Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
25.11.2015 | 14:02 | Kohleenergie in Deutschland 

Schwieriger Ausstieg aus Klimakiller Braunkohle

Essen / Cottbus - Wenn Ende November in Paris bei der Weltklimakonferenz der Kampf um CO2-Ziele beginnt, müssen sich die besonders ambitionierten Deutschen auf peinliche Fragen nach ihrer Braunkohle einstellen.

Klimakiller Braunkohle
Deutschland gilt in Klimafragen als Musterschüler. Doch das Land ist auch Weltmeister bei der besonders klimaschädlichen Braunkohleförderung. Trotz heftiger Proteste scheint der Weg bis zum Ausstieg noch weit. (c) proplanta
Kein Land produzierte 2013 so viel des besonders klimaschädlichen Energieträgers.

Auch im vergangenen Jahr lag der Braunkohle-Anteil an der deutschen Kraftwerks-Stromproduktion noch bei mehr als einem Viertel. So lässt sich das ehrgeizige Ziel, bis 2050 die Treibhausgase um mindestens 80 Prozent zu verringern, nach Meinung vieler Fachleute nicht erreichen.

«Deutschland ist Weltmeister beim Ausbaggern und Verbrennen von Braunkohle, wenn man die Mengen betrachtet. Noch deutlich vor China und Russland», kritisiert die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. «Wenn man die deutschen Klimaschutzziele erreichen will, muss die Braunkohlenutzung in den nächsten 20 Jahren auslaufen.»

Die Tagebaue im Rheinischen Revier und in Ostdeutschland und die fast 50 deutschen Braunkohlekraftwerke mit ihren kilometerweit sichtbaren Kühltürmen sind politisch heftig unter Druck geraten. Das haben auch im Sommer die ungewöhnlich harten Proteste gegen den RWE-Tagebau im rheinischen Garzweiler mit über 1.000 Polizisten und Hunderten von Strafanzeigen gezeigt.

Die Entscheidung der NRW-Landesregierung von Ende September, das genehmigte Abbaugebiet in Garzweiler erstmals deutlich zu verkleinern, wird nicht nur von den NRW-Grünen als Einstieg in den Ausstieg aus der Technik angesehen. In der Lausitz hat der schwedische Staatskonzern Vattenfall seine Braunkohle-Tagebaue auch aus Umweltgründen zum Verkauf gestellt.

Stärker wird auch die sogenannte Divestment-Bewegung von Umweltschutzorganisationen, die Druck auf Banken ausübt, kein Geld mehr in Kohle- und Ölprojekte zu stecken. Unter dem Motto «Ist meine Bank ein Klima-Killer?» präsentierte etwa die Umweltschutzorganisation «Urgewalt» in dieser Woche eine Studie mit kritischen Anmerkungen zu den Braunkohle-Investments unter anderem der Deutschen Bank und der Commerzbank.

Der Braunkohleverband Debriv verweist dagegen auf die mehr als 21.000 Jobs und 1.400 qualifizierten Ausbildungsplätze in der Braunkohleindustrie. Außerdem bleibe die Braunkohle Deutschlands letzte subventionsfreie heimische Energiequelle, wenn das Land aus der Atomkraft ausgestiegen ist und Ende 2018 die letzten Steinkohlekraftwerke schließen.

Angesichts der rasant abgestürzten Strom-Großhandelspreise ist die billige Braunkohle für die Konzerne eine der wenigen Möglichkeiten, in der konventionellen Stromerzeugung noch spürbar Geld zu verdienen.

Greenpeace rechnet den Kohle-Konzernen dagegen vor, dass die wahren Kosten der Braunkohleerzeugung durch nicht berücksichtigte Gesundheits- und Sanierungskosten sowie Industrierabatte allein 2015 um 15 Milliarden höher seien als in den Bilanzen erfasst. Damit wäre die Braunkohle real tief in den roten Zahlen. Die mächtige Umweltorganisation trommelt mit emotionalen Kampagnen («Raus aus dem Dreck») gegen die Kohle und fordert den Ausstieg schon in 15 Jahren bis 2030. Davon sind die großen Konzerne allerdings weit entfernt.

Branchenführer RWE will von einem vorzeitigen Komplettausstieg nichts wissen. «Als flexibler Partner der Erneuerbaren» bleibe die Braunkohle auch in den kommenden Jahrzehnten «ein Leistungsträger für die Sicherheit unserer Energieversorgung», betont RWE-Erzeugungschef Matthias Hartung. RWE will die Kapazitäten zwar schrittweise zurückfahren aber seine beiden größten Tagebaue Garzweiler und Hambach bis «etwa Mitte des Jahrhunderts» weiterführen.

Der von Umweltschützern heftig kritisierte Berliner Braunkohlekompromiss mit dem Aus für die ursprünglich geplante Kohle-Abgabe kommt RWE dabei entgegen. Von der Abgabe wären sonst nach früheren Angaben 17 der 20 RWE-Braunkohleblöcke betroffen gewesen. Nun gehen immerhin fünf Blöcke schrittweise vom Netz.

Ein schneller Ausstieg zeichnet sich auch in Ost- und Mitteldeutschland nicht ab. Zwar will Vattenfall seine Lausitzer Braunkohlesparte loswerden, Kaufinteressenten wollen aber im Fall eines Zuschlags weiter fördern. «Wir steigen nicht ein, um die Braunkohle-Anlagen dann zu schließen», sagte etwa der Geschäftsführer des tschechischen Energieversorgers CEZ, Daniel Beneso, der an den Anlagen interessiert ist. Auch die Landesregierungen in Sachsen und Brandenburg betonen beinahe mantraartig die Bedeutung der Braunkohle in einer strukturschwachen Region.

Und selbst wenn der Ausstieg in Deutschland kommt, könnten Braunkohlegegner im Osten schon bald vor einem Deja Vu stehen: Im grenznahen Polen erlebt die Braunkohle nämlich aktuell einen Aufschwung. Es gibt Ideen, entlang der Grenze zu Brandenburg auf polnischer Seite ein riesiges Abbaugebiet zu erschließen. Die vor kurzem in Cottbus vorgestellten Pläne reichen weit in die Zukunft. Ab Mitte 2025 könnte es losgehen.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Umweltschutzorganisation hält früheren Kohleausstieg für möglich

 Reform des Klimaschutzgesetzes - Druck auf Ampel-Koalition steigt

 Drohen Fahrverbote für den Klimaschutz?

 Methan-Ausstoß aus Braunkohletagebau höher als angenommen

 Sieben Braunkohle-Blöcke stehen vor endgültiger Stilllegung

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken