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03.07.2011 | 21:14 | Petersberger Klimadialog  

Rückkehr der Klimakanzlerin

Berlin - Klimaverhandlungen sind wie Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Doch langsam wird die Zeit knapp. Nur noch wenige Jahre bleiben, um verheerende Konsequenzen abzuwenden. In Berlin verhandeln 35 Staaten, Angela Merkel lässt dabei die «Klimakanzlerin» wieder etwas aufleben.

Angela Merkel
(c) proplnta
Die Bilder waren eindrucksvoll: Im roten Anorak warb Angela Merkel vor der Kulisse grönländischer Eisberge für den Kampf gegen den Klimawandel. Die Aufnahmen vom August 2007 wurden zum Symbol für die «Klimakanzlerin». Sie hatte sich diesen Titel während der EU-Ratspräsidentschaft erworben und nutzte den G8-Gipfel in Heiligendamm, um Klimasündern wie den USA ins Gewissen zu reden.

Doch nach dem Tiefschlag beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen, als auch sie keinen Durchbruch für ein neues Klimaabkommen schaffte, wurde es merklich ruhiger um die Klimakanzlerin, während sich die Erde weiter erhitzte. Am Sonntag nun nutzt Merkel das Podium des Petersberger Klimadialogs, um den Vertretern von 35 Staaten ins Gewissen zu reden. Das bis Montag dauernde Treffen, benannt nach dem 1. Klimadialog 2010 auf dem Bonner Petersberg, dient der Vorbereitung des nächsten Klimagipfels Ende des Jahres im südafrikanischen Durban.

Ohne sie beim Namen zu nennen, drängt Merkel große Klimasünder wie die USA und China, die für fast 45 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Ausstöße verantwortlich sind, mehr zu tun. Alles, was an Vorschlägen auf dem Tisch liege, reiche «mit Sicherheit nicht», um die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, macht Merkel klar.

Jeder Regierungschef und Minister habe viel zu tun, aber der Klimaschutz dulde keine Pause. Man müsse als Nachfolge des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls ein verbindliches Klimaschutzabkommen erreichen, das die weltweiten CO2-Emissionen drastisch reduziert.

Auch Merkel ist klar: Am besten wäre es, wenn rasch die zwei parallelen Prozesse - das Kyoto-Protokoll und der Klimaschutzprozess mit Nicht-Kyoto-Staaten, zu denen auch die USA gehören - in ein gemeinsames, verbindliches Abkommen münden. Allein schon der Druck des Kyoto-Protokolls zwang etwa deutsche Unternehmen, umweltfreundlicher zu wirtschaften.

Mit einem Durchbruch in Durban rechnet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) aber nicht. Sein Motto lautet: «Step by step». Nur mit nationalen Maßnahmen sei das Problem nicht zu lösen, betont Merkel und fügt an: «Der Klimawandel kennt keine Grenzen. Er betrifft jedes Land.» Dann rechnet sie vor, wie schwer schon das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen ist - auch für Deutschland.

Um das Ziel zu schaffen, müsste der jährliche CO2-Ausstoß auf 2 Tonnen pro Kopf gesenkt werden. Deutschland liege heute bei 10 Tonnen, die USA bei 20 Tonnen und das Milliardenvolk der Chinesen bereits bei 4 Tonnen. Was Merkel nicht sagt: Auch Deutschland kann nicht garantieren, dass es Vorreiter bleibt. Das Ziel von 40 Prozent weniger Emissionen bis 2020 (die EU will 20 Prozent) könnte wegen neuer Kohle- und Gaskraftwerke im Zuge des Atomausstiegs schwierig zu erreichen sein.

Vielleicht hatte die Kanzlerin bei der Anfahrt zu dem gläsernen Tagungszentrum am Brandenburger Tor die Fassadenkletterer von Greenpeace an der Akademie der Künste gesehen. Auf einem Transparent forderten sie internationale Führung von Merkel beim Klimaschutz und damit eine Wiederkehr der Klimakanzlerin. Die Umweltaktivisten erinnern Merkel an den Slogan von US-Präsident Barack Obama: «Yes you can». Mit Atomausstieg und Energiewende habe Merkel Mut bewiesen, sie müsse nun ihr diplomatisches Geschick stärker auf internationaler Ebene einsetzen, um die Klimakehrtwende irgendwie zu schaffen.

Merkel betont, die Risiken des Klimawandels seien ein Schwerpunkt des gerade begonnenen deutschen Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat. Sie fürchtet Kriege, Hunger, Armut und Flüchtlingsströme, wenn man den CO2-Ausstoß nicht in den Griff bekommt.

2010 wurden nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) 30,6 Gigatonnen CO2 ausgestoßen - so viel wie nie zuvor. 44 Prozent wurden durch Kohle und 36 Prozent durch Öl verursacht. Laut IEA dürften die Emissionen bis 2020 praktisch nicht mehr steigen, angesichts des Energiehungers und der Motorisierung etwa in China ist das nur schwer zu schaffen.

Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, sieht angesichts der Trippelschritte beim Klimaschutz so langsam schwarz. Er hält langfristig eine Erderwärmung um bis zu 6 Grad für möglich, sollte sich bis 2020 nicht Großes tun. (dpa)
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