es ist zu früh, um zu beurteilen, wie aussagekräftig die Funde sind», sagt Braun.

Ungefähr zehn Millionen Tonnen Kunststoffe in unterschiedlichster Form kommen jedes Jahr in Deutschland neu auf den Markt, heißt es in der Beschreibung des Mikroplastik-Verbundprojektes. Durch den langsamen Abbauprozess könnten diese mehrere hundert Jahre in den Ökosystemen Spuren hinterlassen. Dass sie auf Mensch und Umwelt einwirkten, werde sich nicht mehr völlig vermeiden lassen. Vermutlich könnten Kunststoffe als Marker unseres Zeitalters noch in ferner Zukunft nachweisbar sein.
dpa/sn
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