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16.01.2021 | 07:02 | Ostsee-Gaspipeline 

Genehmigter Weiterbau von Nord Stream 2 erntet Kritik

Berlin - Es geht um Wirtschaftsinteressen, Geo- und Klimapolitik, um eine Stiftung - und es geht um Seevögel. Nord Stream 2 bietet Stoff für reichlich Diskussionen.

Gasversorgung
Nord Stream 2 darf ab sofort und nicht erst in Monaten die Ostsee-Gaspipeline in deutschen Gewässern weiterbauen. Das sorgt für Kritik. Dabei geht es um weit mehr als Vogelschutz auf der Ostsee. Wann es tatsächlich mit dem Bau weitergehen kann, ist noch offen. (c) Michael Shake - fotolia.com
Zumindest was die Vögel angeht, die auf der Ostsee Winterrast machen, ist jetzt eine Entscheidung gefallen. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat am Freitag einen sofortigen Weiterbau der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 in deutschen Gewässern genehmigt. Die bisherige Genehmigung hätte Arbeiten normalerweise erst wieder ab Ende Mai zugelassen. Dass es kurzfristig zu Arbeiten in deutschen Gewässern kommt, ist allerdings zweifelhaft.

«Wir legen auf jeden Fall Widerspruch ein», sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Man prüfe auch eine sofortige Klage. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) prüft nach eigenen Angaben ebenfalls rechtliche Mittel. Ohnehin ist Kreisen um Nord Stream 2 zufolge noch unklar, wann die Arbeiten in der deutschen «Ausschließlichen Wirtschaftszone» (AWZ) tatsächlich wieder losgehen können. Ein Verlegeschiff war zwar am Donnerstag in Wismar ausgelaufen. Am Freitagnachmittag lag es allerdings noch vor Rostock.

Der DUH geht es bei ihrer Kritik nicht nur um den Vogelschutz. Klimaauswirkungen der Pipeline seien nicht berücksichtigt worden, heißt es. Ähnlich äußerte sich die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. Auch wenn solche Abwägungen eigentlich nicht Aufgabe des BSH sind, die Entscheidung der Behörde hat die Diskussion um die Pipeline erneut befeuert.

Göring-Eckardt bezeichnete Pläne der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, mit einer landeseigenen Stiftung die Fertigstellung des Projekts zu fördern als «Taschenspielertrick». Das Land will eine gemeinwohlorientierte Umweltstiftung gründen, die Projekte im Umwelt-, Natur- und Klimaschutz fördert, aber auch gewerblich aktiv werden können soll. So ist geplant, durch die Stiftung Bauteile und Maschinen zu kaufen, die für die Fertigstellung der Gasleitung unerlässlich sind. Damit sollen angedrohte Sanktionen der USA gegen am Bau der Leitung beteiligte Firmen möglichst umgangen werden. Mehrere Umweltverbände haben der Mitarbeit bei der Stiftung bereits eine Absage erteilt.

Außenminister Heiko Maas (SPD) bekräftigte, dass er sich Gespräche mit der neuen US-Regierung über das umstrittene Projekt wünscht. «Natürlich wollen wir, sobald die neue Administration im Amt ist, mit den Kolleginnen und Kollegen in Washington auch über dieses Thema sprechen.» Es wird erwartet, dass auch die neue Regierung von US-Präsident Joe Biden, der am kommenden Mittwoch vereidigt wird, keinen Kurswechsel vornimmt. Befürworter der Pipeline werfen den USA vor, nur ihr Flüssiggas besser verkaufen zu wollen.

Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses und Linken-Politiker Klaus Ernst begrüßte die BSH-Entscheidung. Dass die Genehmigungen ausgelaufen seien, sei «den völkerrechtswidrigen Sanktionsdrohungen der USA zuzuschreiben», die die Arbeiten verzögert hätten. Er forderte wirksame Gegenmaßnahmen von Deutschland und der EU. Die BSH-Genehmigung war unter anderem deshalb notwendig geworden, weil eine Schweizer Firma ihre Spezialschiffe nach Sanktionsdrohungen der USA Ende 2019 abgezogen hatte und für einen anderen Schiffstyp bisher keine Baugenehmigung für die Wintermonate vorgelegen hatte.

Nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom als Hauptinvestor sind 94 Prozent der umstrittenen Pipeline fertiggestellt. Damit liegen mehr als 2.300 Kilometer Rohre des Doppelstrangs auf dem Meeresboden. Es fehlen noch etwa 150 Kilometer, also 75 Kilometer je Strang - davon etwa 120 Kilometer in dänischen und etwa 30 Kilometer in deutschen Gewässern.

Um diese rund 30 Kilometer südlich der dänischen Insel Bornholm geht es bei der nun erteilten Genehmigung des BSH. Die verbleibende Strecke verlaufe zwar durch den Randbereich eines Vogelschutzgebietes, hieß es. Das habe aufgrund der Wassertiefe allerdings «eher geringe Bedeutung für bestimmte Rastvogelarten». Außerdem handele es sich teilweise ohnehin um ein häufig befahrenes Gebiet.

Nabu, DUH und auch die Umweltorganisation WWF scheinen dieser Argumentation nicht zu folgen. «Das Gebiet ist im Winter als Rastplatz für Seevögel wichtig», heißt es vom WWF. Man habe kein Verständnis für die Genehmigung. Und auch jenseits ornithologischer Fragen dürften die Diskussionen weitergehen.
dpa
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