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20.09.2021 | 15:59 | Feldhamsterschutz 

Stoppelfeld und Blühstreifen sollen helfen Feldhamster zu retten

Mainz - Neugierig steckt ein kleiner Feldhamster die Nase aus seinem Bau im Stoppelfeld von Bauer Stefan Franz. Und ist flugs wieder verschwunden.

Feldhamster
Einst auf jedem Feld zuhause, ist der kleine Nager jetzt vom Aussterben bedroht. Die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz kümmert sich um die Erhaltung der Art. (c) proplanta
«Das ist ein ganz junger Hamster», sagt Malika Gottstein vom Projekt Feldhamsterland der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz. «Erfahrene Tiere kommen nach der Morgendämmerung nicht mehr raus.» Sie erkennt das auch an der Anlage des Baus: «Das ist ganz frisch gegraben, das war vor einer Woche noch nicht da.»

Die junge Biologin kann sich so gut daran erinnern, weil da Staatssekretärin Katrin Eder (Grüne) aus dem Umweltministerium auf dem Feld in Mainz-Ebersheim zu Besuch war. «Wir haben hier in Mainz das wichtigste und eines der letzten Vorkommen von Feldhamstern in Rheinland-Pfalz», sagt sie zu den Gründen für das Schutzprojekt.

Der Hamster, einst auf jedem Feld zuhause, wie sich Bauer Franz erinnert, ist akut vom Aussterben bedroht. Jetzt ist das kleine Säugetier die «Leitart für Agrarflächen» im Landesartenschutzprogramm «Aktion Grün». Für den Hamster engagieren sich das Land Rheinland-Pfalz, die Stadt Mainz und die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben im Mainzer Umland zwischen Ebersheim, Hechtsheim, Marienborn und Bretzenheim.

Warum geht es dem kleinen Nager so schlecht? Die Tiere erleiden einen Schock, wenn sich ihr Lebensraum mit der Getreideernte im Sommer von heute auf morgen völlig verändert. Meist werden sofort danach die Stoppeln der Getreidehalme in den Boden eingearbeitet. Und der Wechsel zu früher reifenden Getreidesorten nimmt den Tieren gerade dann die Nahrung, wenn die zwei oder drei Wochen alten Jungtiere den Bau verlassen und darauf angewiesen sind.

Bauer Franz hat sich mit der Stiftung darauf verständigt, seine Getreidefelder nicht vor Mitte September umzubrechen - und dann auch nicht mit dem Pflug, sondern nur oberflächlich mit dem Grubber. So bleiben die bis zu zwei Meter tiefen Hamsterbauten unbeschädigt.

Auf dem in diesem Jahr mit Sommergerste bepflanzten Feld will der Landwirt Anfang November Winterweizen aussäen. «Wenn der Feldhamster dann aus dem Winterschlaf kommt, hat er gleich frische Nahrung», sagt der 56-Jährige. «Es geht darum, den Feldhamster zu retten», sagt der Getreidebauer und Winzer, einer von 23 Landwirten, die sich in Mainz für den Hamsterschutz engagieren und eine von mehreren unterschiedlichen Maßnahmen der Stiftung übernommen haben.

Bauer Franz hat sich auf die für den Naturschutz höchstrangigen Maßnahmen eingelassen und eine «Lebensraumparzelle» geschaffen: zwei sechs Meter breite Streifen mit der Futterpflanze Luzerne sowie Sonnenblumen, Kornblumen und anderen Wildkräutern sowie dem angrenzenden Getreidefeld. «Da kann der Hamster rüberlaufen und hat Deckung vor dem Mäusebussard, dem Fuchs und Spaziergängern mit frei laufenden Hunden», sagt Stefan Franz.

«Dass es hier so ein bisschen unordentlich aussieht, ist genau das, was dem Hamster gefällt», freut sich die Biologin Gottstein. Als Ausgleich für den Ernteausfall bekommt der Bauer vom Land 1.200 Euro je Hektar im Land. Ihm kommt es aber vor allem auf einen eigenen Beitrag zum Hamster-, Insekten- und Klimaschutz an: «Wenn man sieht, was alles auf der Erde geschieht, das ist erschreckend.»

Die Stadt Mainz hat schon seit 2007 ein Schutzkonzept für den Feldhamster. «Das Projekt hier zeigt uns, dass Artenschutz bei uns vor der Haustür beginnt», sagt die neue Mainzer Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne). Seit 2016 hat das Umweltministerium über das Artenhilfsprogramm des Landes den Feldhamsterschutz mit rund 700.000 Euro unterstützt. Aktuell werden alle bekannten Vorkommen der Feldhamster in Rheinland-Pfalz durch das Landesamt für Umwelt erfasst.

«Wir haben hier im Frühjahr 170 Baue gezählt», sagt Malika Gottstein. «Das ist auch etwa die Zahl der Tiere, die aus dem Winterschlaf erwacht ist.» Bei Worms gebe es noch einzelne Sichtungen von Tieren. Aber die letzte größere Population in Rheinland-Pfalz befinde sich auf diesem Feld bei Mainz.

Das ist ein großes Problem für den Feldhamster. DNA-Untersuchungen von Kotproben ergaben Anfang des Jahres, dass die kleine Inselpopulation mangels Zuwanderung genetisch sehr ähnlich ist.

Inzucht erhöht die Gefahr, dass bei einer Krankheit die ganze Population aussterben könnte, wie Malika Gottstein erklärt. «Deswegen haben wir im Juli fünf Hamster eingefangen und nach Heidelberg gebracht, in das dortige Projekt einer Erhaltungszucht für den Feldhamster», sagt die 29-jährige Wissenschaftlerin. «Dort haben sie es gut. Im nächsten Frühjahr kann es zur Paarung mit Hamstern aus Baden-Württemberg und dem Elsass kommen, der Nachwuchs wird dann hier auf den Feldern ausgesetzt.»
dpa/lrs
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