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22.01.2014 | 16:15 | Umweltalarm in Südserbien 

Serbien: Arsen im Trinkwasser

Uzice - "Sauerei", "unverschämt" und "kriminell", schimpfen einige beim Wasserholen aus Tankbehältern.

Wasserverschmutzung
(c) proplanta
Doch die meisten zucken nur mit den Schultern oder machen sich über ihre Lage lustig. In der Stadt Uzice im Südwesten Serbiens herrscht seit über vier Wochen der Ausnahmezustand. Mehr als 60.000 Menschen müssen ihr Trinkwasser aus großen Wasserbehältern abzapfen, weil das Leitungswasser verseucht ist. Und das Schlimmste ist: Die Behörden haben die Probleme lange verheimlicht.

Schon vor zwei Jahren waren in der Talsperre Vrutci, aus der das Wasser stammt, zu viel Quecksilber und Kadmium entdeckt worden, berichtete die Zeitung "Danas". Doch die Behörden blieben stumm und ließen die Proben fürs nächste Jahr schlicht ausfallen.

Anfang Dezember vergangenen Jahres gab es überall Spekulationen und Gerüchte, "irgendetwas stimmt mit unserem Wasser nicht", erzählen die Bürger. Doch die Behörden gaben am 16. Dezember Entwarnung, obgleich die Mitarbeiter der Ämter ihre Verwandten warnten.

Erst am 27. Dezember verbot die Stadt dann die Wassernutzung "zum Trinken und Kochen", weil aus dem Stausee Vrutci vor den Toren von Uzice durch Algen Bakterien in die Leitungen gelangt seien. "Offen blieb, was ist mit Baden, Geschirrspülen und Zähneputzen?", fragte das wichtigste serbische Magazin "NIN". Jedenfalls musste das örtliche Krankenhaus wegen eines aufgetauchten Darmkeims alle Operationen ausfallen lassen.

"Die Umwelthölle", sagt die diplomierte Biologin Marina Vukasinovic. "Ich hatte überlegt, ganz wegzuziehen. Denn im Dezember war hier der jahrzehntelange Smog mit seinen vielen Schadstoffen wie Blei so dicht, dass man nur ein paar Meter weit sehen konnte.

Erst nimmt man uns die Luft und dann noch das Trinkwasser", schimpft die Mutter dreier Kinder. Die Ärzte hatten den Eltern geraten, ihre Kinder nicht ins Freie zu lassen oder sie in andere Landesteile zu bringen.

Die sonst politisch eher apathischen Bürger der Stadt organisierten über soziale Netzwerke schnell drei Demos vor der Stadtverwaltung. Mit Gasmasken, leeren Trinkbechern und Flaschen machten vor allem junge Menschen unter dem Slogan "Wir werden nicht schweigen" ihrem Unmut Luft.

Inzwischen gräbt die Armee des EU-Beitrittskandidaten Serbien eine 1,8 Kilometer lange Trinkwasserleitung zu einer neuen Quelle. "Alles läuft nach Plan", verspricht der kommandierende Major Slavko Prodanovic. Bis zum Wochenende soll die Leitung fertig sein.

Die Talsperre Vrutci "wurde durch die Menschen ruiniert", sagt die 35 Jahre alte Biologin Vukasinovic. Hunderte von Wochenendhäusern, Fischfang und Tourismus hätten das Trinkwasserschutzgebiet ruiniert. "Die haben ihre Sickergruben im See geleert, aus dem sie dann getrunken haben", wundert sich die Zeitung "Informer". Die Sanierung wird teuer, sagt Wasserprofessor Bozo Dalmacija. Das Wasser müsse abgelassen und der Boden entseucht werden.

Der Fall Uzice ist nur die Spitze der Umweltprobleme. Im Norden muss sich die Stadt Zrenjanin schon seit zehn Jahren wegen Arsens im Trinkwasser aus Kanistern versorgen. Auch dort hatte man die Bürger jahrelang das versuchte Wasser trinken lassen. Besonders kritisch sei die Lage bei der landesweit größten Talsperre des malerischen Uvac-Flusses ebenfalls im Südwesten, schreibt die Zeitung "Novosti": "In drei bis vier Jahren wird das Wasser tot sein".

Städte wie Zajecar, Vranje, Leskovac oder Kragujevac drohe dasselbe Schicksal wie Uzice, schreibt das Blatt weiter. Belgrad mit seinen 1,7 Millionen Einwohnern sei "die einzige Hauptstadt in Europa", die nicht eine einzige Wasseraufbereitungsanlage besitzt, meldete vor kurzem das Staatsfernsehen RTS. "Täglich werden an mehr als 40 Orten jede Sekunde neun Kubikmeter Abwasser (ungefiltert) in die Donau und den Savefluss abgelassen". (dpa)
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