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04.09.2015 | 13:45 | Chemieunfall 

Schadstofffahne aus der Jagst erreicht Neckar

Stuttgart - Nach einem Mühlenbrand in Kirchberg im Landkreis Schwäbisch Hall vor knapp zwei Wochen war mit Ammonium verunreinigtes Löschwasser in die Jagst gelangt. Die sogenannte Schadstofffahne wird nach aktueller Prognose voraussichtlich frühestens kommenden Montagmittag den Neckar erreichen.

Mühlenbrand Kirchberg
(c) proplanta
„Die aktuellen Prognosen geben Anlass zur Hoffnung, dass das Wasser aus der Jagst den Neckar nicht nachhaltig beeinträchtigen wird“, zeigte sich Umweltminister Franz Untersteller am Freitag (04.09.) vorsichtig optimistisch. Dazu soll auch die für den Mündungsbereich der Jagst in den Neckar in Zusammenarbeit mit der Bundeswasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) erarbeitete Maßnahme beitragen.

Die WSV hatte bereits in den vergangenen Tagen die flussaufwärts liegenden Staustufen am Neckar höher eingestaut, um ein zusätzliches Volumen von rund 400.000 m³ Wasser zu erzeugen. In Zusammenarbeit mit der LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, die mit ihrem Forschungsschiff im Mündungsbereich Messstellen eingerichtet hat, wird dieses Volumen dann abgelassen, wenn die Schadstoffe den Neckar erreichen.

Nachdem im Landkreis Schwäbisch Hall bis Ende vergangener Woche annähernd 20 Tonnen tote Fische aus der Jagst geborgen worden waren, konnte in den vergangenen Tagen in den Landkreisen Hohenlohe und Heilbronn kein Fischsterben mehr festgestellt werden. „Dass diese schlimme ökologische Katastrophe sich nicht noch weiter ausgebreitet hat, ist vor allem den vielen Helferinnen und Helfern und deren unermüdlichem Einsatz zu verdanken“, würdigten Umweltminister Untersteller und Naturschutzminister Bonde deren engagierte Arbeit. „Sie haben in den vergangenen beiden Wochen rund um die Uhr Frischwasser und Sauerstoff der Jagst zugeführt. Dadurch konnten die für das Fischsterben ursächlichen hohen Ammoniakkonzentrationen verringert und der Abbau der Schadstoffe unterstützt werden.

Nebengewässer konnten vor Eintreffen der Schadstoffwelle abgeriegelt und damit Refugien erhalten werden, die für eine Wiederherstellung der Artenvielfalt im Hauptstrom der Jagst wichtig sein werden. Für dieses großartige Engagement bedanken wir uns im Namen der Landesregierung ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Freiwilligen der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerkes, bei den Fischereivereinen, den Naturschutzverbänden, den örtlichen Behörden sowie bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die vor Ort mit angepackt haben und es immer noch tun“, sagten Umweltminister Untersteller und Naturschutzminister Bonde.

„Wir müssen alles versuchen, dass sich eine solche ökologische Katastrophe möglichst nicht mehr wiederholen kann. Daher werden wir die Ereignisse in den nächsten Tagen und Wochen intensiv aufarbeiten“, so Franz Untersteller weiter. „Unabhängig von den laufenden Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zum genauen Unglücksablauf werden wir nun in einem ersten Schritt landesweit Düngermittellager in Gewässernähe überprüfen. Auch der Frage, ob die bestehenden Regelwerke und Vorschriften zum Schutz unserer Umwelt überarbeitet werden müssen, werden wir nachgehen“, sagte Untersteller.

„Bei dem dramatischen Unglück an der Jagst handelt es sich um die größte ökologische Katastrophe in Baden-Württemberg seit dem Sandoz-Unfall im Jahr 1986“, so Bonde. Das Land hoffe aufgrund der bisher vorliegenden Untersuchungen, dass die ökologischen Schäden an der Jagst nicht so gravierend seien, wie dies anfangs noch zu befürchten war.

