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28.03.2019 | 17:02 | Glyphosat-Klagewelle 
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Wird Monsanto für Bayer zum Milliardengrab?

San Francisco/Leverkusen - Eine weitere Niederlage vor einem US-Gericht bringt den Bayer-Konzern und dessen Chef Werner Baumann noch tiefer in die Bredouille.

Glyphosat-Klagewelle
Der teure Zukauf Monsanto bringt Bayer immer stärker unter Druck. Wegen ihres umstrittenen Unkrautvernichters wurde die Tochter nun erneut zu hohem Schadenersatz verdonnert. Was bedeutet das 80-Millionen-Dollar-Urteil für den Leverkusener Dax-Riesen? (c) proplanta
Die erst im vergangenen Jahr für viel Geld übernommene US-Tochter Monsanto ist in kurzer Zeit vom Hoffnungsträger zum großen Risiko geworden. Grund sind zahlreiche Prozesse wegen Unkrautvernichtungsmitteln wie Roundup und Ranger Pro mit dem angeblich krebserregenden Wirkstoff Glyphosat. Die Klagewelle in den USA kommt gerade erst in Fahrt, doch die Lage für Bayer scheint bereits höchst prekär. Wie geht es weiter?

Eine große Überraschung war es nicht, aber dennoch eine weitere herbe und brisante Schlappe für Bayer: Beim Großprozess am Bundesbezirksgericht in San Francisco urteilte die Jury, dass Monsanto für Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup haftbar ist und dem 70-jährigen Kläger Edwin Hardeman Schadenersatz in Gesamthöhe von 80,3 Millionen Dollar (71,4 Mio Euro) zahlen muss. Zuvor waren die Geschworenen bereits zu dem Schluss gekommen, dass Roundup ein wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebserkrankung Hardemans sei.

Die Gesamtsumme, die weitgehend aus sogenanntem Strafschadenersatz besteht, der im US-Recht als Zusatzsanktion bei besonders schwerwiegenden Entschädigungsfällen verhängt werden kann, liegt damit in etwa auf dem Niveau eines ersten Glyphosat-Urteils aus dem Vorjahr. Im August war Bayers Saatgut-Tochter Monsanto ursprünglich zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar an Schmerzensgeld und Entschädigung verdonnert worden, danach wurde die Summe auf 78 Millionen Dollar reduziert. Der Fall brachte in den USA eine regelrechte Klagelawine gegen Bayer ins Rollen.

Ende Januar lagen dem Konzern Klagen von 11.200 US-Klägern vor. Angesichts der Erfolge, die gegen Bayer vor Gericht errungen wurden, dürften weitere Klagen folgen. Experten der US-Bank JPMorgan rechnen damit, dass die Zahl mindestens 15.000 erreichen wird. Anleger würden die drohenden Rechtskosten derzeit auf 15 bis 20 Milliarden Dollar taxieren. Für eine verlässliche Schätzung sei es jedoch zu früh - zunächst müssten weitere Prozesse abgewartet werden. Letztlich läuft es bei solch massenhaften Klagen gegen Konzerne im US-Recht meist auf einen Vergleich hinaus, auch wenn Bayer sich bislang dagegen sträubt.

Bayer zeigte sich enttäuscht vom aktuellen Urteil und kündigte an, Berufung einzulegen. Dennoch ändere die Entscheidung nichts «am Gewicht von über vier Jahrzehnten umfangreicher wissenschaftlicher Arbeit und den Schlussfolgerungen von Regulierungsbehörden weltweit, welche die Sicherheit unserer glyphosatbasierten Herbizide und die Schlussfolgerung stützen, dass diese nicht krebserregend sind». Das Urteil habe keinen Einfluss auf zukünftige Fälle - jedes Verfahren sei auf Basis der jeweiligen Umstände gesondert zu betrachten.

Dennoch ist der Fall für Bayer hochbrisant, da es sich um einen richtungsweisenden «Bellwether Case» handelt. Damit ist im US-Recht eine Art Musterfall in einem Massenverfahren gemeint. Mehrere dieser repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei dem zuständigen US-Richter Vince Chhabria mehrere Hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.

Unter Anlegern ist die Nervosität hoch: Der Aktienkurs von Bayer fiel am Donnerstag auf ein weiteres Tief seit 2012. Seit der Prozessschlappe vergangenen August haben die Aktien rund 40 Prozent eingebüßt. Der Börsenwert des Konzerns liegt mit knapp 52 Milliarden Euro mittlerweile deutlich unter den rund 63 Milliarden Dollar (56 Mrd. Euro), die sich die Leverkusener den Monsanto-Kauf hatten kosten lassen. Trotz aller Probleme verteidigt Bayer-Chef Werner Baumann die Übernahme. «Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee», sagte er kürzlich der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS).

Verschnaufpausen gibt es für Bayer keine. An diesem Donnerstag soll bereits ein weiteres Verfahren - allerdings bei einem Landgericht - im kalifornischen Oakland starten. Bei den Klägern handelt es sich um ein krebskrankes Rentnerehepaar, das jahrelang mit Roundup hantierte und den Unkrautvernichter für sein Leiden verantwortlich macht. Viele der US-Klagen stützen sich auf eine Studie der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, die Monsantos Unkrautvernichter 2015 als «wahrscheinlich krebserregend» für Menschen einstufte.  
dpa
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Kommentare 
trakifreund schrieb am 30.03.2019 18:31 Uhrzustimmen(14) widersprechen(15)
Bei den Kaufverhandlungen waren schon Klagen anhängig.
Bayer wäre gut beraten gewesen, mit der Übernahme von Monsanto zu warten, bis die Klagen entschieden sind.
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