In Pfützen spiegelt sich das Grau des vorpommerschen Winterhimmels. Doch für Nina Seifert und Carl Barnick ist der Hügel östlich von Altentreptow ein Kleinod.
Die Pfützen nennen die Moorexperten der Succow Stiftung Schlenken, und zwischen dem braun-grünen Gras finden sie Pflanzenarten, die anderswo im Nordosten kaum noch vorkommen. Außerdem wissen sie, dass sie auf acht Metern Torf stehen. Ein Moor ist nicht immer auf Anhieb zu erkennen. Entscheidend sei der Untergrund, erklärt Seifert.
«Moor besteht eben aus Biomasse.» Während andere Gebiete einen mineralischen Untergrund haben - etwa Sand - hat sich hier über Jahrtausende Torf gebildet, weil Pflanzen unter Wasser nicht vollständig zersetzt wurden. Dabei wurde
Kohlenstoff gebunden. Das macht Moore für den
Klimaschutz so wichtig.
«Global gesehen sind Moore die wichtigsten Kohlenstoffspeicher, da kommen
Wälder nicht hinterher», sagt der Moorexperte der Umweltorganisation Nabu, Tom Kirschey. Das Problem: Liegen Moore trocken - in Deutschland betrifft das nach Kirscheys Angaben 98 bis 99 Prozent der Flächen - geben sie den Kohlenstoff ab.
Mit rund 53 Millionen Tonnen Treibhausgasen im Jahr 2019 waren die Moore nach Angaben der Bundesregierung zuletzt für fast sieben Prozent aller Emissionen in Deutschland verantwortlich. Im moorreichen Nordosten stammt laut Seifert rund ein Drittel aller Emissionen aus entwässerten Mooren. «Das heißt, der Moorschutz ist unsere hochwirksamste Klimaschutzmaßnahme.»
Der Binsenberg ist nur ein kleiner Teil eines großen Moorgebiets, wie Barnick erklärt. Er zeigt auf einer Karte auf ein grünes Band, das sich im Süden bis nach Neubrandenburg zieht. «Das ist alles Moor.» Ähnlich sehe es etwa entlang der Peene oder im Trebeltal aus. Vor allem im Osten des Landes gibt es mehrere solcher Bänder. Das verdeutliche die Dimension auch der Aufgabe. «Und jeder Quadratmeter sozusagen davon wurde historisch entwässert, um ihn landwirtschaftlich zu nutzen.»
Von den Mooren, die laut Seifert etwa 12 Prozent der gesamten Fläche des Bundeslandes ausmachen - seien noch rund 90 Prozent entwässert, etwa für die Landwirtschaft. Auf dem Binsenberg sind die Entwässerungskanäle auch dank der Succow Stiftung mittlerweile wieder verschlossen. Auf 36 Hektar würden so in etwa 165 Tonnen CO2-Äquivalente Emissionen jährlich eingespart, sagt Seifert. «Dann sind wir hier so ungefähr bei 16 Haushalten, die wir sozusagen klimaneutral gemacht haben.»
Die Wiedervernässung in Mecklenburg-Vorpommern läuft laut Seifert zu langsam. «Wir haben ja noch knapp 300.000 Hektar vor uns.» Hochgerechnet seien das etwa 9000 Hektar pro Jahr, wenn man die
Klimaziele erreichen will. Mittlerweile stagniere die jährlich wiedervernässte Fläche aber bei wenigen hundert Hektar. «Wir sind da weit davon entfernt, was eigentlich notwendig ist.»
Der Schweriner Umwelt- und
Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) hatte Ende des vergangenen Jahres erklärt, «Moor muss nass». Nach seinen Worten sollen in den kommenden Jahren etwa 28.000 Hektar durch Trockenlegung gewonnenes
Ackerland wieder vernässt und zum Großteil in
Wiesen umgewandelt werden.
Man wolle Flächen nicht mit Verboten, sondern mit Angeboten gewinnen. «Schutz durch Nutzung ist das Stichwort», sagte er. So sei auch der Anbau von für Feuchtgebiete geeigneten Pflanzen eine Alternative. Die Dachdecker im Land hätten großen Bedarf an Reet für traditionelle Rohrdächer. Statt das Material aus dem Ausland zu importieren, könne es wieder verstärkt auf heimischen Flächen gewonnen werden.
Paludikultur heißt das Zauberwort - also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Böden. Seifert nennt ein weiteres Beispiel: «Es gibt mittlerweile relativ viele Wasserbüffelhalter auch in Mecklenburg-Vorpommern, die auch dieses Fleisch sehr gut vermarkten können.» Man könne
Rohstoffe für Papier oder Dämmmaterial gewinnen.
Das Heu vom Binsenberg etwa sei bei Pferdehaltern beliebt. Außerdem wurden die
Gräser auch schon zu Platten gepresst, die man etwa für den Innenausbau nutzen kann. «Tatsächlich ist es auch so, dass für den
Naturschutz häufig es sehr, sehr wichtig ist, dass die Flächen weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden», erklärt Seifert.
«Schutz durch Nutzung» fordert auch der
Landesbauernverband als Strategie. «Die Landwirtschaft ist bereit, zum Erhalt von Moorstandorten und des hohen Humusgehaltes beizutragen, benötigt aber Verlässlichkeit und Perspektiven für ihre Betriebe.»
Schilf und andere Paludikulturen seien aber nur dann eine Perspektive, wenn Vermarktungsperspektiven vorhanden und die Wirtschaftlichkeit und Planungssicherheit gegeben seien. Die mit der Wiedervernässung verbundene Nutzungseinschränkung sei ein erheblicher Eingriff in das Eigentum, was vielen Flächeneigentümern noch nicht bewusst sei.
Sogar die
Wasserqualität der Ostsee kann der Moorschutz laut Barnick verbessern. Wenn Moore austrockneten gehe nicht nur
CO2 in die
Luft, es würden auch Nährstoffe freigesetzt, erklärt Barnick. «Die ganzen Nährstoffe gehen dann in die Gräben, in die Flüsse und ins Meer.»
Dort gebe es ohnehin schon zu viel davon. Wenn der Moorschutz im erforderlichen Umfang betrieben würde, dürfte sich die Wasserqualität auch dort verbessern. Alles hänge mit allem zusammen, resümiert Seifert. Also auch der Binsenberg und die Ostsee.