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21.11.2013 | 15:19 | Offshore-Windparks 

Windkraft-Pionier Bard vor dem Aus

Emden - 2008 machte sich Deutschlands Offshore-Pionier Bard auf, in der 40 Meter tiefen Nordsee ein Fundament der Energiewende zu legen. Viele Rückschläge folgten, Investoren zahlten enormes Lehrgeld - und nun folgt sogar das Aus. Es ist auch ein Mahnmal für die Energiewende.

Offshore-Windkraft
(c) proplanta
Vier Buchstaben reichten im Jahr 2008 aus, um eine ganze Region in Ekstase zu versetzen: Bard. Das Unternehmen war für das strukturschwache Ostfriesland so etwas wie ein Heilsbringer und brachte vieles mit, was es damals für Jubelgesänge brauchte: Neue Jobs an Land für ein spannendes High-Tech-Unterfangen auf See und das alles obendrein auch noch mit einem Produkt, das politisch so richtig Rückenwind genoss: Grüne Windkraft weit draußen vor der Küste, wo die Mühlen kein Landschaftspanorama verschandeln und der Wind viel öfter bläst. Hinter Bard stand der russische Multimillionär Arngolt Bekker als Finanzier, was Fragen zum nötigen Kleingeld schnell erübrigte.

Fünf Jahre später ist der Traum zerplatzt, die Macher des ersten kommerziellen Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee drehen das ganz große Rad nicht mehr weiter. Was sich lange abgezeichnet hatte, machte Bard am Mittwoch offiziell: «Die operative Stilllegung der Bard-Gesellschaften erfolgt aufgrund fehlender Folgeaufträge bis Mitte 2014.» Aus und vorbei - nach nur fünf Jahren.

Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte 2008 zum Start der Prototypen noch gesagt: «Wir sind heute an einem für Deutschland wichtigen Schritt beteiligt». Er stand dabei auf dem Rysumer Nacken bei Emden, bestaunte die Gondeln der Mühlen, die so groß sind wie ein Einfamilienhaus, und es schien klar: Dort oben liegt die Zukunft.

Noch 2010, so der Ursprungsplan, sollten die 80 Anlagen im Park Bard Offshore 1 weit vor Borkum Strom liefern. Doch erhebliche technische Probleme brachten gut zweieinhalb Jahre Verzögerung. 2010 zog sich dann Bekker als Hauptgesellschafter zurück, er verkaufte Sahnestücke aus den Bard-Projektgebieten an den schwäbischen Konkurrenten Windreich. Der ist seit kurzem insolvent.

Nun gehen auch bei Bard fast alle Lichter aus. Ein Firmenrest soll unter neuem Namen den Betrieb von Bard Offshore 1 gewährleisten und seine Dienste Dritten anbieten - so sie denn kommen. Aus der Branche ist seit vielen Monaten die Luft raus. Längst räumt auch die Politik ein, dass die ursprünglichen Pläne nicht mehr zu halten sind. Mit deutlichen Korrekturen wollen Union und SPD beim Zustandekommen einer großen Koalition die Ausbauziele für Windparks im Meer eindampfen.

Bard hatte im Sommer erste Kündigungen ausgesprochen und schon gewarnt, dass es auch für viele der übrigen 540 Mitarbeiter eng werde. Rund 300 von ihnen sollen nun in die Nachfolgegesellschaft OWS wechseln dürfen. Bard drücken laut jüngster Bilanz gut 800 Millionen Euro Schulden - stand Ende 2011. Neue Angaben wollte ein Sprecher des Unternehmens am Mittwoch nicht machen.

Der einst so stolze Offshore-Pionier, der vor gut fünf Jahren an Land seine Prototypen feierte, spiegelt inzwischen eine Realität für Teile der Branche, die weit entfernt ist vom großen Sprung ins Wasser - und damit auch das politische Ziel Energiewende gefährdet. Bard agierte lange in Zeiten ohne große politische Planungssicherheit.

Das alte Ziel: 10.000 Megawatt aus Parks wie dem von Bard sorgen bis 2020 dafür, dass der Atomausstieg kein klimapolitisches Fiasko wird. Scheitert der Plan, könnten ausgerechnet die Kohlekraftwerke das gewollte Abschalten der Atommeiler auffangen. Gaskraft rechnet sich kaum und Sonne wie Wind an Land liefern zu unbeständig. Ohne Offshore vor der Küste könnte die Energiewende also den Anteil des Kohlestroms treiben - und der lag 2012 schon bei 45 Prozent.

Experten rechneten schon im Sommer vor, dass das Ziel 10.000 Megawatt bis 2020 völlig unrealistisch sei. Nur für einen Bruchteil stehe überhaupt eine Finanzierung. Die jüngsten Pläne der möglichen Koalitionäre Union und SPD sind nun auch massiv gekappt: 6500 statt 10.000 Megawatt (MW) und bis 2030 dann 15.000 statt 25.000 MW.

Vorbei ist die Aufbruchsstimmung. Wie ein mahnendes Symbol wirkte vor diesem Hintergrund diesen Sommer die Nachricht des Offshore-Parks Riffgat vom Oldenburger Energieunternehmen EWE, der mit 30 Mühlen fertig ist, aber ohne Kabelanschluss. Er musste deswegen vorerst ausgerechnet mit Diesel laufen, damit die Räder nicht rosten.

Jetzt, im Herbst, drohen weitere bittere Wahrheiten: Noch mehr Jobs könnten in der Offshore-Industrie verloren gehen, nach früheren Einschätzungen der Arbeitsagentur ist mehr als jede vierte Stelle in Gefahr, nämlich 5.000 Arbeitsplätze der bundesweit 18.000 Stellen. (dpa)
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