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18.03.2017 | 00:04 | Energiewirtschaft 2016 

Energiebranche hat schwarzes Jahr hinter sich

Essen / Düsseldorf - Milliarden-Abschreibungen, Rekordverluste und obendrein Flaute für teure neue Windkraftwerke durch ungünstiges Wetter: Die Energiebranche hatte 2016 ein rabenschwarzes Jahr.

Energiebranche 2016
Rekordverluste bei RWE und Eon. Sparprogramme, die Mitarbeitern Angst machen. Die Energiebranche hat 2016 ein Schreckensjahr erlebt. Für 2017 versprechen die Konzernchefs leichte Besserung - dabei zahlen die Endkunden immer höhere Preise. (c) proplanta
Das zeigt die Bilanzsaison der Stromkonzerne, die am Mittwoch mit dem 16-Milliarden-Euro-Minus bei Eon einen Höhepunkt erreichte. Offen ist von den großen Anbietern noch EnBW, wo erst zum Monatsende Daten vorliegen. Für die ersten drei Quartale gab es auch dort Verluste.

Eon, RWE, Uniper, Vattenfall - alle Energieriesen mit Ausnahme von Innogy mussten roten Zahlen hinnehmen und viele Milliarden auf ihre Gas- und Kohlekraftwerke abschreiben, weil die staatlich geförderte Konkurrenz von Wind- und Sonnenstrom sie aus dem Markt drückte. Hinzu kamen die Lasten des Atomausstiegs. Besonders spektakulär traf es zuletzt Eon. Ein Fehlbetrag von 16 Milliarden Euro ist einer der höchsten Verluste überhaupt in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Das dürfte auch Eon-Chef Johannes Teyssen persönlich unter Druck setzen, der mit der Aufspaltung des Unternehmens als einer der ersten Spitzenmanager auf die Veränderungen der Energiewende reagiert hatte.

«Herr Teyssen wird eine schwere Zeit haben in den nächsten Wochen», sagt Thomas Deser von der Fondsgesellschaft Union Investment, die knapp ein Prozent an Eon hält. Dabei liegt nicht alles am politischen Rahmen. Teyssen räumte auch eigene Fehler etwa bei den Auslandsengagements ein: «Der Einstieg in Brasilien war ein Flop.»

Auch wenn der Eon-Vorstand immer wieder von einem «Schlussstrich» unter die Vergangenheit und einem «Befreiungsschlag» spricht, auf das gut verlaufende Tagesgeschäft und die Zukunft verweist - derartige Verluste hält keine Firma lange aus. Teyssen musste sich kritischen Fragen stellen, ob er unter diesen Umständen nicht - wie RWE - die Dividende besser hätte ausfallen lassen sollen. Eon will die Ausschütung in den kommenden Jahren aber möglichst noch steigern, genauso wie die RWE-Zukunftstochter Innogy.

Für die Eon-Beschäftigten steht dagegen Personalabbau an. Allein 1.000 Stellen sollen sozialverträglich in Deutschland wegfallen, konzernweit 1.300. Gespart wird auch bei der Abspaltung Uniper. Innogy hat für vorerst zwei Jahre Abbauprogramme ausgeschlossen, Experten halten diese aber für möglich. Bei RWE sinkt die Beschäftigtenzahl mit der Überführung von Braunkohleblöcken in eine Sicherungsreserve.

Insgesamt ist RWE etwas besser durch das Krisenjahr 2016 gekommen. Zwar meldeten auch die Essener mit 5,7 Milliarden Euro ihren bisher höchsten Verlust. Die Einnahmen aus dem Börsengang von Innogy brachten dem Konzern aber dringend benötigtes Geld in die Kasse.

Die ganze Branche fragt sich, ob mit den harten Abschreibungen die Anpassung an die Energiewende nun abgeschlossen sein könnte und es wieder aufwärts geht. Immerhin gibt es einige positive Anzeichen.

Der Strompreis im Großhandel an der Börse - wichtigster Gradmesser für die Branche - hat nach Meinung vieler Experten mit rund 2 Cent pro Kilowattstunde Anfang 2016 seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Seitdem ist er bereits wieder auf 3 bis 3,5 Cent gestiegen.

Für die Endverbraucher spielt der Preis dabei allerdings in einer ganz anderen Liga. Er steigt und steigt und hat zum Jahresbeginn die 30-Cent-Marke pro Kilowattstunde erreicht. Verbraucherschützer haben deshalb für Klagen der Konzerne nur begrenztes Verständnis. Sie halten den Versorgern vor, dass sie die stark gefallenen Börsen-Strompreise nur teilweise an die Endkunden weitergeben.

Viele konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke wurden inzwischen wegen der geringen Erlöse stillgelegt oder eingemottet - aktuell gibt es 75 Stilllegungsanzeigen. Auch hieraus zieht die Branche nun die Hoffnung auf künftig steigende Nachfrage und damit bessere Börsenpreise.

Natürlich geht der Ausbau der Erneuerbaren - vor allem beim Wind - mit großem Tempo weiter. Das Problem der Überkapazitäten bei gutem Wind und Sonnenschein hat sich längst nicht erledigt. Aber künftig kassieren die «grünen» Kraftwerke zunehmend keine Festvergütungen mehr, sondern müssen sich in Auktionen am Markt durchsetzen.

Außerdem hat sich zum Jahresbeginn 2017 nach mehreren Tagen ohne Wind und Sonnenschein bei knackiger Kälte gezeigt, wie abhängig die deutsche Stromversorgung noch von fossilen Kraftwerken ist. Gas und Kohle mussten an diesen Tagen fast die gesamte Stromlast stemmen.

Die Debatte um die «Dunkelflaute» nährt bei den Konzernen die Hoffnung, dass es vielleicht in Deutschland - wie in Frankreich oder England - doch noch eine Entlohnung für das Bereithalten von sicherer Energie geben könnte, die Schwankungen von Wind- und Sonnenstrom ausgleicht.

Falls mit der Bundestagswahl wieder eine große Koalition komme, sei ein solcher zusätzlicher Markt durchaus nicht unwahrscheinlich, sagt der Energiefachmann und Aktionärsvertreter Marc Tüngler - neue Hoffnung vor allem für die Kohle- und Gaskonzerne RWE und Uniper.
dpa
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