Seit nun schon zwölf Jahren fällt im Sauerland weniger Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt. Gleichzeitig ist der Verband per Gesetz verpflichtet, auch in längeren Trockenzeiten mit Wasser aus seinen Talsperren eine bestimmte Wassermenge in der Ruhr zu garantieren.
Die Gründe sind existenziell: Mit dem von 18 Wasserwerken entlang der Ruhr gewonnenen Wasser müssen 4,6 Millionen Menschen versorgt werden. Gleichzeitig muss die Ruhr die geklärten Abwässer von 63 Kläranlagen aufnehmen und für deren weitere Verdünnung sorgen.
Eine
Gesetzesänderung soll dem Verband jetzt das Wassermanagement in den Talsperren erleichtern und die Versorgungssicherheit erhöhen. «Es ist für uns ein außergewöhnlich wichtiges Projekt», sagt Norbert Jardin (61), Vorstandsvorsitzender des in Essen beheimateten Wasserwirtschaftsverbands.
Der Ruhrverband will erreichen, dass er dauerhaft weniger Wasser in der Ruhr garantieren muss. Dafür muss das Ruhrverbandsgesetz aus dem Jahr 1990 geändert werden, das bestimmte Durchflussmengen vorschreibt. Ausnahmen in Dürrezeiten sind nur mit aufwendigen Anträgen möglich.
Relevant sind die Wassermengen am Pegel in Schwerte-Villigst und auf der Gewässerstrecke vom Pegel Hattingen bis zur Ruhrmündung. In beiden Fällen gelten sogenannte «Mindestabflüsse», also festgelegte Mindestwassermengen. So dürfen etwa in Villigst im Fünf-Tage-Schnitt regulär nicht weniger als 8,4 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fließen.
Zum Vergleich: Der sogenannte mittlere Durchfluss liegt dort bei 27,9 Kubikmetern pro Sekunde. Um für den
Klimawandel gerüstet zu sein, schlägt der Ruhrverband eine dauerhafte Absenkung der Mindestwerte vor.
Damit die Mindestmengen auch bei länger ausbleibendem Regen fließen können, wenn die Nebenflüsse der Ruhr nicht mehr genügend Wasser heranführen, schießen die acht Talsperren Wasser zu. Dies führte im Dürrejahr 2018 trotz genehmigter Absenkung dazu, dass die Talsperren Anfang Dezember nur noch zu 42 Prozent gefüllt waren und damit so wenig Wasser wie zuletzt im Hitzesommer 1976 gespeichert hatten.
«Da gingen bei uns alle Alarmanlagen an», sagt Jardin. Um zu verdeutlichen, wie sehr die Ruhr auf das Wasser aus den Talsperren angewiesen ist, weist der Verband schon seit mehreren Jahren darauf hin, dass der Fluss ohne die riesigen Speicher an bestimmten Stellen im Sommer gleich mehrfach trockengefallen wäre.
Ein Qualitätsproblem sieht der Ruhrverband nicht. Während der zeitweisen Verringerung der Abflussmengen in den vergangenen Jahren habe man keine signifikanten Beeinträchtigungen der Gewässergüte erkennen können, betont Jardin. Die Qualität werde überdies ständig überwacht: Monatlich werden an zwölf Messstellen der Ruhr über 200 Parameter gemessen.
Die Naturschutzverbände sind in ihrer Bewertung der Pläne noch zurückhaltend. Die Wasserexpertin Monika Raschke sitzt für die Naturschutzverbände
BUND,
NABU und die Landesgemeinschaft
Naturschutz und Umwelt (LNU) als beratendes Mitglied in der Verbandsversammlung des Ruhrverbandes, entsandt vom BUND. Sie nennt es einerseits «absolut nachvollziehbar, dass der Ruhrverband keine Lust hat auf Zitterpartien». Andererseits dürften die geplanten Maßnahmen nicht dazu führen, «dass sich noch mehr Lebewesen aus den NRW-Gewässern zurückziehen» und damit das
Artensterben vorantrieben.
Sie verweist auf zwei Folgen, die weniger Wasser in der Ruhr mit sich bringen würde: So würde die zunehmende Erwärmung der Gewässer durch den Klimawandel durch weniger Wasser noch verstärkt. Der Sauerstoffgehalt sinke damit weiter. Dies sei schlecht für Fische und die gesamte «Ruhr-Lebensgemeinschaft». Und: «Je weniger Wasser in der Ruhr ist, desto höher sind die Schadstoffkonzentrationen. Die Kläranlagen leiten in Trockenzeiten genauso viele Schadstoffe ein wie in Regenzeiten.»
Raschke nennt als Beispiel Rückstände von Medikamenten oder Röntgenkontrastmitteln. «Alles findet sich im Abwasser wieder.» Für denkbar hält Raschke zum jetzigen Zeitpunkt ein gesetzlich festgelegtes Stufenmodell, das Absenkungen bei bestimmten Füllständen der Talsperren zulässt.
Die Ruhr-Wasserwerke begrüßen die Pläne zur Abflussmengen-Absenkung. Der Ruhrverband könne damit die Talsperren so ressourcenschonend bewirtschaften, dass der Bau neuer Talsperren aus heutiger Sicht nicht erforderlich werde, heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR).
Die Wasserwerke sehen auch keine Gefährdung der Gewässer-Ökologie: «Im Gegenteil: Flora, Fauna und Habitat profitieren davon, wenn der Fluss oder die Talsperren auch in sehr lang anhaltender
Dürre aufgrund einer vorausschauenden Speicherraumbewirtschaftung nicht trocken fallen.»
Wie geht es nun weiter? Seit Mitte Januar überprüfen Ruhrverband und NRW-Umweltministerium die Vorgaben im Gesetz. Zum Start des Projekts «Steigerung der Klimaresilienz der Ruhrverbandstalsperren» hieß es damals in einer gemeinsamen Erklärung: «Ziel ist es, die Gewässer und das Wassermanagement an die sich ändernden klimatologischen und hydrologischen Verhältnisse im Klimawandel anzupassen.»
Neben Wassermengenfragen würden dabei auch
Wasserqualität, Gewässerökologie sowie Naturschutzfragen betrachtet. Ruhrverbands-Chef Jardin hofft, dass es im Sommer einen gemeinsamen Beschluss gibt, der dann in der zweiten Jahreshälfte in eine Gesetzesänderung mündet.