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06.01.2022 | 03:49 | Wolfsverordnung 

Streit um Wolfs-Abschüsse in NRW nimmt kein Ende

Düsseldorf / Wesel - Der Streit um den Wolf wird am Niederrhein mit harten Bandagen ausgetragen.

Wölfe in NRW
Für den Wolf könnte es enger werden in NRW. Das Land plant eine Wolfsverordnung nach niedersächsischem Vorbild, dort wurden auf der Grundlage der Regelungen bereits vier Tiere abgeschossen. In Niedersachsen wird die Verordnung beklagt - bald auch in NRW? (c) proplanta
«Ich habe sogar Morddrohungen bekommen», sagt der Schafhalter Kurt Opriel aus Hünxe bei Wesel, der im Mai 2021 vergeblich auf einen Abschuss der Wölfin «Gloria» geklagt hatte. Die niederrheinische Wölfin hatte nachweisbar zahlreiche Schafe seines Betriebs gerissen.

40 Attacken von Wölfen auf Nutztiere, meist Schafe, gab es 2021 in NRW - allein die Hälfte im Wolfsgebiet am Niederrhein. Nachdem viele Schafhalter wie Opriel inzwischen ihre Tiere in Ställen schützen oder Hütehunde angeschafft haben, suchen die Wölfe sich offensichtlich andere Beutetiere. Am 10. Oktober wurde in Petershagen erstmals ein vom Wolf gerissenes Kalb entdeckt. Zudem begann in dem Weseler Wolfsgebiet eine Serie von Attacken auf Ponys und Kleinpferde.

Die Bilder der mit Kehlbiss getöteten und teils stark angefressenen Tiere fachten die Debatten um einen Abschuss von Wölfen noch einmal deutlich an. Kurz vor Weihnachten reagierte NRW-Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und kündigte für Anfang 2022 eine Wolfsverordnung nach niedersächsischem Vorbild an, die Abschussmöglichkeiten für die im Naturschutzrecht streng geschützten Wölfe klarer fassen und möglicherweise ausweiten soll.

Die niedersächsische Verordnung erlaubt Entnahmen unter anderem dann, wenn Wölfe sich Menschen gegenüber aggressiv zeigen, sich ihnen auf unter 30 Metern nähern und sich nicht «vergrämen», also etwa durch Beschuss mit Gummigeschossen vertreiben lassen oder wenn sie Wolfschutzzäune mindestens zweimal überwunden und ein Tier gerissen haben. Allerdings müssten solche Übersprünge eines 1,20-Meter-Elektrozaunes mehrfach in einem engen zeitlichen Zusammenhang passieren, um eine Verhaltensauffälligkeit des Wolfes anzunehmen, sagte die Ministerin bei der Vorstellung ihrer Pläne.

Folgt die NRW-Verordnung dem niedersächsischen Vorbild, könnte es bald eng werden für die Niederrhein-Wölfin «Gloria» und ihre Artgenossen. Im Nachbarbundesland wurden bereits vier Wölfe auf der Grundlage von «artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen» geschossen - in zwei Fällen, weil ein Wolfsrudel wiederholt auch Rinder und Pferde gerissen hatte und in einem anderen Fall, weil ein erheblicher Schaden von rund 70.000 Euro durch Wolfsattacken entstanden war.

Der Nabu Niedersachsen hat Klage gegen die dortige Verordnung eingereicht, weil sie aus Sicht der Naturschützer gegen Europarecht verstößt. Wirksamer Herdenschutz sei das einzige Mittel für ein Zusammenleben mit dem Wolf, argumentiert der dortige Nabu. Bei den vier niedersächsischen Abschlüssen seien außerdem nicht die angeblich auffälligen Wölfe entnommen, sondern jeweils ein Nachkomme stellvertretend geschossen worden, kritisieren die Naturschützer: «Das ist eine Art Vergeltung und kann nicht rechtens sein.»

«Wir hoffen, dass die NRW-Verordnung nicht 1:1 in Niedersachsen abgeschrieben wird», sagt der Sprecher des Landesfachausschusses Wolf beim Nabu NRW, Thomas Pusch. Vor Entnahmen von Wölfen müssten wirklich alle Alternativen ausgeschöpft sein. Natürlich werde sich auch der Nabu NRW anschauen, ob die Verordnung EU-konform sei. «Es kommt auf die genaue Formulierung an. Hoffentlich werden die Verbände auch gehört.»

Auch der Landwirtschaftsfachmann in der oppositionellen Landtags-SPD, René Schneider, zeigt sich skeptisch angesichts der Pläne. Für einen gerichtsfesten Abschuss müsste man die Übergriffe einzelnen Tieren zuordnen. Das sei aber äußerst schwierig. Und selbst wenn ein einzelnen Wolf dann geschossen werden dürfe: Wie soll man ihn im Wald identifizieren?, gibt Schneider zu bedenken.

Solange Entnahmen von Wölfen nicht erlaubt sind, bleibt die Aufstockung von Schutzmaßnahmen mit Landeshilfe als einziges probates Mittel - doch das ist ziemlich teuer. 2021 seien Weidetierhalter NRW-weit bereits mit 1,5 Millionen Euro für Schutzzäune und Hütehunde unterstützt worden, teilte das Ministerium vor kurzem mit.

2022 sind weitere Mittel geplant, weil seit dem neuen Jahr im Schermbecker Wolfsgebiet auch der Schutz von Ponys, Klein- und Jungpferden gefördert wird. Das könne sich auf bis zu sieben Millionen Euro addieren, falls dort alle Pferdehaltungen gefördert würden, so das Ministerium.

Dabei ist der NRW-Naturschutzhaushalt, aus dem das Geld stammt, mit rund 37 Millionen Euro pro Jahr nicht übermäßig üppig dotiert, und er hat mit der Förderung der bedrohten Artenvielfalt im Land noch viele andere wichtige Aufgaben. Mit einem nennenswerten Teil des Etats Zäune zu bezahlen, stoße im Ministerium nicht gerade auf Begeisterung, war zu hören.

Wolfsichtungen

dpa/lnw
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