Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzgebung im Bereich der Erneuerbaren Energien, der weltweit steigenden Energie- und Rohstoffpreise, aber auch steigender
Pachtpreise, kommt der strategische Ausrichtung der Bioenergieproduktion eine besondere Bedeutung zu.
Als wichtiger Impulsgeber, als verläßliche Informationsquelle und nicht zuletzt als richtungsweisendes Trendbarometer haben sich schon seit Jahren die Tarmstedter Gespräche auf der Tarmstedter Ausstellung etabliert. Pioniere, Querdenker, langjährige Praktiker und findige Berater kommen hier zur Wort, referieren auf dem Podium über Themen, die die Landwirte bewegen und stehen den Zuhörern sowie Moderator und Agrarjournalist Hinrich Neumann Rede und Antwort. Vollbesetzte Stuhlreihen und Menschentrauben rund um die Stehtische bewiesen, dass die Organisatoren auch diesmal ein glückliches Händchen mit der Themenauswahl bewiesen haben.
So war besonders beim ersten Thema, der Vergärung von Gras in Biogasanlagen, nur schwer ein Platz zu ergattern. Hintergrund: Steigende
Getreidepreise haben auch den Preis für
Biomasse aus Mais stark ansteigen lassen und viele Anlagenbetreiber schauen sich nach preiswerteren Alternativen um. Auch Jens Geveke, Anlagenbetreiber aus Westerstede, setzt in seiner 500 kw-Anlage auf Gras, weil die Maisflächen in seiner Region durch
Milchviehhalter blockiert sind und er keine zusätzlichen Konkurrenzen aufbauen wollte. Er setzt den Rohstoff Mais zu mittlerweile 80 Prozent ein und strebt an, Mais gänzlich aus der Anlage zu lassen.
Gras auch deshalb, weil er vor Ort den 3. und 4. Schnitt vieler Milchviehhalter nutzen kann, der sonst oftmals ungenutzt gemulcht würde – eine win-win-Situation für beide Betriebe. Doch die Nutzung von Gras bringe einige Besonderheiten mit sich. So müsse das Gras pünktlich (Mitte Rispenschieben) und sandfrei geerntet werden. Es muss auf 3 - 4 Zentimeter Schnittlänge ("Die Biogasanlage hat keine Zähne!") gehäckselt werden und über eine Spezialdosierung – Geveke nutzt Vertikalmischer – in die Biogasanlage eingebracht werden. Ein Paddelgigant mit vier Durchmesser sorgt im 15 x 6,40 Meter-Fermenter dafür, dass sich keine Schwimmschichten bilden können.
Auch wenn Gras als Rohstoff etwas schwieriger als Mais zu handhaben sei, könne Gras doch deutlich preiswerter sein: Die Hektar-Pachtpreise seien etwa 300 Euro günstiger als für Maisackerland und die günstige Düngung mit Gärsubstrat aus der Anlage reiche zudem aus – teurer Mineraldünger sei nicht nötig. Außerdem habe die Graserntetechnik in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht.
Brandaktuell auch das Thema "Einspeisung von Biogas". Über neue Möglichkeiten sowie weitere Perspektiven der Einspeisung von Biogas ins Erdgasnetz sprach Karsten Wünsche, Abteilungsleiter und Prokurist bei der MT Biomethan GmbH. Während früher die Gaseinspeisung bei Anlagen mit 500 kW oder 1 MW kein Thema gewesen sei, weil die Kosten der Aufbereitungs- und Einspeisetechnik in keinem Verhältnis standen, sehe die Sache heute anders aus: Gerade die neue Gasnetzzugangsverordnung ermögliche auch den kleinen Anlagen diese Möglichkeit der Biogasnutzung.
Der Landwirt müsse lediglich die Aufbereitung sicherstellen, der Netzbetreiber wiederum müsse die Einspeisetechnik bereitstellen. Für den Landwirt reduzieren sich die Kosten bei der Biogaseinspeisung durch diese und andere Regelungen von bisher 2,5 auf 0,3 Cent pro Kilowattstunde Gas. Letztendlich müsse aber jeder Betrieb für sich entscheiden: Biogas vor Ort verstromen, als Rohgas verkaufen, als reines Biomethan verkaufen oder einspeisen und selber an anderer Stelle im externen BHKW nutzen?
Eine interessante Alternative zu den am Markt erhältlichen Brennstoffen stellte Guido Pusch, Vorstandsvorsitzender der Pusch AG, vor. Er propagiert den "Agrarstick" – ein Pellet aus landwirtschaftlichen Roh- und Reststoffen, der energetisch genutzt werden könne. Dabei kommt sowohl eine Nutzung der Sticks durch den Landwirt als auch die eigene Produktion dieser Sticks durch den Landwirt in Frage. Das Unternehmen will im Spätsommer die ersten Pelletpressen auf den Markt bringen, Landwirte können dann in Lizenz den Pellet produzieren.
In der abschließenden Diskussionsrunde "Erneuerbare Energien erobern den Energiemarkt – welche Rolle haben die Landwirte künftig?" wurde deutlich, dass Landwirte heute bereits, aber künftig noch mehr eine neue Rolle einnehmen werden. Der Landwirt ließe sich nicht länger zum Rohstofflieferant degradieren, sondern werde die vielfältigen Möglichkeiten nutzen und sich aktiv im Energiesektor einbringen. Zeigen werde sich, in welcher Form: Ob als Betreiber von lokalen Mikrogasnetzen oder als Lieferant von Biomethan oder Rohgas. Offen sei außerdem, welche der erneuerbarfen Energieträger für welche Nutzungsart (Strom, Wärme, Treibstoff) genutzt werden. (PD)