Auf dem ersten Kilometer nach der Unglücksstelle, an der die Schadstoffe in die Jagst gelangten, seien nach den ersten vorläufigen Untersuchungen die meisten Fische und sehr viele Kleintiere verendet – im weiteren Verlauf der Jagst scheinen zahlreiche Tiere überlebt zu haben. Dies gebe Anlass zur Hoffnung, dass das wertvolle Ökosystem Jagst wieder gesunden könne. „Die Jagst wird weiterhin von unseren Expertinnen und Experten überwacht, da auch jetzt noch Folgeschäden nicht vollständig ausgeschlossen werden können“, erklärte der Naturschutzminister.

„Wir werden alles Machbare unternehmen, um die Jagst so rasch und so gut wie möglich wieder in ihren ursprünglichen guten Zustand zu versetzen. Eine präzise Bestandsaufnahme und ein spezielles Monitoring sind wichtig, um die Situation umfassend zu analysieren und die richtige Strategie für die weiteren Maßnahmen zur Wiederherstellung der Artenvielfalt ergreifen zu können. Dazu werden unsere wissenschaftlichen Einrichtungen wie die LUBW und die Fischereiforschungsstelle in Langenargen zusammen mit den Behörden und den Betroffenen vor Ort Strategien erarbeiten“, so der Naturschutzminister.

Je mehr vorhandene Wanderungshindernisse durchgängig gestalten werden können, umso rascher und besser wird die Wiederansiedlung der Fische und Kleinlebewesen gelingen können, betonte Umweltminister Untersteller weiter. „Daher wird das Land die Eigentümer der Querbauwerke dabei unterstützen, wenn sie Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit umsetzen wollen.“

Ergänzende Informationen

Maßnahmen seitens des Landes - Schadensanalyse:

Das Regierungspräsidium Stuttgart hat im Auftrag der Ministerien eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation hinsichtlich der ökologischen Schäden an Fischen, Krebsen, Muscheln und Kleinlebewesen eingeleitet. - Wissenschaftliches Monitoring:

Zur weiteren Entwicklung des Flusses führt das Land ein spezielles wissenschaftliches Monitoring durch. Hierzu werden die Fischereiforschungsstelle in Langenargen und die LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Karlsruhe mit den anderen betroffenen Behörden eng zusammenarbeiten. Das Monitoring soll auch aufzeigen, ob, wie und zu welchem Zeitpunkt die Wiederherstellung der Artenvielfalt des Flusses durch aktive Besatzmaßnahmen mit bestimmten Arten unterstützt werden kann.

- Strategie zur Wiederherstellung der Artenvielfalt:

Auf Basis von Schadensanalyse und Monitoring erstellt das Land eine Strategie zur Wiederherstellung der Artenvielfalt in der Jagst und unterstützt die Umsetzung durch die zuständigen Behörden vor Ort.

- Maßnahmen um künftigen Schäden vorzubeugen:

Düngerlager in vergleichbarer Lage in Gewässernähe sollen gezielt überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften. Dabei wird auf die Löschwasserrückhaltung ein besonderes Augenmerk gerichtet. Außerdem wird das Land prüfen, ob bestehende Regelwerke und Vorschriften angepasst werden sollten.

Von den Auswirkungen der Gewässerverunreinigung sind insgesamt fünf FFH-Gebiete und ein großflächiges europäisches Vogelschutzgebiet sowie einzelne Naturschutzgebiete betroffen. Die aufgrund europäischer Rechtsvorschriften geschützten Arten sind die Kleine Flussmuschel, der Steinkrebs, die Fischarten Bitterling, Groppe und Aal sowie der Eisvogel. Der Eisvogel ist mittelbar betroffen, da durch den Wegfall der gesamten Fischpopulation in der Jagst ein Großteil seiner Nahrungsgrundlage entfällt. Außerdem sind weitere Fischarten wie die Nase und der Schneider betroffen, die auf der Roten Liste stehen. FFH steht für Flora-Fauna-Habitat, eine europäische Schutzgebietskategorie. (MLR-BW)
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