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03.02.2018 | 13:03 | Weidewirtschaft 

Weidetiere besser vor Wolfsangriffen schützen

Berlin / Hannover - Der Wolf breitet sich aus in Deutschland, immer wieder werden Schafe und andere Nutztiere gerissen. Auch viele Menschen haben Sorgen vor Angriffen. Gefahr Wolf - oder Angstmache?

Weidehaltung
Die Zahl der Wölfe in Deutschland nimmt zu, das bringt auch Probleme mit sich. Der Ton in der Debatte wird schärfer. Das Thema ist nun auch bei den Koalitionsverhandlungen und im Bundestag angekommen. (c) proplanta
Union und SPD wollen die Ausbreitung der Wölfe künftig stärker kontrollieren, zugleich sollen Nutztiere besser vor Angriffen geschützt werden. Das haben die Parteien in den Koalitionsverhandlungen vereinbart. Im Bundestag hat der Umgang mit dem Wolf am Freitag zu einer hitzigen Debatte geführt.

Der FDP-Abgeordnete Karlheinz Busen sagte, die Zahl der durch Wölfe gerissenen Herdentiere sei drastisch gestiegen. «Dadurch sind teilweise Existenzen von Landwirten bedroht.» In einigen ländlichen Räumen schrecke der Wolf auch nicht mehr vor Siedlungsgebieten zurück. «Die Menschen dort haben Sorgen, die ernst genommen werden müssen.»

Der Wolf müsse gejagt werden, wenn eine gesunde Population überschritten werde. Die bloße Aufnahme ins Jagdgesetz ändere am Schutzstatus zunächst allerdings nichts. Ohne eine gleichzeitige Aufnahme in die Jagdzeitenverordnung unterliege der Wolf automatisch einer ganzjährigen Schonzeit.

Die SPD-Politikerin Rita Schwarzelühr-Sutter, parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerin, warf der FDP vor, Ängste vor dem Wolf zu schüren. Wolfs- und Herdenschutz müssten vertretbar miteinander gestaltet werden. Eine Bejagung sei nicht sinnvoll. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke.

Der Umgang mit dem Wolf ist auch ein Thema bei den Koalitionsverhandlungen. Der niedersächsische Umweltminister und SPD-Unterhändler Olaf Lies sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir müssen die Ausbreitung des Wolfes managen, auffällige Wölfe müssen konsequent kontrolliert, zügig vergrämt und nötigenfalls erschossen werden, um eine Gewöhnung der Wölfe an den Menschen zu unterbinden.» Wölfe zu vergrämen bedeutet, sie dauerhaft zu vertreiben. Eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdgesetz lehnte Lies ab.

In einem Zwischenstand der Koalitions-Unterhändler heißt es, die Sicherheit der Menschen habe «oberste Priorität». Die auch aus Umwelt- und Naturschutzgründen wichtige Weidewirtschaft dürfe nicht beeinträchtigt werden. «Der Schutz der Nutztiere muss verbessert werden, Kosten für Schutzmaßnahmen sowie Schäden müssen schnell und vollständig ausgeglichen werden.» Der Bund werde die Länder dabei unterstützen.

«Wölfe, die die empfohlenen Schutzmaßnahmen für Weidetiere mehrfach überwinden, sollen entnommen werden», heißt es weiter. Entnehmen bedeutet, das Tier zu fangen oder zu töten. «Der Bund wird dazu kurzfristig mit den Ländern einen Kriterien- und Maßnahmenkatalog abstimmen.»

Der Wolfsexperte des Umweltverbandes NABU, Lucas Ende, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass der Schutz der Herden verbessert werden müsste. Er ist überzeugt: «Der Schutz der Weiden mit Elektrozäunen funktioniert am besten.»

«Bei den Zäunen gibt es ein Wettrüsten», hält Torsten Reinwald dagegen, Pressesprecher des Deutschen Jagdverbands. «Erst war es knapp ein Meter Höhe, aktuell sollen es 1,20 Meter sein.» Es gebe aber schon Fälle, wo der Wolf 1,60 Meter überwunden habe. «Außerdem sind das Barrieren für viele andere Tierarten», erklärte er.

«Wir müssen viel, viel schneller handeln können. Wenn wie in Cuxhaven Wölfe ausgewachsene Rinder auf der Weide angreifen und fressen, dann müssen Konsequenzen folgen», so Reinwald weiter. «Da bleibt letztendlich nur, die Wölfe zu töten. Eine Vergrämung ist da unrealistisch, das ist eine leere Worthülse.»

Eine Sprecherin des Bundesamts für Naturschutz sagte, in den vergangenen 20 Jahren sei es in Deutschland zu keiner Begegnung zwischen einem Wolf und einem Menschen gekommen, bei der ein Mensch aktiv angegriffen oder gar verletzt worden sei. «Wölfe, die sich gegenüber Menschen auffällig verhalten, sind extrem selten.» Auch sie betonte, dass Jagd keine Methode zum Schutz der Herden sei.

Seit im Jahr 2000 wieder ein erstes Wolfsrudel in Deutschland nachgewiesen wurde, hat die Wolfspopulation deutlich zugenommen. «Allein in Niedersachsen schätzen wir den Bestand auf etwa 150 Tiere», sagte Raoul Reding, Wolfsbeauftragter der dort für die Beobachtung der Tiere zuständigen Landesjägerschaft zur aktuellen Population.

«Bundesweit gibt es mehr als 60 nachgewiesene Wolfsrudel.» Bei durchschnittlich sieben Mitgliedern pro Rudel seien das zusammen mit den Einzeltieren um die 500 Wölfe. Schätzungen seien da sehr schwierig, betonte Reding.

Weil immer wieder Schafe, aber auch Rinder und andere Nutztiere von Wölfen gerissen werden, streitet die Politik seit längerem um den Umgang mit dem Wolf. Im Dezember hatte Brandenburg als erstes Bundesland ein Regelwerk erlassen. Eine Verordnung sieht als letztes Mittel den Abschuss von aggressiven oder anderen problematischen Wölfen vor, wenn andere Maßnahmen wie Verscheuchen oder Schutzzäune keinen Erfolg bringen.

Im Bundesnaturschutzgesetz ist festgelegt, dass der Wolf als geschützte Art nicht geschossen werden darf - das Gesetz lässt jedoch Ausnahmen zu. Dazu zähle unter bestimmten Bedingungen etwa ein «Problemwolf», der ganze Herden reiße, hatte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums gesagt. Auch wenn ein Wolf dem Menschen zu nahe komme, könne er im Extremfall erschossen werden.

Am Freitag wurde das Thema überraschend aktuell: In Sachsen wurde ein auffälliger Wolf legal abgeschossen. Das Tier soll Ende Dezember zwei Hunde getötet und sich auch mehrfach Grundstücken genähert haben.

Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz war es erst der zweite Wolf bundesweit seit Rückkehr der Tiere, der wegen auffälligen Verhaltens getötet wurde. «Das ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz nur mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung möglich», betonte die Sprecherin. Im April 2016 war ein sogenannter Problemwolf in Niedersachsen getötet worden.
dpa
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