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19.07.2011 | 15:26 | Grundwasserspiegel 

Naturschützer warnen vor Umweltkatastrophe im Hessischen Ried

Gernsheim - Die Erde ist an einigen Stellen viel zu trocken, an anderen wächst hohes Gras, wo Bäume in die Höhe ragen sollten. Baumreste im Hessischen Ried erinnern an einen Waldbrand. Der Grund: Es gibt zu wenig Grundwasser. Naturschützer warnen vor einer Umweltkatastrophe.

Umweltkatastrophe im Hessischen Ried
(c) ecomeda medien - fotolia.com
Seit Jahrzehnten schon gibt es Streit ums Grundwasser im Hessischen Ried. Jetzt schlagen Naturschützer Alarm: Wegen des sinkenden Wasserspiegels warnen sie drastisch vor einer Umweltkatastrophe zwischen Rhein und Bergstraße. «Was sich bisher im Hessischen Ried abspielt, ist ein Skandal», sagte Hubert Weiger, der Bundesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), am Montag in Gernsheim. Die Wasserwirtschaft müsse zur Verantwortung gezogen werden, die Landesregierung müsse das gewaltige Problem wieder in den Blick nehmen.

Nach BUND-Schätzungen sind 30.000 Hektar Wald akut gefährdet, das wäre eine deutlich größere Fläche als die Größe Frankfurts. Die Regierung müsse handeln, fordern die Naturschützer. Gefährdet seien alte Laub- und Mischwälder, die in vielen Fällen als Natur- und Wasserschutzgebiete ausgewiesen sind.

Das sogenannte Hessische Ried (Morast, Moor oder Sumpf) wird seit den 1960er Jahren als Wasserspender genutzt. Mehrere Großwasserwerke pumpen inzwischen etliche Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr für den Rhein-Neckar- und Rhein-Main-Raum. Die Folge: Das Grundwasser fällt ab, die Wurzeln der Bäume können es nicht mehr erreichen, der Torfboden trocknet aus.

Derzeit liegt der Grundwasserspiegel nach Angaben des BUND-Naturschutzreferenten Thomas Norgall in einigen Regionen bei bis zu 7 Metern, zu tief für die Baumwurzeln. «Ideal wäre ein Mittel von 1 bis 2,50 Metern», sagt Norgall. Um dem Absinken entgegenzuwirken, wird seit langem kräftig Rheinwasser zum Versickern ins Ried geleitet.

Fällt der schützende Wald über dem Grundwasser weg, wird auch das Aufbereiten von Trinkwasser teurer, warnt der BUND. Bereits heute könnten die geschädigten Bäume den üblichen Schutz für das Wasser nicht mehr bieten. «Die aufgelichteten, stark vergrasten Wälder verringern die Grundwasserneubildung und führen zu erhöhten Einträgen von Schwermetallen und Stickstoff in das Grundwasser», erklärt der Verband.

Das in der Kritik stehende Umweltministerium verweist dagegen auf den «Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried». In diesem sind für viele Messstellen Richtwerte mittlerer und unterer Wasserstände vorgegeben. Es sei gelungen, die Grundwasserstände im Ried deutlich anzuheben, verteidigt sich das Wiesbadener Ministerium. Die Situation werde ernst genommen.

Eine Machbarkeitsstudie werde im Spätsommer vorliegen und danach durch die Behörden bewertet. Sogenannte Wiederaufspiegelungen seien derzeit bereits unter anderem westlich von Darmstadt und im Gernsheimer Wald im Gange. «Weitere waldökologische Wiederaufspiegelungsmaßnahmen können sich aus der Machbarkeitsstudie ergeben», heißt es in Wiesbaden weiter.

Gernsheims Bürgermeister Peter Burger (CDU) reicht das nicht, er sieht die Regierung stärker in der Pflicht, denn der Zustand des Waldes hat direkten Einfluss auf seine Stadtkasse: «Wir besitzen 788 Hektar Wald, früher hat der Stadtwald mächtig Gewinne gebracht, ohne dass wir Raubbau betreiben mussten.» Im jüngsten Waldwirtschaftsplan sei der Wald dagegen mit einem Minusbetrag gelistet.

Für Burger sind die Schäden keine Überraschung: «Hessenwasser pumpt im Jahr fast 16 Millionen Kubikmeter Wasser ab und will ausbauen, der Wasserbeschaffungsverband Riedgruppe Ost möchte künftig bis zu 21 Millionen Kubikmeter fördern.» Durch natürliche Wassergewinnung und die derzeitige Infiltration sinke der Spiegel zwar nicht weiter ab, er steige aber auch nicht.

In der jüngsten landeseigenen Machbarkeitsstudie heißt es deutlich, die Ergebnisse deuteten auf die grundsätzliche Chance hin, den Wasserspiegel erfolgreich zu heben - «mit entsprechendem technischen und finanziellen Aufwand». Für die alten Ried-Bäume machen die Experten aber keine Hoffnung: «Der überwiegende Teil der sehr stark geschädigten Altbestände wird vermutlich selbst nicht mehr auf eine Verbesserung der Grundwassersituation reagieren können.» Es sei davon auszugehen, dass diese Bäume weiter abstürben. (dpa/lhe)
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