Der DLG-Präsident warnte allerdings davor, den globalen Austausch von landwirtschaftlichen Rohstoffen und Lebensmitteln zu reglementieren oder gar bewusst zu reduzieren. „Dies bedeutet einen breiten Wohlstandsverlust für viele Menschen in zahlreichen Regionen der Welt, zu Lasten derjenigen, die ohnehin nicht auf der Sonnenseite des Lebens sind“, betonte er.
Als drittgrößter Agrarexporteur und zweitgrößter Agrarimporteur sei Deutschland ein Beispiel für die intensive Nutzung arbeitsteiliger Prozesse. Das ist für Bartmer kein Selbstzweck, „denn hiervon profitieren die Konsumenten, denen durch Handel ein an Vielfalt und Preiswürdigkeit historisch einmaliges Angebot zur Verfügung steht“, erklärte der DLG-Präsident.
Deutschland sei mit seiner hohen Kaufkraft ein wichtiges Ziel für Produzenten aus aller Welt, gerade auch für die Länder, die wenig mehr als
Agrarprodukte zum internationalen Warenaustausch beitragen könnten. Hier komme dem Agrarhandel durch den freien Zugang zu den Märkten eine wichtige entwicklungspolitische Funktion zu.
Aber auch die deutsche Landwirtschaft sei Nutznießer, denn mit verarbeiteten Spezialitäten „Made in Germany“, mit leistungsfähigen in alle Welt strebenden Einzelhandelsstrukturen wandern der eine oder andere Sack Weizen oder Ölsaaten, so manches Rind, Schwein oder Geflügel aus deutschen Landen in alle Welt frisch auf den Tisch. „Dies ist eine erfolgreiche arbeitsteilige Agrar- und Ernährungswirtschaft, mit dem Handel als globalem Bindeglied.“ Eine an die jeweiligen natürlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasste Landwirtschaft sei dafür die Basis.
Nicht jedes Land muss alles erzeugen
Dies bedeutet Bartmer zu Folge, dass nicht jedes Land, nicht jede Region, alles selbst erzeugen muss. „Der Wunsch nach Autarkie ist heute vollkommen überholt.“ Daher hält Bartmer nichts von einer Sojaanbauförderung in der EU, um die Importe der Öl- und Eiweißpflanze zu reduzieren. Denn selbst wenn es gelänge, den Sojaanbau in der EU deutlich zu erhöhen, wäre das bei limitierter Ackerfläche nur möglich, wenn zugleich der
Getreideanbau verringert würde. Die Gemeinschaft würde ihre Position als erfolgreicher Getreideexporteur zugunsten eines vagen Versprechens auf heimische Soja riskieren. Das könne nicht gewollt sein.
Handel kann Produktion nicht ersetzen
Wenn sich die globalen Vorräte an Agrarprodukten durch Missernten oder strukturell stark wachsende Nachfrage bedenklich verringern, dann stelle sich nach Auffassung von Bartmer die Frage, ob Europa als selbstempfundene Musterregion der nachhaltigen Landnutzung ein ausgewogenes Maß zwischen Kulturlandschaft,
Biodiversität und
Klimaschutz auf der einen und landwirtschaftlicher Nutzung auf der anderen Seite herstellt. Seiner Meinung nach müsse in Zeiten globaler Knappheit von essenziellen, also durch nichts zu ersetzenden Produkten Europas Rolle als weltgrößter Nettoimporteur von Agrarprodukten heute anders beurteilt werden, als in Phasen des Überflusses, wie man ihn noch vor 20 Jahren kannte.
Handel könne möglicherweise den akuten (Missernten) aber nicht den strukturellen lokalen Mangel in Gänze aufheben. Für den DLG-Präsidenten sind durchaus ethische Fragezeichen zu setzen, wenn ein im globalen Maßstab bedeutender agrarischer Gunststandort seine Potenziale nicht nutzt, zu Lasten weniger kaufkräftiger Nachfrager, für die Preissteigerungen von Lebensmitteln mit Mangel und Hunger gleichzusetzen sind.
„Der Preis, sei er hoch oder niedrig, ist der erste Bote von Knappheiten“, betonte der DLG-Präsident. Diesen in der Höhe durch politische Maßnahmen zum Beispiel zu senken, würde an der Tatsache des Mangels nichts ändern. Genauso wenig wäre der Eingriff auf Finanzmärkte hilfreich, weil diese eine transparentere Preisbildung ermöglichten und zugleich Märkte durch Absicherungsgeschäfte beruhigen könnten.
Weltagrarhandel nicht Ursache für Hunger und Verteilungsgerechtigkeit
Der Weltagrarhandel sei nicht die Ursache für Hunger und mangelnde globale Verteilungsgerechtigkeit, sondern Teil der Lösung dieser gravierenden Probleme. Investitionen in Wissen und Können, in Infrastruktur, in Rechtsstaatlichkeit und effiziente Administrationen sind nach Auffassung des DLG-Präsidenten so wichtig wie der freie Marktzugang, um komparative Kostenvorteile eines Standortes nutzen zu können.
„Nur wer in der Lage ist, über reine Selbstversorgung hinaus zu produzieren, kann regionale Kaufkraft schaffen und somit am internationalen Warentausch teilnehmen. Die jüngsten Beschlüsse der
WTO lassen da hoffen.“ In einem ersten kleinen Schritt seit langer Zeit sei Bewegung in die Verhandlungen gekommen.
Der deutliche Abbau von Exportförderung in den Industrieländern werde anerkannt, und die am wenigsten entwickelten Länder erhielten erneut einen leichteren Zugang zu den internationalen Märkten. Bartmer hält den WTO-Ansatz für wesentlich besser als die Summe bilateraler Handelsvereinbarungen, die immer auch eine Diskriminierung der nicht integrierten Länder bedeutet.
Handelsvereinbarungen hinken der Entwicklung auf den Märkten hinterher
Leider ist festzustellen, dass multilaterale Handelsvereinbarungen auf WTO-Basis der Entwicklung auf den Märkten hinterherhinken. „Das war schon einmal anders! Deshalb müssen zurzeit zwischenstaatliche Regelungen diese Schwäche überbrücken, um den Handel zwischen Ländern auf eine praktikable rechtliche Grundlage zu stellen“, erklärte der DLG-Präsident. So könne das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU nur umgesetzt werden, wenn neben tarifären Aspekten die sozialen, ökologischen und ökonomischen Vorgaben in den beteiligten Staatenbündnissen zueinander passen.
Welthandel werfe durchaus auch kritische Fragen auf, wenn gerade sich entwickelnde Ökonomien in Konkurrenz treten mit arrivierten Volkswirtschaften, die durch rauen Wettbewerb erfolgsversprechende Ansätze in Entwicklungsländern behindern können. Für solche Situationen sehe die WTO zu Recht Schutzkonstellationen vor. Weltagrarhandel sollte nicht auf die Perspektive „Nord-Süd“, also „reich-arm“, reduziert werden.
Viel zu lange habe diese fast schon paternalistische Sichtweise die Diskussion über den Handel geprägt. Abgeschottete Märkte, landwirtschaftlicher Protektionismus sowie ineffiziente Handels- und Produktionsstrukturen bildeten Hindernisse im Austausch gerade zwischen den Schwellen- und Entwicklungsländern. (dlg)