Hier die Messehallen als Schlemmermeile, Forum und Schaufenster der Ernährungsbranche - da die Straßen als Ort des Protests für Kritiker und Unterstützer moderner Landwirtschaft. Die Klimadebatte lässt die
Diskussion noch grundsätzlicher werden, auch auf der Grünen Woche, zu der die Veranstalter bis zum 26. Januar 400.000 Besucher erwarten.
«Da bricht sich etwas Bahn», sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner (
CDU) mit Blick auf Klima-Proteste und Bauerndemonstrationen der vergangenen Monate. Und stellt vor Beginn der weltgrößten
Agrarmesse klar: «Wir werden nicht mit romantisierenden Bullerbü-Vorstellungen zurück zu einer vormodernen Landwirtschaft kehren.» Damit seien die Menschen nicht zu ernähren.
In «Wir Kinder aus Bullerbü» hatte die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren das Bild eines weitgehend technikfreien Landlebens gezeichnet. Bis 2050 müsse die weltweite landwirtschaftliche Produktion um 70 Prozent erhöht werden, um die wachsende
Weltbevölkerung satt zu machen, sagt Klöckner. Sie zeichnet das Bild des Großstädters, der vom Bauernhof-Idyll träumt, weil sein Alltag zu hektisch ist. Der aber nicht bereit ist, beim Lebensmitteleinkauf im Supermarkt mehr zu bezahlen für einen größeren Schutz von Tieren, Klima und Umwelt.
Da geht nicht jeder mit. Grünen-Chef Robert
Habeck kritisierte die Ministerin im Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Sie zeigt auf die Verbraucher: Macht ihr mal, dann muss ich nichts machen.» Damit Verbraucher wirklich entscheiden können, sei aber etwa ein verbindliches Tierwohlkennzeichen notwendig - Klöckner arbeitet seit Jahren an einem freiwilligen Siegel; Starttermin offen. Verbraucher, Politik - es gibt noch mehr Akteure. Etwa den Handel.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warf den Lebensmittelketten vor, Wettbewerb auf Kosten von
Bauern in ärmeren Ländern zu machen. «Geizhandel führt zu Verarmung, weil den Entwicklungsländern so Milliarden an
Wertschöpfung entzogen werden», sagte Müller der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Am Freitag will er auf der Messe mit großen Lebensmittelhändlern eine Erklärung zu existenzsichernden Einkommen und Löhnen in Agrarlieferketten unterzeichnen. Angesichts von «Kampfpreisen» machte er vorab klar: «Für eine Schauveranstaltung bin ich nicht zu haben.»
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels betonte, die
Betriebe engagierten sich seit Jahren für mehr
Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten. Sie prüften Ansätze, wie existenzsichere Einkommen und Löhne noch stärker berücksichtigt werden können.
Die Branche verwies zugleich auf den starken Wettbewerb im Lebensmittelmarkt. «Verbraucher profitieren davon - zum Beispiel in Form von günstigen Preisen.» Das sei nicht verwerflich, weil auch sozial Schwächere sich vieles leisten könnten.
Das würdigte auch
Bauernpräsident Joachim Rukwied. «Deshalb ist der Appell an die Verbraucher gerichtet, die es sich leisten können, mehr zu bezahlen.» Die Einkommen der Bauern waren zuletzt zurückgegangen, die Stimmung ist laut einer
Umfrage am Tiefpunkt.
Das Stimmungstief hat auch damit zu tun, dass unklar ist, wie es mit der EU-Förderung von nächstem Jahr an weitergeht. «Ein Stall kostet Millionen. Da brauchen sie 20 bis 30 Jahre, bis der amortisiert ist», erklärt Rukwied. Klar sei, dass die
EU-Agrarpolitik grüner werde.
Subventionen sollen stärker
Umweltleistungen belohnen und weniger den Besitz großer Flächen. Doch wie es genau weiter geht, ist offen. Die Bauern hoffen, dass das Budget zumindest stabil bleibt.
Zur wirtschaftlichen Lage der Bauern sagt Klöckner, die am Freitag im
Bundestag ihren
Agrarbericht vorstellt: «Es gab schlechtere Zeiten.» Doch das Ansehen leide, und damit die Stimmung. Oft fehle Kritikern Sachkenntnis.
Klöckner forderte sachliche Diskussionen etwa über neue Pflanzenzüchtungen und Offenheit für Methoden wie etwa die Genschere Crispr/Cas. Sie könne helfen, dass weniger Pflanzenschutzmittel nötig und Ernten klimafester werden und Erträge steigen.
In Berlin wollen am Samstag Tausende Landwirte, Klima- und
Tierschützer für eine umweltfreundlichere
Agrarpolitik protestieren, gegen «Massentierhaltung» und «Agrarfabriken». Schlagwort: «Wir haben es satt!» Um das Brandenburger Tor werden 15.000 Teilnehmer erwartet.
Die Initiative «Land schafft Verbindung» will dagegen schon an diesem Freitag auf die Straße gehen, etwa gegen neue Düngevorschriften und für «faire»
Lebensmittelpreise - außer in Berlin auch in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Berlin und Hessen. Die größte Demonstration erwarten die Organisatoren in Nürnberg, wo etwa 5.000 Traktorfahrer protestieren wollen.